Schwimm-EM in Glasgow Cool bleiben im Loch Lomond

Saarbrücken · Der Saarbrücker Freiwasser-Schwimmer Andreas Waschburger startet am Donnerstag bei der EM in Glasgow über zehn Kilometer.

 Freiwasser-Schwimmer Andreas Waschburger greift bei seinem Besuch in der SZ-Sportredaktion zum Handy, um herauszufinden, wie kalt der See Loch Lomond in der Nähe von Glasgow zurzeit ist.

Freiwasser-Schwimmer Andreas Waschburger greift bei seinem Besuch in der SZ-Sportredaktion zum Handy, um herauszufinden, wie kalt der See Loch Lomond in der Nähe von Glasgow zurzeit ist.

Foto: Oliver Dietze

Die aktuelle Hitze ist für Andreas Waschburger überhaupt kein Problem. „In Montpellier war es viel wärmer“, erzählt der Freiwasserschwimmer aus Saarbrücken beim Besuch in der SZ-Sport­redaktion. Weil zu Hause schon ein Dopingkontrolleur auf den Olympia-Teilnehmer von 2012 wartet, hat der 31-Jährige nur knapp 40 Minuten Zeit, um von den letzten sechs Wochen zu erzählen – der direkten Vorbereitung auf die EM in Glasgow.

Polizeikommissar Waschburger arbeitete mit Star-Trainer Philippe Lucas in Montpellier, wo er schon von Januar bis März trainiert hatte. „Der Einstieg ins Trainingslager war sehr hart. Ich war immer kaputt und bin nicht die Mega-Zeiten geschwommen. Das war aber nicht schlimm“, sagt „Waschi“. Die Reise nach Südfrankreich hatte er gehandicapt antreten müssen. Beim Weltcup-Rennen in Portugal hatte er sich eine Magen-Darm-Erkrankung eingefangen. Er nahm fünf Kilo ab, musste elf Tage mit dem Training aussetzen und reiste geschwächt nach Frankreich. „Kurz vor einer EM ist das natürlich nicht optimal“, sagt er.

Philippe Lucas gilt in Frankreich als Star unter den Schwimmtrainern. Lange Haare, Kettchen um den Hals und gerne weit ausgeschnittene T-Shirts: Auf Fotos sieht Lucas exzentrisch aus. Lucas ist in Frankreich so bekannt, dass er sogar am Flughafen um Autogramme gebeten wird. Seine Arbeit spricht für sich, obwohl er selbst nie Weltklasse-Schwimmer war. Er trainierte schon Ex-Europa- und Weltmeisterin Federica Pellegrini und Olympiasiegerin Laure Manaudou. Diesmal trainierte Waschburger mit zwei russischen Geschwistern, vielen Franzosen und der Niederländerin Sharon van Rouwendaal, die im Becken und als Freiwasserschwimmerin erfolgreich ist. „Der Trainer ist kein lauter Typ, ich habe ihn nur einmal schreien gehört. Nur eins kann er nicht haben: Wenn jemand nicht alles gibt“, berichtet Waschburger. Mittlerweile versteht der Saarbrücker auch das meiste, was der Franzose Lucas, der kein Englisch spricht, sagt.

In Montpellier schwamm der Freiwasser-Spezialist rund 90 Kilometer pro Woche. Am vergangenem Mittwoch kam er wieder ins Saarland zurück und reduzierte sein Pensum. Weil das Becken der Schwimmhalle an der Saarbrücker Hermann-Neuberger-Sportschule gereinigt wurde, musste er kurz nach Dudweiler ausweichen, am Sonntag ging der Flieger nach Glasgow zu den European Championships.

Die Idee, in sechs verschiedenen Sportarten gleichzeitig in und um Glasgow Europameisterschaften auszutragen, findet er gut. „Es stellt die Sportarten noch mal mehr in den Mittelpunkt“, freut sich Waschburger. Ob er auch bei den Titelkämpfen anderer Sportarten vorbeischaut, so wie 2012 bei den Olympischen Spielen in London, wo „Waschi“ Achter geworden war, weiß er noch nicht. „Da stehen natürlich unsere Wettkämpfe im Vordergrund. Wenn ich noch Zeit haben sollte, schau ich mir vielleicht noch was an. Wobei ich schon gehört habe, dass das Radzeitfahren genau vor unserem Hotel startet.

Der Saarbrücker steigt am Donnerstag zum Zehn-Kilometer-Rennen in den Loch Lomond. Im größten und schönsten See Schottlands möchte „Waschi“ vor Rob Muffels und Florian Wellbrock bester Deutscher werden und unter den ersten Sechs landen. „Die zehn Kilometer sind das Wichtigste“, sagt der Fan des 1. FC Saarbrücken und hat sich deswegen für das 25-Kilometer-Rennen drei Tage später am Sonntag noch keine Gedanken über ein mögliches Ziel gemacht. Bei der WM im Sommer 2017 war er in 5:06:14,1 Stunden Zehnter über 25 Kilometer geworden – wobei die allermeisten vor ihm Europäer waren.

„25 Kilometer sind Kopfsache, sagt Philippe Lucas immer. Dazu kommt, dass wir ja morgens schwimmen“, sagt „Waschi“ und sucht auf seinem Handy nach der Wassertemperatur des Loch Lomond. 16,9 Grad, findet er schließlich. Auch 13 Grad hatte der See zuletzt schon. Von 16 bis 18 Grad besteht Neopren-Pflicht, von 18 bis 20 Grad hat man die Wahl. So könnte es sein erstes 25-Kilometer-Rennen im Neopren-Anzug werden. Sollte es wirklich richtig kalt werden, könnte die Renndistanz auch verkürzt werden.

Aber EM hin, EM her – „eigentlich bin ich schon im WM-Modus“, verrät Waschburger, der sich fit fühlt und einen absolut austrainierten Eindruck macht. Bei den drei Weltcup-Rennen in Abu Dhabi (November 2018) sowie 2019 in Doha und auf den Seychellen geht es um zwei deutsche Plätze für die Weltmeisterschaft im kommenden Sommer in Südkorea. Dort geht es dann um die Qualifikation für die Olympischen Sommerspiele 2020 in Japans Hauptstadt Tokio, Waschburgers großes Fernziel. „Olympia steht natürlich über allem“, sagt „Waschi“, der in diesem Jahr noch seine nötigen Dienste bei der Polizei ableisten muss und vor den wichtigen Wettkämpfen wieder nach Montpellier will. Also heißt es weiter cool bleiben – ob mit oder ohne Neopren-Anzug.

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