Fortbildung in der Fremde

St Petersburg · Heute Abend tritt Borussia Dortmund im Achtelfinal-Hinspiel der Champions League beim russischen Topclub Zenit St. Petersburg an. Dort arbeitet seit Frühsommer 2012 Dietmar Beiersdorfer als Sportdirektor.

Dietmar Beiersdorfer beschreibt sich als einen, den Unbekanntes schon immer gereizt hat. Deshalb hat sich der ehemalige Manager des Hamburger SV im Frühsommer 2012 auch genau angehört, was sich Zenit St. Petersburg dabei dachte, bei der Fahndung nach einem im Westen gut vernetzten Sportdirektor bei ihm anzuklopfen. "Nach der Einladung haben mir die Stadt und das Projekt sofort zugesagt", erzählt Beiersdorfer.

An neuer Wirkungsstätte setzte der 50-Jährige gleich mal ein Ausrufezeichen, als auf den letzten Drücker seiner allerersten Transferperiode ein 100-Millionen-Paket für den Brasilianer Hulk und den Belgier Alex Witsel geschnürt wurde. Beiersdorfer spricht rückblickend von "zwei großen Transfers, die in dieser Dimension vielleicht außergewöhnlich gewesen sind". Doch bei den beiden zu Stützen gereiften Stars würden Leistung und Perspektive stimmen. Zumal Beiersdorfer längst bewiesen hat, dass er auch anders kann. So wird in der Zarenstadt mit Torwart Yuri Logydin, Oleg Shatov und Igor Smolnikov gerade die nächste Generation russischer Nationalspieler entwickelt, die Prominenz wie den Ex-Bayern Anatoli Timoschtschuk oder den ehemaligen Arsenal-Profi Andrej Arshavin verdrängt haben. Ansonsten leitet der italienische Trainer Luciano Spalletti ein internationales Ensemble an, das heute (18 Uhr/Sky) im Achtelfinale der Champions League den favorisierten Bundesligisten Borussia Dortmund empfängt.

Die Zielsetzung bei Zenit: in der Königsklasse wettbewerbsfähig sein. Schließlich steht hinter dem Club der weltweit größte Erdgasproduzent Gazprom, einer der wichtigsten Uefa-Sponsoren. Doch Beiersdorfer mag es nicht, auf einen Strippenzieher mit unbegrenzten finanziellen Zuflüssen reduziert zu werden. Klar sei, dass sich auch sein Arbeitgeber an die Regularien der Uefa halten müsse, "und wir dabei nicht mehr ausgeben dürfen, als wir tatsächlich einnehmen".

Tatsächlich sollen es viel eher die Vereine aus der Hauptstadt sein, die bei den Gagen Gelder im großen Stil verprassen. Einen Standortnachteil mag Beiersdorfer wiederum nicht erkennen. Anders als in Moskau, wo ZSKA, Lokomotive, Spartak und Dynamo um die Aufmerksamkeit des Publikums buhlen, fokussiert sich im früheren Leningrad alles auf Zenit: "Man fühlt sich diesem Club sehr verbunden." Er selbst spürt mit einer zentrumsnahen Wohnung den Puls der Bevölkerung - nur mit dem Russisch hapert es. Die Sprache sei sehr schwer, "ich habe einige Zeit Unterricht genommen, aber das reicht lange nicht, um sich etwa auf dem russischen Markt problemlos verständlich zu machen."

Beiersdorfer gilt weder als Allesmacher, noch sieht er sich als Alleinunterhalter. Ein Generaldirektor und ein Präsident sind ihm vorgeschaltet; er kümmert sich um Transfers, Verträge, Scouting und Strukturelles. Derzeit entsteht im Zuge der WM 2018 ein neues Stadion für Zenit mit einer Kapazität von 68 000 Plätzen - dreimal so groß wie das alte. Aber ob der Sportdirektor den für 2016 oder 2017 geplanten Einzug noch erlebt? Deutschland soll irgendwann wieder zum Lebensmittelpunkt werden. Werder Bremen hat vor einem Jahr intensiv um ihn gebuhlt, doch Beiersdorfer sagte ab. Es wird der Zeitpunkt kommen, um vielleicht woanders zuzusagen: "Es wäre wohl eher verwunderlich, wenn ich nicht noch irgendwann einmal in den nächsten zehn Jahren in der Bundesliga arbeiten würde."

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Auf einen BlickBorussia Dortmund ist gestern mit Innenverteidiger Mats Hummels und Torjäger Robert Lewandowski zum Champions-League-Spiel heute (18 Uhr/Sky) bei Zenit St. Petersburg aufgebrochen. Während der polnische Nationalstürmer, der über eine Erkältung geklagt hatte, auf jeden Fall spielen kann, ist der Einsatz von Hummels weiter fraglich. Der 25-Jährige laboriert an einer Fußverletzung (Stauchung und Zerrung). "Wir werden dort wieder ganz anders auftreten", versprach Trainer Jürgen Klopp mit Blick auf das ernüchternde 0:3 am Samstag beim Hamburger SV. sid

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