Besteuerung von Grenzgängern Fiskus bittet Kicker erst nach Jahren zur Kasse

Saarbrücken · Wer als Sportler im Saarland arbeitet, aber in Frankreich wohnt, muss seit 2016 hier Steuern zahlen – tat es aber bisher wohl nicht.

Grenzgänger auf dem grünen Rasen: Die SV Elversberg beschäftigt einige Fußball-Profis mit Wohnsitz in Frankreich. Seit 2015 unterhält sie ein Trainingszentrum im lothringischen Grosbliederstroff. Auch von ihren Spielern sollen die Finanzbehörden im Saarland nun Steuern nachfordern.

Grenzgänger auf dem grünen Rasen: Die SV Elversberg beschäftigt einige Fußball-Profis mit Wohnsitz in Frankreich. Seit 2015 unterhält sie ein Trainingszentrum im lothringischen Grosbliederstroff. Auch von ihren Spielern sollen die Finanzbehörden im Saarland nun Steuern nachfordern.

Foto: Andreas Schlichter

Das Steuergeheimnis soll dem Bürger dienen. Am Montag beruft sich das saarländische Finanzministerium auf diese Geheimnispflicht. So umgeht die oberste Steuerbehörde die Antwort auf eine unangenehme Frage: Hat sich der Fiskus seit 2016 beträchtliche Steuereinnahmen entgehen lassen, weil er eine Gesetzesänderung übersah?

Es geht um eine kleine, aber prominente Gruppe sogenannter Grenzgänger: Profisportler, die im Saarland unter Vertrag stehen, ihren Wohnsitz aber in Lothringen haben. Sie profitierten in der Vergangenheit von einem Steuerabkommen zwischen den Nachbarländern Deutschland und Frankreich. Wer im Saarland ein Einkommen von 100 000 Euro erzielt, kann jenseits der Grenze jährlich 10 000 Euro an Steuern und Sozialabgaben sparen.

Für die Fußball-Regionalligisten 1. FC Saarbrücken, SV Elversberg und FC Homburg bedeutete das einen Standortvorteil. Sie konnten Spieler mit einer möglichen Steuerersparnis in die Grenzregion locken. Doch diese Zeiten sind spätestens jetzt vorbei. In den Umkleidekabinen der Clubs herrscht angeblich helle Aufruhr. Denn: Die hiesigen Steuerbehörden bitten in Frankreich ansässige Kicker plötzlich zur Kasse. Und das, obwohl die Finanzämter sie noch im vergangenen Jahr von der Lohnsteuer befreiten. Weil die Betroffenen in den französischen Grenzdepartements ihre Abgaben leisteten. Wie kann das sein?

Ein Ex-Bundesligaprofi soll den Stein nach SZ-Informationen ins Rollen gebracht haben. Als er vor dieser Saison zu einem Verein in Baden-Württemberg wechselte, soll er dort einen Freistellungsbescheid aus dem Saarland vorgelegt haben. Angeblich kam er mit dem Papier nicht weit. Denn für Sportler gibt es eine neue Rechtslage – und das schon seit mehreren Jahren.

Im März 2015 überarbeiteten Berlin und Paris ihr Steuerabkommen. Die Nachbarländer fügten über ein Zusatzabkommen einen Passus ein, den Artikel 13b. Sportler und Künstler müssen seit dem 1. Januar 2016 ihr Einkommen dort versteuern, wo sie tätig sind – nicht mehr an ihrem Wohnort. Anders als Grenzgänger in anderen Branchen, die in Frankreich leben und weiterhin dort besteuert werden – zu günstigeren Konditionen. Aus dem Saar-Finanzministerium heißt es zur Sportlerklausel, das Abkommen sei an den internationalen Standard angepasst worden und entspreche einem Musterabkommen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Offenbar will man staatenübergreifend die Steueroptimierung mobiler Ich-AGs im Profisport begrenzen. Trotzdem sollen Fußballer von der saarländischen Finanzverwaltung weiterhin Steuerbefreiungen bekommen haben. Wie aus Spielerkreisen zu erfahren war, werden die Bescheide nun widerrufen. Die Sportler sehen sich mit hohen Nachforderungen konfrontiert. Korrigieren die Behörden nachträglich einen teuren Fehler?

Das Finanzministerium beantwortet eine Anfrage unserer Zeitung zurückhaltend, zu Details äußert man sich unter Hinweis auf das Steuergeheimnis nicht. Es sei eine Auslegungsfrage, was im Steuerabkommen den Vorrang hat – die Sportlerklausel oder die allgemeine Grenzgängerregelung. Das Bundesfinanzministerium hat in einem Schreiben vom 27. Februar der Sportlerklausel den Vorzug gegeben. Was bedeutet: Die Steuern müssten hier erhoben werden. Aber wieso kommt es zu dieser Klärung erst drei Jahre nach der Gesetzesänderung? In der Zwischenzeit hätte das Saarland hohe Einnahmen erzielen können. Zwar macht das Ministerium keine Angaben zu Zahlen. Doch in Elversberg, Homburg und Saarbrücken beschäftigte man seit 2016 etliche Grenzgänger. Rund 50 sollen es nach SZ-Informationen in einem der Vereine gewesen sein, insgesamt könnte die Zahl bei über 100 liegen. So dass es hochgerechnet um einige Millionen gehen dürfte.

Ob der Staat die ihm seit 2016 zustehenden Gelder eintreiben kann, lässt sich schwer einschätzen. Der Fiskus müsste die Lohnsteuer wohl von jedem Sportler einzeln einfordern, in voller Höhe – womöglich vor Gericht. Gleichzeitig müssten sich die Betroffenen ihre gezahlten Steuern im Nachbarland erstatten lassen und wegen der höheren Besteuerung in Deutschland einiges an Geld drauflegen.

Rechtlich stellen sich jedoch viele Fragen: Dürfen die Behörden ihre Freistellungsbescheide zurückziehen? Wieso werden Sportler anders behandelt als andere Angestellte? Nach SZ-Informationen betrifft die Sportlerklausel im Steuerabkommen die Spieler, nicht aber Trainer oder Manager. Einen Sonderfall gibt es zudem mit der SV Elversberg. Sie unterhält seit 2015 ein Trainingszentrum jenseits der Grenze, in Grosbliederstroff. So dass ihre Profis die meiste Zeit in Frankreich ihrer Arbeit nachgehen.

Wie geht es weiter? Man sei bemüht, gemeinsam mit dem Bundesfinanzministerium eine Lösung zu finden, die der Komplexität einer eventuellen Rückabwicklung Rechnung trägt, erklärt eine Ministeriumssprecherin in Saarbrücken. Sie spricht mit Blick auf die vergangenen Jahre, in denen die Steuerbehörden trotz der geänderten Rechtslage noch Freistellungsbescheide für Sportler ausstellten, von einer „Übergangszeit“.

Unklar erscheint gegenwärtig die Rolle der Arbeitgeber. Sie wussten offenbar nichts von den geänderten Regeln für Sportler. Pikant: Dieter Weller, Schatzmeister des 1. FC Saarbrücken, ist Honorarprofessor für Steuerlehre. In den Neunzigerjahren gab es in seinem Club schon einmal Probleme mit Grenzgängern, die Finanzbehörden verlangten von Ex-Trainer Peter Neururer seinerzeit 235 000 D-Mark. Beim FC Homburg steht mit Herbert Eder ein Steuerberater an der Vereinsspitze.

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