Fehlende Heimstätte ist größtes Problem

Saarbrücken · Der neue Olympia-Zyklus beginnt, der Verteilungs-Kampf um die Fördergelder ist im Gange. Auch im Saarland müssen sich einige Verbände neu aufstellen, Ziele 2020 definieren. Die SZ beleuchtet ihre Situation.

 Olympia-Teilnehmerin Lisa Klein aus Völklingen-Lauterbach ist das neue Gesicht des Saarländischen Radfahrer-Bundes. Ausgebildet zur Topfahrerin wurde sie aber nicht im Saarland.

Olympia-Teilnehmerin Lisa Klein aus Völklingen-Lauterbach ist das neue Gesicht des Saarländischen Radfahrer-Bundes. Ausgebildet zur Topfahrerin wurde sie aber nicht im Saarland.

Foto: Roth

Jörg Aumann kann sich noch genau erinnern. Vor gut acht Jahren war der Präsident des Saarländischen Radfahrer-Bundes (SRB) Mitglied einer dreitägigen Radtour im Raum Merzig. Viele Kinder und Jugendliche waren dabei, unter anderem sein damals elfjähriger Sohn Robin. Und Lisa Klein aus Völklingen-Lauterbach. Zwölf Jahre jung, "aber sie ist den Jungs damals ganz schön um die Ohren gefahren", erzählt Aumann und lacht. "Beim Abendessen saß Lisa da und sagte plötzlich: Ich will Profi werden und irgendwann bei Olympia fahren." Aumanns Sohnemann Robin und alle anderen am Tisch schauten erst ungläubig, dann setzte Gelächter ein. "Nur Lisa hat nicht gelacht", erinnert sich Aumann.

Jetzt, acht Jahre später, ist Lisa Klein eine der besten deutschen Bahnrad-Fahrerinnen, wurde jüngst erstmals deutsche Meisterin in der Einzelverfolgung - und durfte zumindest als Ersatzfahrerin bei den Sommerspielen in Rio de Janeiro Olympia-Luft schnuppern und Erfahrungen sammeln. "Sie ist nach wie vor hier im Saarland heimisch", sagt Aumann - wohl wissend, dass das derzeitige sportliche Aushängeschild des SRB den Sprung in die Spitze vor allem deswegen geschafft hat, weil sie am Heinrich-Heine-Gymnasium in Kaiserslautern in den vergangenen Jahren eine optimale sportliche Betreuung erfahren hat. "Es ist schade, dass die, die was werden wollen, das Saarland verlassen müssen", bedauert Aumann.

Der Grund, warum das so ist, liegt nicht nur für SRB-Vizepräsident Peter Schwöbel, zugleich sportlicher Leiter im SRB, auf der Hand: "Es fehlt grundsätzlich im Saarland an einer Heimstätte für uns Radfahrer." In der Tat: Ein Zuhause sucht man vergeblich. Dabei hatte der SRB das mal - am Saarbrücker Schanzenberg. Aber das, was mal eine Radbahn mit 333,33 Metern Länge war, ist heute nur noch eine Ruine. 1934 erbaut, tat sie über Jahrzehnte gute Dienste. Ja, herausragende Dienste, wie Aumann erinnert: "Andreas Walzer , der 1992 in Barcelona Olympiasieger mit dem Bahnrad-Vierer wurde, betont heute noch, dass er ohne die Bahn in Saarbrücken nie so weit gekommen wäre." Der SRB hat mit Bernhard Walzer, dem Vater von Andreas, sogar einen Bahnrad-Beauftragten im Vorstand - "für alle Fälle", wie Aumann lächelnd erklärt.

Aber wann passiert der Fall der Fälle - sprich: Wann gibt es Ersatz für den Schanzenberg, dessen endgültiges Aus 2009 besiegelt wurde? "Wir sind bescheiden", sagt Aumann, "wir bräuchten eine einfache Trainingsbahn, um sicher trainieren zu können." Dabei geht es konkret nicht nur um den Bahnradsport . Die Straßenfahrer könnten im Winter dort trainieren, alle anderen Radsportarten sollten ihren Platz dort finden, die Triathleten könnten die Stätte nutzen. Kostenpunkt: maximal 1,5 Millionen Euro.

Zwischenzeitlich sah es mal so aus, als könnte der Bau einer Bahn auf dem Gelände des ASC Dudweiler möglich sein, doch das Projekt zerschlug sich Ende 2013. Der in finanzielle Nöte geratene ASC verkaufte einen seiner beiden Fußballplätze für 100 000 Euro an die Stadt Saarbrücken , pachtete ihn anschließend für einen symbolischen Euro für 30 Jahre zurück und war gerettet. Und alle Hoffnungen des SRB auf eine Heimat waren mal wieder dahin.

Und wie geht es weiter? Als Bürgermeister der Stadt Neunkirchen beherrscht SPD-Mitglied Aumann die politische Klaviatur und formuliert seine Hoffnungen so: "Unser Wunsch nach einer Bahn ist seit Jahren begründbar." Peter Koch, Aumanns Vorgänger als SRB-Präsident, war da eher lauter und fordernder. Welche Art der Verhandlungsführung die erfolgreichere ist, werden die kommenden Jahre zeigen. Gespräche vor und hinter den Kulissen sind am Laufen, konkrete Planungsstände gibt es aber derzeit nicht zu vermelden.

Die fehlende Heimat ist das drängendste Problem des SRB auf dem Weg dazu, Talente zu entwickeln oder bei der Stange zu halten. Wobei klar festzuhalten ist, dass der Verband vor allem stark an einer großen Breite interessiert ist. "Wir definieren uns nicht nur über die Spitze", sagt Schwöbel, und Aumann pflichtet ihm bei: "Wir wollen, dass möglichst viele Kinder zum Radfahren kommen." In welcher der Sparten sie dann landen, sei zweitrangig. Besonders hohen Zulauf haben derzeit die Mountainbike-Fahrer, wie Schwöbel erklärt: "Da bekommen die Jugendlichen mehr Action geboten als bei Radtourenfahrten an einem Sonntag über 70, 80 Kilometer."

Zurück zu Olympia, zu Aushängeschildern wie Vorbild Lisa Klein - und großen Rundfahrten. Immer wieder ist das Saarland im Gespräch, wenn es darum geht, eine Etappe der Tour de France oder der ab 2018 wieder ins Leben gerufenen Deutschland-Tour in die Region zu holen. Eine Sache, die Aumann und Schwöbel befürworten. "Es schadet sicher nicht", sagt Aumann, "aber nachhaltiger wäre sicher etwas anderes."

In diesem Zusammenhang verweist der SRB-Präsident auf die Tatsache, dass es "immer schwerer wird, Rennen zu veranstalten - egal, ob auf der Straße oder im Wald". Gerade in Sachen Sicherheit sind die Vorschriften strenger und strenger geworden. An jeder Auffahrt mindestens ein Ordner - allein der personelle Aufwand ist für die Vereine kaum mehr zu stemmen. Eine Erfahrung, die auch die Organisatoren der Trofeo Karlsberg, einem der bedeutendsten Juniorenrennen in Deutschland, Jahr für Jahr machen. Aumann ist froh über die Trofeo, merkt aber auch angesichts des Trofeo-Status als Nationen-Cup-Rennen an, dass deswegen keine saarländischen Nachwuchsfahrer als Saar-Team mehr mitfahren können.

 Der sportliche Leiter Peter Schwöbel (links) und Verbands-Präsident Jörg Aumann beklagen eine mangelnde Heimstätte der Radfahrer im Land. Foto: Schlichter

Der sportliche Leiter Peter Schwöbel (links) und Verbands-Präsident Jörg Aumann beklagen eine mangelnde Heimstätte der Radfahrer im Land. Foto: Schlichter

Foto: Schlichter
 Die ehemalige Radrennbahn am Schanzenberg in Saarbrücken war einst ein Aushängeschild des Radfahrer-Bundes, heute ist sie nur noch eine Ruine. Foto: Schlichter

Die ehemalige Radrennbahn am Schanzenberg in Saarbrücken war einst ein Aushängeschild des Radfahrer-Bundes, heute ist sie nur noch eine Ruine. Foto: Schlichter

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Michael Hümbert, früher selbst als Aktiver bei der Trofeo dabei, gibt als Landesjugendtrainer Straße seine Erfahrungen an seine potenziellen Nachfolger weiter. Talente sind vorhanden, erklärt Peter Schwöbel und sagt zur Marschrichtung des Verbandes: "Wir wollen national den Anschluss schaffen." Und wenn es dann noch irgendwann mit der Heimstätte klappt, müssen die großen Talente vielleicht nicht mehr weg.

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