"Frauenfußball ist viel attraktiver als Männerfußball"

Frankfurt. Noch immer kann es Bärbel Wohlleben nicht lassen. Fußball ist eben eine Leidenschaft, die ein Leben lang fesseln kann; vor allem eine aufgeweckte Frau wie sie. Die 67-Jährige trainiert heute noch die Mädchen in ihrem Heimatverein SpVgg Ingelheim und beim SV Gau-Algesheim, steht von Montag bis Donnerstag jeden Tag auf dem Sportplatz. "Das hält mich jung", sagt sie

Frankfurt. Noch immer kann es Bärbel Wohlleben nicht lassen. Fußball ist eben eine Leidenschaft, die ein Leben lang fesseln kann; vor allem eine aufgeweckte Frau wie sie. Die 67-Jährige trainiert heute noch die Mädchen in ihrem Heimatverein SpVgg Ingelheim und beim SV Gau-Algesheim, steht von Montag bis Donnerstag jeden Tag auf dem Sportplatz. "Das hält mich jung", sagt sie. Viele der jungen Fußballerinnen wissen gar nicht, wer ihnen da das Passen, Stoppen und Schießen beibringt; eine, die einen festen Platz in der Geschichte des Frauenfußballs hat. Zur nationalen Berühmtheit brachte es nämlich ein Weitschuss von Bärbel Wohlleben am 8. September 1974, als der TuS Wörrstadt gegen Eintracht Gelsenkirchen-Erle das erste offizielle Endspiel um die deutsche Frauenfußball-Meisterschaft mit 4:0 gewann. Der geschichtsträchtige Volltreffer schaffte es damals bei der ARD-Sportschau in die Auswahl zum Tor des Monats - und setzte sich in der Abstimmung prompt gegen Kudi Müller, Wolfgang Seel, Heinz Simmet und Rüdiger Abramczik durch.Die Schützin erinnert sich: "Wir haben über die linke Seite einen Angriff gestartet, Anne Trabant-Haarbach, unsere linke Stürmerin, hatte den Ball dicht vor der Torlinie reingespielt, eine Gegnerin hat den Ball rausbefördert, dann kam ich und habe den Ball aus 20 Metern rechts ins Tor geschossen. Ein absoluter Glücksmoment."

Ohne Verbitterung erzählt Bärbel Wohlleben von den schwierigen Anfängen: "Es gab viele Spötteleien", viel zu lange habe das Fernsehen auch nur belustigende Berichte mit verunglimpfenden Bildern vom Frauenfußball gezeigt. "Die Männer hat vor allem Schaulust zu uns getrieben - die wollten weibliche Figuren auf dem Platz rumhüpfen sehen." Was wohl auch daran lag, dass der Deutsche Fußball-Bund (DFB) sein Frauenfußball-Verbot erst am 30. Oktober 1970 aufgehoben hatte. Aber auch da stellt die Kunstschützin im Rückblick klar: "Uns hat der DFB nicht unbedingt aus Überzeugung aufgenommen, sondern weil er Angst hatte, dass wir einen Konkurrenzverband gründen könnten. Ich glaube, die haben damals gedacht, da bricht nur ein Feuer aus, das schnell wieder erlischt." Welch Trugschluss! Denn beim TuS Wörrstadt hatten sich beispielsweise sportliche Frauen eingefunden, die eine athletische Grundausbildung mitbrachten, weil sie teilweise parallel beim HSC Ingelheim Handball spielten. "Unsere Stürmerin Anne Trabant-Haarbach war zum Beispiel eine hervorragende Handball-Torhüterin, auch Bärbel Petzold, die heute beim DFB beschäftigt ist, hat beides gemacht."

Bärbel Wohlleben beklagt immer wieder, dass es in dieser Zeit noch keine Frauen-Nationalmannschaft gab. "Als wir 1970 ein inoffizielles Länderspiel gegen Italien in Wörrstadt gemacht haben, waren fast 5000 Leute da - da kamen sogar Sonderzüge aus Mainz. Leider hat uns der DFB danach diese Partien untersagt." Geld gab es nicht zu verdienen in dieser Zeit. "Es gab sieben Pfennig Kilometergeld für die Anfahrt zu Training und Spiel", erinnert sich Wohlleben. Die Schmuckschatulle mit Gravur für die erste Meisterschaft besorgte sie für die Mitspielerinnen selbst, "unserem Vorstand war nichts eingefallen." Sie findet es vollkommen in Ordnung, dass die aktuellen Nationalspielerinnen im Falle des WM-Titels nun 60 000 Euro Prämie bekommen.

Bärbel Wohlleben freut sich auf die WM, seit Jahren schaue sie im Fernsehen lieber Frauen- als Männerfußball, "weil es bei den Frauen ein Spiel ist, bei den Männern ist es ein Kampf, oft ein Krampf." Ihre These dazu: "Wenn ein Mann den Blick für die sportliche Qualität hat, wird er erkennen, dass Frauenfußball im Allgemeinen viel attraktiver als Männerfußball ist. Dort stören mich die linken Touren, die vielen Unehrlichkeiten, die Schwalben und die Schauspielereien. So etwas sehen sie im Frauenfußball so gut wie gar nicht." "Männer wollten weibliche Figuren auf dem Platz rumhüpfen sehen."

Bärbel Wohlleben

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