Früher zu Hause, jetzt nur noch zu Gast

Saarbrücken · Der 1. BC Bischmisheim trifft im Spitzenspiel der Badminton-Bundesliga morgen Abend auf den TV Refrath. Einer, auf den es dann ankommt, ist Kapitän Michael Fuchs. Das Saarland hat der 34-Jährige nach 14 Jahren verlassen. Die SZ hat ihn Anfang November einen Tag begleitet.

 Über ein Jahrzehnt prägte Michael Fuchs das deutsche Badminton mit. Nun ist der 34-Jährige Sportdirektor in der Schweiz. Foto: Schlichter

Über ein Jahrzehnt prägte Michael Fuchs das deutsche Badminton mit. Nun ist der 34-Jährige Sportdirektor in der Schweiz. Foto: Schlichter

Foto: Schlichter

"Yeaaah! Come on!" Ein Schrei durchdringt die Ruhe in der Saarlandhalle. Michael Fuchs brüllt seine Freude über den gewonnenen Punkt heraus und ballt die rechte Faust. Seine von Schweiß durchtränkten braunen Haare kleben an seiner Stirn. Während rhythmisches Klatschen von den Rängen schallt, hebt der flinke, 1,81 Meter große Fuchs den Federball auf und reicht ihn seinem Partner Johannes Schöttler. Auf der Anzeigetafel am Rand des Spielfelds flimmern zwei Zahlen: 22:21 - Matchball für Fuchs und Schöttler. Hüne Schöttler steht zum Aufschlag bereit. Mit einer kurzen Ausholbewegung schlägt er den Ball lang und hoch über den indischen Gegner hinweg. Der kann den Federball nur hoch und kurz über das Netz zurückbringen. Schöttler schraubt sich in die Luft. Er holt aus, sein Arm schnellt nach vorne und der Ball klatscht mit hoher Geschwindigkeit ins Feld der Gegner. "Jaaa", schreit Fuchs, den Blick Richtung Hallendecke gerichtet. Dann fällt er seinem Doppelpartner nach dem Sieg in der ersten Runde in die Arme.

Sportdirektor in der Schweiz

Die Badminton-Profis Michael Fuchs und Johannes Schöttler haben bei den Bitburger Badminton Open Anfang November einen erfolgreichen Ausstand gefeiert. Obwohl die beiden seit den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro nicht mehr miteinander trainiert hatten, legten sie einen Lauf hin und mussten sich erst im Finale gegen die Malaysier Yew Sin Ong und Ee Yi Teo geschlagen geben. Während Schöttler im Saarland bleibt und Bundestrainer für Doppel und Mixed wird, hat Fuchs einen Umzug hinter sich. "Ich habe im Oktober in Bern als Sportdirektor der Schweiz angefangen", erklärt der gebürtige Würzburger, der während des Turniers bei einem Freund übernachtete. Die Entscheidung, das Saarland hinter sich zu lassen, fiel ihm schwer: "Ich habe 14 Jahre hier gelebt und viele nette Leute kennengelernt. Aber die Chance konnte ich mir nicht durch die Lappen gehen lassen. Das wäre grob fahrlässig gewesen", sagt der 34-Jährige, der im März bei den German Open in Mülheim an der Ruhr mit Birgit Michels im Mixed sein letztes internationales Turnier bestreiten wird.

Dick eingepackt sitzt er im nachtschwarzen Cabrio. Das Dach ist geschlossen. Trotzdem trägt Fuchs eine schwarze Wintermütze und eine schwarze Daunenjacke über seinem Trainingsanzug. Der Winter hat Saarbrücken fest in der Hand an diesem Novembertag. Auf dem Parkplatz der Saarlandhalle angekommen, schultert er locker seine blau-schwarze Yonex-Tasche mit den goldenen Reißverschlüssen und trottet gemütlich in Richtung Eingang. Er kennt den Weg: Ab durch den Haupteingang, halb rechts ins Foyer, wo die Badminton-Ausrüster ihre Ware ausstellen. Dann links in einen Treppenabgang, dabei unter einem roten Absperr-Band hindurch. Im Untergeschoss angekommen, stürmt eine kleine Gruppe Schulkinder auf ihn zu. "Bist du ein Spieler? Gibst du uns ein Autogramm?", rufen sie ihm zu. Mit einem Lächeln zeigt er in Richtung eines anderen Spielers, der sich grade durch die Tür zur Toilette schiebt. "Nein, ich doch nicht. Aber schaut mal: Der ist Spieler", erwidert er, lacht und setzt seinen Weg fort. Links abbiegen in die Halle, Blick auf die Tribüne. Da sitzt er, Doppelpartner Johannes Schöttler. Er bahnt sich seinen Weg zu ihm.

Seit 2013 haben Fuchs und Schöttler Seite an Seite gespielt. Dass sie es zusammen zu den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro geschafft haben, glich einem Wunder. Schöttler litt stark unter seinen Hüftproblemen, die ihn noch heute behindern. Trotzdem traten die beiden bei vielen Qualifikationsturnieren an und schafften es auf den letzten Drücker ins Feld der Sommerspiele. Auch wenn sie schließlich in der Vorrunde die Segel streichen mussten.

Fuchs, der für den 1. BC Bischmisheim noch die laufende und kommende Saison in der Bundesliga bestreiten wird, so auch morgen Abend im Topspiel gegen den Tabellenführer TV Refrath (19 Uhr, Joachim-Deckarm-Halle) hat in seiner Karriere vieles erreicht. Mit dem BCB wurde er bisher sieben Mal deutscher Meister. Im Herrendoppel gewann er bei der Individual-Europameisterschaft 2010 Bronze an der Seite von Ingo Kindervater und 2012 Silber mit Oliver Roth. Mit der Mixed-Mannschaft wurde er 2013 Europameister und konnte im Mixed- und Herren-Team weitere EM-Medaillen sammeln. 2012 kam er bei den Olympischen Spielen in London mit Birgit Michels ins Mixed-Viertelfinale.

Ohne regelmäßige Behandlungen von Physio-Therapeuten wären seine Erfolge wohl nicht möglich gewesen - auch beim letzten Auftritt in Saarbrücken . In einem kleinen Raum im hinteren Teil der Halle wartet Michael Fuchs auf seine Behandlung von Physiotherapeut Patrick. Noch liegt Johannes Schöttler auf der blauen Pritsche mit dem weißen Gestell im kalten Licht der Leuchtstoff-Röhren. Bei jeder Bewegung gibt sie ein Knarzen und Quietschen von sich. In der Luft liegt der Geruch von Franzbranntwein. Im Hintergrund tönt Jazz-Musik aus einem Radio. Während Schöttler mit hochrotem Kopf und gequältem Gesichtsausdruck die Behandlung an seiner Hüfte über sich ergehen lässt, zieht sich Fuchs im hinteren Teil des Raums das verschwitzte Shirt und die Socken aus. Dann ist er an der Reihe. Patrick rollt eine frische Papier-Unterlage aus, Fuchs legt sich in Rücklage auf die Massage-Liege. Während Patrick mit kraftvollen Fingern die Oberschenkel eincremt und durchknetet, beschäftigt sich Fuchs mit seinem Smartphone. Als er sich aufrichtet, zeigt er mit seinem Finger zwischen seine Schulterblätter und sagt: "Da müsste noch einer draußen sein." Auf Anweisung dreht er sich auf den Bauch, Patrick legt seine Hände übereinander und drückt mit voller Kraft und getreckten Armen auf besagte Stelle. Doch nichts tut sich. Nur das Quietschen und kleinere Stöhner von Fuchs sind zu hören. Der Physio nimmt eine Plastikrolle, umwickelt sie mit einem Handtuch und lässt Fuchs sich mit dem Rücken darauf legen. Der muss die Beine anwinkeln und die Arme verschränken. Mit voller Kraft wird er nun ruckartig auf die Rolle gedrückt. "Oooh Patrick", schreit Fuchs. Ein Knacken durchdringt die Musik - der Wirbel ist wieder drin.

Die Entscheidung, einen Schlussstrich unter die internationale Karriere zu ziehen, ist Fuchs nicht leicht gefallen. "Mein Körper fühlt sich noch gut an, ich habe keine größeren Probleme. Aber der Aufwand, um fit zu bleiben, wird immer größer", erklärt der Rechtshänder: "Ein bis zwei Jahre wären noch realistisch gewesen, aber vier Jahre bis zu den nächsten Spielen - das ist noch weit weg. Da meine Partner beide aufhören, fiel die Entscheidung eben so." Und obwohl er schon so routiniert ist, ist ihm die Nervosität vor dem Turnier anzumerken, auch beim Aufwärmen vor der erfolgreichen Auftaktpartie gegen die indische Paarung:

Treffen mit alten Weggefährten

Nebeneinander stehen Schöttler und Fuchs, den Blick starr auf das Spielfeld gerichtet. Schöttler tippelt auf der Stelle, seine Schuhe quietschen auf dem Boden. Fuchs dagegen macht einen tiefen Ausfallschritt und wippt dabei. Sein linkes Knie berührt fast den Boden. Dann machen sich die beiden Badminton-Spieler auf den Weg. Hinter den Banden vorbei einmal ans andere Ende der Halle. In ihren blau-violetten Trikots mit der Deutschland-Flagge auf der linken Brust stehen sie am Meeting-Point. Auch ihre Gegner sind schon da. Dann die Ansage über die Lautsprecher: "Court one, Men's Doubles. Michael Fuchs and Johannes Schöttler, Germany, against Akshay Dewalkar and Tarun Kona, India.” Angeführt von den Schiedsrichtern geht es auf den Platz.

Nach dem Sieg und seiner Behandlung beim Physiotherapeuten nimmt er sich Zeit für alte Weggefährten, die er in der Halle trifft. Immer wieder grüßt er und spricht mit ihnen über seinen neuen Job. "Ich gehe gerne zur Arbeit. Es macht sehr viel Spaß, ist abwechslungsreich und vielseitig", schildert er und stellt seinerseits Fragen.

 Michael Fuchs wechselte zur Saison 2003/2004 zum Bundesligisten 1. BC Saarbrücken-Bischmisheim. Foto: Hartung

Michael Fuchs wechselte zur Saison 2003/2004 zum Bundesligisten 1. BC Saarbrücken-Bischmisheim. Foto: Hartung

Foto: Hartung
 Michael Fuchs und Johannes Schöttler (hinten) bildeten lange Jahre das beste deutsche Herrendoppel. Foto: Heise

Michael Fuchs und Johannes Schöttler (hinten) bildeten lange Jahre das beste deutsche Herrendoppel. Foto: Heise

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Als Michael Fuchs die Halle verlässt, ist es bereits dunkel. Er öffnet den Kofferraum seines Autos und wirft locker seine Tasche hinein. Nach dem Einsteigen schnallt er sich an, parkt aus und fährt los. In die Wohnung, in der er zu Gast ist, denn eigentlich hat er Saarbrücken bereits hinter sich gelassen.

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