"Freiwilligkeit halte ich für vernünftig"

Herr Commercon, Sie sind seit fünf Monaten im Amt. Welchen Kontakt hatten Sie in Ihrer noch jungen Amtszeit mit dem Thema Schulsport?Ulrich Commercon: Wir hatten von Anfang an eine Menge mit dem Schulsport zu tun, weil es an allen Schulformen viele Leistungsvergleiche und Wettbewerbe gibt. Ich durfte schon einige Preise verleihen

 Bildungsminister Ulrich Commercon (SPD) äußert sich im SZ-Interview zum Thema Schulsport. Foto: Thomas Wieck

Bildungsminister Ulrich Commercon (SPD) äußert sich im SZ-Interview zum Thema Schulsport. Foto: Thomas Wieck

Herr Commercon, Sie sind seit fünf Monaten im Amt. Welchen Kontakt hatten Sie in Ihrer noch jungen Amtszeit mit dem Thema Schulsport?Ulrich Commercon: Wir hatten von Anfang an eine Menge mit dem Schulsport zu tun, weil es an allen Schulformen viele Leistungsvergleiche und Wettbewerbe gibt. Ich durfte schon einige Preise verleihen. Zum Beispiel bei einem Fußballturnier von Grundschulmannschaften. Da kommt man mit den Schülern auch ganz schnell in Kontakt. Eines der schönsten Erlebnisse war das Sportfest der Förderschulen in Lebach. Das ist eine wirklich tolle Sache, weil man da sieht, mit welcher Begeisterung sich die Kinder an den Förderschulen engagieren. Ansonsten ist unser Schulsport-Referat ohnehin agil und engagiert. Also, ich habe mindestens zweimal pro Woche mit dem Thema Schulsport zu tun.

Wurden Probleme oder Vorschläge, was man in diesem Themenbereich ändern müsste, an Sie herangetragen?

Commercon: Im Wesentlichen läuft es gut. Die Punkte, die normalerweise immer genannt werden, sind das Klassenlehrerprinzip in den Grundschulen und die dritte Sportstunde.

Wie stehen Sie zum Klassenlehrerprinzip?

Commercon: Bei meinem Sohn sehe ich gerade, wie wichtig es ist, dass die Klassenlehrerin mit den Kindern auch den Sport macht. Dafür muss Sie keine ausgebildete Sportlehrerin sein. Das Wichtige am Schulsport ist ja nicht nur die körperliche Ertüchtigung selbst, sondern auch, dabei den Kopf frei zu bekommen. Wir wissen alle, dass Bewegungsapparat und intellektuelle Fähigkeiten beziehungsweise die Ausbildung von kognitiven Fähigkeiten sehr eng zusammenhängen. Ein Klassenlehrer sieht bei den Kindern im Sport auch Dinge, die ein anderer nicht unbedingt sieht. Deshalb halte ich das für eine gute Lösung. Natürlich wird das von Sportlehrern anders gesehen. Aber ich glaube nicht, dass nur sie den Sportunterricht halten können. Grundschullehrer sind gut ausgebildet und können das leisten.

Brauchen wir eine dritte Sportstunde an den Schulen?

Commercon: Auch da sehe ich bei meinem Sohn, dass wir die dritte Sportstunde in der Grundschule durch die erteilten Förderunterrichtsstunden und die einzulegenden Bewegungsphasen ohnehin faktisch schon haben. Im weiterführenden Bereich gibt es aber noch Bedarf. Von daher werden wir bei den Ganztagsschulen, wo auch die notwendige Zeit vorhanden ist, die verlässliche dritte Sportstunde gewährleisten.

Gibt es einen Schwerpunkt in der Grundschullehrer-Ausbildung, was den Sport betrifft?

Commercon: Das kommt darauf an, wo die Grundschullehrer herkommen. Wir hatten ja bisher keine Grundschullehrer-Ausbildung im Saarland, deswegen kommen sie im Moment aus anderen Bundesländern, vorwiegend aus Rheinland-Pfalz. Und die Vorbereitung dort ist bisher immer eine gute gewesen.

Unseres Wissens nach gibt es nur vier Informationsblätter für die angehenden Lehrer und die Beobachtung einer Sportstunde. Ist das für Grundschullehrer in der Ausbildung nicht zu wenig? Vor allem, wenn sie vorher nie Berührungspunkte mit Thema hatten?

Commercon: Im Referendariat kommt es sehr stark auf die jeweiligen betreuenden Lehrkräfte an. Die einen legen großen Wert darauf, die anderen nicht. Wir müssen in der Grundschule darauf achten, dass es genügend Anteile des Bewegungsbereichs gibt. Das schaue ich mir gerne noch mal genauer an. Aber einen Grundkonflikt hat man bei der Breite, die es in der Grundschullehrer-Ausbildung braucht, immer. Die Lehrer müssen alle Fächer draufhaben, gleichzeitig didaktisch und pädagogisch gut ausgebildet sein - und zusätzlich musikalisch, kulturell und im sportlichen Bereich top sein. Das passt in die 18 Monate Referendariat nicht alles rein. Das ist klar. Ich kann den Referendaren nur empfehlen, wenn sie selbst feststellen sollten, dass in einem Bereich in der Ausbildung zu wenig gemacht wurde, sich mit dem Ministerium rückzukoppeln.

Seit dem laufenden Wintersemester gibt es das Grundschullehrer-Studium in Saarbrücken. Hat man diese Chance genutzt und eine speziellere Ausbildung in Sachen Sport aufgenommen?

Commercon: Die Grundschullehrer-Ausbildung hat es in dieser Form im Saarland bisher nicht gegeben. Bis in die 1970er Jahre gab es die pädagogische Hochschule, die ein Fachhochschulstudium und kein Universitätsstudium angeboten hatte. Das heißt, dass wir in der Grundschullehrer-Ausbildung im eigenen Land noch keine Erfahrungen gesammelt haben. Wir setzen jetzt sehr stark auf Wahlbereiche. Das heißt, dass sich die Studierenden im Studium selbst Schwerpunkte setzen können.

Eine Umfrage der SZ bei allen Landtags-Parteien und der FDP hat ergeben, dass die Wiedereinführung der dritten Sportstunde bei allen auf prinzipielle Zustimmung stößt. Auch wissenschaftlich ist erwiesen, dass bereits nur eine Stunde mehr Schulsport mehr Nutzen bringt. Was halten Sie davon?

Commercon: In den ersten beiden Schuljahren der Grundschule ist die dritte Sportstunde schon verpflichtend. Darüber hinaus muss im dritten und vierten Schuljahr Schwimmen angeboten werden. Dazu haben die Schulen im Rahmen ihrer Budgets die Möglichkeit, eigene Schwerpunkte zu setzen. Das heißt, dass die Grundschulen auch im dritten und vierten Schuljahr eine dritte Sportstunde einsetzen können. Ich finde es wichtig, dass die Schulen das individuell entscheiden können. Die Kinder, die ein Ganztagsangebot wahrnehmen, haben auf jeden Fall mehr als drei Sportstunden in der Schule. In den dritten und vierten Klassen an den fünf Unterrichtstagen noch zusätzliche Stunden draufzupacken, ist objektiv nicht zu schaffen. Wir haben schon die höchste Stundentafel von allen Bundesländern, und ich finde, dass im dritten und vierten Schuljahr sechs Stunden am Tag absolut reichen.

Das gilt für die Grundschulen. Was ist mit den weiterführenden Schulen?

Commercon: Da muss man unterscheiden. Ich sehe bei den Gymnasien als Halbtagsschulen, die sowieso schon bis zur neunten Stunde unterrichten, keine Möglichkeit, zusätzliche Sportstunden einzuführen. Außer an den Ganztagsschulen. Dort gibt es ein breit gefächertes Sportangebot. Von daher behaupte ich gewagt: Faktisch haben wir im Saarland durchgehend die dritte Sportstunde verwirklicht. Wir nennen sie nur anders, und es gibt keine Verpflichtung dazu. Und die Freiwilligkeit halte ich für vernünftig.

Aber man kann die Nachmittagsangebote doch nicht mit Sportunterricht vergleichen.

Commercon: Ja, aber der Tag hat eben nur eine gewisse Anzahl von Stunden. Man hätte nur die Möglichkeit, die Stundentafel auszuweiten. Das heißt, dass die Kinder entweder morgens um 7 Uhr schon in die Schule gehen müssten oder über 13.15 Uhr hinaus. Und ich finde, das ist unzumutbar. Wenn wir in den übrigen Fächern dafür Einschnitte machen würden, wäre der Protest groß. Es hat also in erster Linie nichts mit Geld zu tun, sondern mit einer Überforderung der Schülerinnen und Schüler.

Ein drittes Hauptthema, das sich im Laufe unserer Serie abgezeichnet hat, ist die Infrastruktur. Zum Beispiel ist Schwimmunterricht in den Schuljahren drei und vier zwar verpflichtend, aber nicht jede Schule kann ihn anbieten, weil immer mehr Schwimmbäder im Land geschlossen werden. Was können Sie da tun?

Commercon: Das ist eine Frage, die ich als Bildungsminister nicht beantworten kann. Diese Frage müssten sie den Schulträgern stellen. Sie sind dazu verpflichtet, Sport- und eben auch Schwimmangebote zu ermöglichen. Dafür haben sie organisatorisch Vorsorge zu treffen. Wenn es Einzelfälle gibt, in denen das nicht möglich ist, kann ich nur darum bitten, dies dem Bildungsministerium mitzuteilen. Dann können wir versuchen, Maßnahmen zu ergreifen, damit die Schulträger dies auch umsetzen können.

Aber ist es nicht alarmierend, dass nachweislich immer weniger Schüler nach der Grundschule schwimmen können?

Commercon: Es gibt Dinge, die die Schule am Ende nicht regeln kann. Die Eltern sind auch noch da mit ihrer Verantwortung. Das muss man von Eltern einfach erwarten, dass sie ihre Kinder beim Schwimmen-Lernen unterstützen. Die Schule kann nicht den kompletten Erziehungsauftrag der Eltern übernehmen. Das geht nur im Zusammenwirken. Wir werden uns aber darum kümmern müssen, dass wir die Kinder im Einzelfall nicht für das Versagen ihrer Eltern bestrafen. Deswegen wollen wir die Nachmittagsbetreuung in der freiwilligen Ganztagsschule qualitativ verbessern und die gebundenen Ganztagsschulen ausbauen. Es hat ja schon einen Grund, weshalb wir den Ausbau der Ganztagsschule vorantreiben. Es geht nicht darum, den Eltern die Kinder wegzunehmen, sondern darum, ihnen mehr Unterstützung zu geben. Das geht aber nur, wenn man auch mehr Zeit für Bildung hat.

Sie wollen im Ganztag mehr Bewegung fördern. Können Sie Beispiele nennen, wie das funktionieren soll?

Commercon: Wir setzen vor allem auf eine starke Kooperation mit den Vereinen vor Ort. Das gilt für Sport-, aber auch für Musik- und Kulturvereine. Schule und Verein sollen bei der Gestaltung des Schultages Kooperationspartner sein. Das ist für die Vereine eine Riesenchance, weil sie die Kinder in Zeiten des Nachwuchsmangels schon in der Schule ansprechen können. Insbesondere für die Vereine, die nicht gerade hochpopuläre Sportarten anbieten. Das hat den Vorteil, dass wir auf eine große Breite setzen können und die Kinder bei ihren Interessen abholen können. Wir haben dafür noch kein landesweites Kooperationsabkommen, aber wir sind in der Vorbereitung, das mit dem Landessportverband für das Saarland zu organisieren. Dabei wird es auch ein Qualitätskriterium geben, das man zum Beispiel über Zusatzqualifikation erreichen kann. "Ich finde, dass im dritten und vierten Schuljahr sechs Stunden am Tag absolut reichen.""Es geht nicht darum, den Eltern die Kinder wegzu-

nehmen, sondern darum, ihnen mehr Unter-

 Bildungsminister Ulrich Commercon (SPD) äußert sich im SZ-Interview zum Thema Schulsport. Foto: Thomas Wieck

Bildungsminister Ulrich Commercon (SPD) äußert sich im SZ-Interview zum Thema Schulsport. Foto: Thomas Wieck

 Bildungsminister Ulrich Commercon (SPD) äußert sich im SZ-Interview zum Thema Schulsport. Foto: Thomas Wieck

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stützung zu geben."

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