Tischtennis „Franz“ ist auf dem besten Weg zum Kaiser

Saarbrücken · Patrick Franziska startet in dieser Saison richtig durch. In der Tischtennis-Champions-League spielt er mit dem FCS heute in Russland.

 Patrick Franziska fokussiert den Ball. Der Tischtennis-Nationalspieler des 1. FC Saarbrücken ist in dieser Saison so stark wie lange nicht. Ohnehin hat er das Potenzial, mal die Nummer eins in Deutschland zu sein.

Patrick Franziska fokussiert den Ball. Der Tischtennis-Nationalspieler des 1. FC Saarbrücken ist in dieser Saison so stark wie lange nicht. Ohnehin hat er das Potenzial, mal die Nummer eins in Deutschland zu sein.

Foto: dpa/Ronny Hartmann

Es sieht aus, als ob das Video schneller läuft. Patrick Franziska feuert die Bälle maschinengleich über das Netz. Tack, tack, tack. Doch niemand spult vor. Im Hintergrund bewegt sich alles in normaler Geschwindigkeit. Die Aufnahme, vom 1. FC Saarbrücken-Tischtennis auf Facebook veröffentlicht, zeigt Franziskas letzte Übungseinheit vor dem Abflug nach Russland. Zum Champions-League-Spiel beim russischen Meister UMMC Ekaterinburg am heutigen Nachmittag (14 Uhr).

Franziska trainierte in einer Schulsporthalle. Der Tischtennis-Nationalspieler und sein Vereinstrainer Slobodan Grujic mussten improvisieren. In ihrer Trainingshalle an der Hermann-Neuberger-Sportschule fand am Wochenende die Saarsportlerwahl statt, der Abbau lief noch. Franziska war nominiert gewesen. Auch seine Mannschaft. Die Preise bekamen andere. Noch.

Franziska gilt nicht nur als die größte Olympia-Hoffnung des Saarlandes. Er soll eines Tages auch Dimitrij Ovtcharov und Timo Boll beerben, die deutschen Superstars, aktuell Nummer drei und vier der Weltrangliste. „Deutschland regiert im Augenblick das Tischtennis“, hatte Boll gesagt, nachdem er vor Kurzem gegen Ovtcharov im Finale der German Open verloren hatte.

Franziska war beim bestbesetzten Turnier der World Tour am Weltranglisten-Zweiten Fan Zhendong gescheitert, hatte ihm aber zwei Sätze abgenommen. „Ich war überrascht, wie gut Patrick spielte“, sagte der Chinese. Damit bestätigte „Franz“, wie sie ihn in Saarbrücken nennen, seine Position als deutscher Kronprinz. Wird er der nächste Kaiser?

Der 25-Jährige kennt die Ansprüche an ihn. „Wann schafft’s der Franziska denn endlich mal in die absolute Weltklasse rein?“, wiederholt er im Interview die Frage, die ihn permanent begleitet. Franziska ist großgewachsen, an der Platte verfügt er über eine enorme Präsenz. Er spielt Tischtennis mit einer überwältigenden Wucht. Wer ihn trifft, erlebt einen zuvorkommenden, abwägenden, eher sensibel wirkenden Sportler. „Ich glaube, den größten Druck mache ich mir selbst“, sagt er.

Im September gewann der Hesse mit der deutschen Mannschaft die Team-EM in Luxemburg. Bundestrainer Jörg Roßkopf ließ ihn im Finale gegen Portugal (3:0) die entscheidende Partie machen. Im vierten Satz zwang Franziska den Ex-Saarbrücker João Monteiro mit einer guten Vorhand zu einem Fehler. Es war der Matchball, der Titel, alle Mitspieler fielen ihm um den Hals. „Das hat mir viel Selbstvertrauen gegeben“, erklärt Franziska, der keines seiner vier EM-Spiele verlor.

Die Tage von Luxemburg machen sich auch in Saarbrücken bemerkbar. Franziska hat durch den Titelgewinn an Souveränität gewonnen. Er entwickelt sich immer mehr zum Gesicht des 1. FC Saarbrücken. „In dieser Saison fühle ich mich richtig gut, richtig fit und richtig stabil“, sagt der Europameister selbst: „Ich bin bereit, den nächsten Schritt zu machen.“

Schon in der vergangenen Spielzeit wusste Franziska zu überzeugen, die Statistik wies ihn als drittbesten Spieler der Bundesliga aus. Mit dem FCS erreichte der damalige Neuzugang von Borussia Düsseldorf das Pokalfinale, in Liga und Champions League jeweils das Halbfinale. Trotzdem überschattete eine lange Verletzungspause die Saison. Hüftprobleme zwangen ihn mehr als vier Monate zum Zuschauen. Lange war nicht abzusehen, wann Franziska zurückkehren würde. Und das, nachdem er in Saarbrücken einen Neuanfang hatte machen wollen.

„Als ich hierher gekommen bin, hatte ich eine nicht so leichte Zeit in Düsseldorf hinter mir“, blickt er zurück. Bei der Borussia sollte Franziska zum Weltklasse-Spieler heranreifen. An der Seite von Boll. Mit dem Bayern München des Tischtennis heimste er mehrere Titel ein, wurde Meister, Pokalsieger, stand im Champions-League-Finale. Doch der Durchbruch gelang Franziska nicht. „In Düsseldorf hat man den größtmöglichen Druck, weil man drei Titel gewinnen sollte“, sagt er. Franziska aber verletzte sich mehrfach, fiel länger aus. Heute sagt der 25-Jährige: „Ich habe nie so richtig zu meinem Level gefunden.“ Am Ende entschied sich der Hoffnungsträger für einen Wechsel.

Leicht fiel ihm der Abschied trotzdem nicht. Mehr als ein halbes Jahr wartete der Profi mit dem Umzug. Als er im Frühjahr in Saarbrücken eine Wohnung bezog, war seine Leidenszeit gerade zu Ende gegangen. In Champions League und Bundesliga kehrte Franziska eindrucksvoll zurück, bei den Korea Open schaffte er es gleich bis ins Finale. Danach arbeitete er auf die Einzel-WM in Düsseldorf hin, wo er angeschlagen früh ausschied. Dann kam die neue Saison, der Triumph in Luxemburg.

Der Kalender von Franziska sieht aus, als ob jemand die Termine eines Tennisspielers und eines Fußballers vermischt hätte: Da sind die Turniere des Weltverbandes ITTF, zu denen er reist. Rund um den Globus sammelt er Punkte für die Weltrangliste. Aber im Tischtennis haben die Spiele mit dem Club kaum weniger Bedeutung. Hinzu kommen die Höhepunkte mit dem Nationalteam, EM, WM, Olympia. „Alle Spiele, alle Wettkämpfe sind wichtig, weil es immer um etwas geht“, sagt Franziska.

Mit dem Club steht er in drei Wettbewerben: In der Champions League ist das Viertelfinale fix, ebenso das deutsche Pokal-Halbfinale. Für einen nationalen Erfolg müsste Düsseldorf besiegt werden. Doch soweit will Franziska nicht denken. Er sagt: „Um in die entscheidenden Spiele gegen Düsseldorf zu kommen, müssen wir erst einmal die anderen Mannschaften schlagen.“ Das wird in der Bundesliga in diesen Wochen besonders deutlich.

Nach der jüngsten Schlappe bei Werder Bremen (0:3) steht der FCS auf Platz vier, der gerade noch für die Playoffs reichen würde. Dahinter lauert der TTC Fulda-Maberzell. Der Vize-Meister kommt am Sonntag (15 Uhr) in die Joachim-Deckarm-Halle. Es handelt sich um das letzte Hinrundenspiel. Eine weitere Niederlage ließe sich ausbügeln. Trotzdem sagt Franziska: „Die Saison ist lang, aber so lang dann auch nicht.“ Um was es in Zukunft mit dem Verein gehen soll, spricht er deutlich aus: „Wir wollen mit Saarbrücken mal einen Titel gewinnen.“ Dann wäre ihm wohl auch die Wahl zum Saarsportler des Jahres sicher.

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