Freude, Angst und Zweifel

Rom · Ring frei in Rom: 636 Tage nach seinem letzten Freiluft-Wettkampf stellt sich Diskuswurf-Olympiasieger Robert Harting wieder im Stadion der Konkurrenz. Für Harting beginnt die Saison der Wahrheit.

 Diskuswerfer Robert Harting dominierte in den vergangenen Jahren seine Sportart wie kaum ein Zweiter vor ihm, bis ihn ein Kreuzbandriss außer Gefecht setzte. Foto: Jens Wolf/dpa

Diskuswerfer Robert Harting dominierte in den vergangenen Jahren seine Sportart wie kaum ein Zweiter vor ihm, bis ihn ein Kreuzbandriss außer Gefecht setzte. Foto: Jens Wolf/dpa

Foto: Jens Wolf/dpa

Robert Harting hat genug vom Zuschauen. Genug von den ständigen Arztbesuchen. Genug von der Reha. Der Diskus-Star sehnt sich nach der Rückkehr in den Ring. "Ich will wieder werfen", sagt Harting. Und heute ist es endlich soweit. Beim Diamond-League-Meeting in Rom feiert der Olympiasieger seine Freiluft-Rückkehr. Nach 636 Tagen.

Im September 2014 riss Harting ein Kreuzband im linken Knie. Zuletzt erlebte der Berliner wegen eines Muskelfaserrisses im Brustmuskel und einer Entzündung im rechten Knie einen erneuten Rückschlag auf dem Weg zum ersehnten Olympia-Gold in Rio (5. bis 21. August). Harting fehlen dadurch hunderte Würfe im Training, die Feinjustierung der komplizierten Technik litt. "Durch den Trainingsausfall ist mein Wurf-Motor nicht warmgefahren, hat nicht die richtige Drehzahl, ich bestreite also meine ersten Wettkämpfe nur mit 80 Prozent", sagt er: "Für mehr reichte die Zeit nicht."

Eigentlich hatte Harting am 15. Mai in Wiesbaden in die Saison starten wollen, wurde dann aber von seinem Körper zur Planänderung gezwungen. "Der Brustmuskel ist meine wichtigste Stelle, da erzeuge ich meine sieben PS für den Wurf, doch leider kommen zurzeit nur zwei PS raus", sagt der 31-Jährige. Und so muss Harting erst einmal die Olympianorm von 65 Metern abhaken, während seine Konkurrenten um Gold bereits in Top-Form sind. Sein Dauerrivale Piotr Malachowski aus Polen führt die Weltjahresbestenliste mit 68,15 Metern an, dahinter rangiert Hartings jüngerer Bruder Christoph (68,06 Meter).

"Es gibt eine klare Bedrohung, bei Olympia nicht dabei zu sein. Nicht vorneweg zu marschieren, nicht das zu erreichen, was ich mir für diese Saison vorgenommen habe", sagte der Weltklasse-Athlet. Er hat Respekt vor der Aufgabe, und er gibt zu: "Ja, das ist auch Versagensangst. Da mache ich auch gar keinen Hehl daraus."

Bis zu den deutschen Meisterschaften in Kassel (18./19. Juni) will der Weltmeister von 2009 bis 2013 in Top-Form sein. Dafür engagierte Harting zuletzt auch einen eigenen Athletik-Trainer, zudem geht es zum Feinschliff noch einmal ins Trainingslager nach Kienbaum. "Zu Hause kann ich keine Leistung aufbauen. Da lenkt der Alltag zu sehr ab. Mein Schreibtisch ist zu nah, meine Gedanken mit zu vielen Dingen beschäftigt", sagt er: "Um besser zu werden, muss ich quasi in ein Gewächshaus. Trainieren, essen, schlafen und wieder trainieren, essen, schlafen."

Harting merkt mittlerweile, dass auch er die Natur nicht überlisten kann. Und er weiß, dass ihn die Konkurrenten vom Thron stoßen wollen. "Die sind jung, sind dynamisch: Die brauchen keine Physiotherapie, die machen das im Handumdrehen", sagt Harting. Er selbst dagegen könne "das nicht mehr so aus dem Arm schnipsen und die Jungs nach Hause schicken".

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Hintergrund Die Nationale Anti-Doping-Agentur (Nada) hat die Vorwürfe des systematischen Dopings in Deutschland durch die russische Stabhochsprung-Olympiasiegerin Jelena Issinbajewa zurückgewiesen. "Wir haben ein Meldesystem, mit dem wir unangekündigt kontrollieren. Wir haben eine hohe Qualität der Analytik", sagte die Nada-Vorstandsvorsitzende Andrea Gotzmann gestern in Berlin. Den derzeit vom Weltverband IAAF suspendierten russischen Leichtathleten droht wegen massiver Dopingvergehen selbst das Olympia-Aus. Gotzmann hofft nach den zuletzt ans Licht gekommenen Erkenntnissen und Vorwürfen vor allem im russischen Sport auf Konsequenzen. "Das ist ein Tiefschlag für saubere Sportler. Ich erwarte ein starkes Zeichen, auch im Sinne unserer Athleten", sagte sie: "Es müssen zeitnah klare und unmissverständliche Entscheidungen fallen. Ansonsten ist die Glaubwürdigkeit des Sports in Gefahr." Man müsse, so Gotzmann, darüber nachdenken, ob man Länder, in denen systematisches Doping herrscht, zu großen Sportveranstaltungen zulasse. sid

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