Stationen einer Fankarriere beim 1. FC Saarbrücken Vom Himmel in die Hölle mit dem FCS

Der 1. FC Saarbrücken hat seinen Anhängern in den vergangenen Jahrzehnten mehr Schmerz als Freude bereitet. Mit dem Einzug ins DFB-Pokal-Halbfinale könnte sich vieles verändern.

SZ-Redakteur Stefan Regel über das Leben mit dem 1. FC Saarbrücken
Foto: SZ/Robby Lorenz

Mein Schulfreund Oli nahm mich am 1. Dezember 1990 zum ersten Mal zu einem Spiel des 1. FC Saarbrücken mit. Anlässlich seines Geburtstag standen wir im A-Block des Ludwigsparks, als der FCS im Achtelfinale des DFB-Pokals gegen Eintracht Frankfurt spielte. Die Partie endete 0:0, das Wiederholungsspiel (so etwas gab es damals noch) verlor der FCS natürlich.

Richtig verliebte ich mich in den Club 1992 beim Aufstieg in die Bundesliga. Schriftsteller Nick Hornby, Fan des FC Arsenal, beschrieb diesen Prozess in seinem Buch „Fever pitch“ so gut, wie es besser nicht geht: „Ich verliebte mich in den Fußball, wie ich mich später in Frauen verlieben sollte: plötzlich, unerklärlich, unkritisch und ohne einen Gedanken an den Schmerz und die Zerrissenheit zu verschwenden, die damit verbunden sein würden.“

Mit ein paar Schulfreunden ging es ab da regelmäßig zum „Effzeh“. Später ging es als Fan nach Teveren, nach Erkenschwick, nach Mayen, Hamburg, Berlin und München. Bei fast allen Spielen dabei, mal mit einer Trommel, mal mit riesigen Schwenkfahnen – ständig hing meine Zaunfahne, das FC-Sportfeld und der Ludwigspark wurden zur zweiten Heimat. Bei einem Heimremis in letzter Minute gegen Uerdingen saß ich zuhause weinend vor Enttäuschung auf der Treppe. Vor dem Spiel hatten wir Fans Schnee geschippt, damit gespielt werden konnte.

In der selben Saison gelang mit Klaus Toppmöller der Aufstieg in die 2. Liga. Der FCS hat es seinen Fans nie einfach gemacht, zu oft herrschte Chaos. Es ging von der ersten in die fünfte, dann ging es in die dritte und die vierte Liga. Das hatte mir Nick Hornby nicht gesagt. Ich wurde Stadionsprecher bei den FCS-Amateuren, bei den FCS-Frauen, bei der Jugend, moderierte Veranstaltungen der Jugendabteilung. Später ging es als Journalist auf die Pressetribüne. Aber mit der Ära unter Trainer Milan Sasic kam der Bruch. Den ich nie für möglich gehalten hatte. Der Abstieg aus der 3. Liga, unfassbar viele Fehlentscheidungen, ungezählte Spieler kamen und gingen, die zweite Mannschaft wurde abgemeldet. Als Redakteur sollte man aber ja eh neutral sein, der Blick hinter die Kulissen prädestiniert nicht zum Fan.

Jetzt schreibt der FCS deutsche Pokal-Geschichte und bundesweit Schlagzeilen. Ich sehe es viel weniger emotional als früher, bin seit 2008 Schiedsrichter für den FCS und pfeife meine Spiele. Mein Platz ist jetzt oft in der Redaktion, im Spätdienst. Die Emotionen sind weg – also fast. Ein bisschen vom heißblütigen Fan ist geblieben. Um sich auch im Fall einer Niederlage gegen Düsseldorf über etwas freuen zu können, setzte ich 100 Euro bei einem Wettanbieter im Internet – auf einen Fortuna-Sieg.

Das Geld ist jetzt weg. Was mich aber kalt lässt, die Freude überwiegt alles. Wie bei einem alten Freund, den man lange nicht gesehen hat, und bei dem man sich herzlich über ein Wiedersehen freut und bis in die Nacht mit ihm redet. Nur, dass in diesem Fall bis tief in die Nacht Spielberichte und Liveticker, Fotos und Youtube-Videos, Twitter- und Facebook-Reaktionen gesichtet wurden. Wobei mir dann ein ehemaliger Fanbeauftragter einfiel, der – Gott hab ihn selig – mal meinte, er würde jeden Abend „das ganze Internet“ lesen. Auswärtsfahrten in Zügen, Fanbussen, im ersten eigenen Auto – alles war wieder präsent. Wie die Fahrt nach Paderborn, als ich mir vor der Abfahrt des Fanbusses den Daumen in der Autotür einquetschte – und trotzdem in den Bus stieg. Auf der Rückfahrt pochte der Daumen mehr als ganz früher das Herz in der Schlussphase von Spielen, in denen der FCS führte.

Nach der Pokalsensation denke ich über mein Verhältnis zum Verein nach, über die vielen tollen Menschen, die ich durch diesen Verein kennengelernt habe und kriege das Grinsen nicht mehr aus dem Gesicht.

Liebe FCS-Fans, auch Ihr habt schon oft mit eurem Verein gejubelt, aber auch geweint. Ein Stadion, das nicht fertig werden will, unfassbar unglückliche Nicht-Aufstiege wie 2015 gegen die Würzburger Kickers und 2018 gegen 1860 München - das Maß an Unbill, das diesem einst so großen Verein widerfuhr, ist immens. Diese Pokalsaison ist wie Balsam auf die vielen offenen Wunden, auf den Spott der Nachbarn, Freunde oder Arbeitskollegen. Jetzt dürft Ihr feiern, jubeln und weinen gleichzeitig. Dieser Sieg, er war für Euch. Der Erfolg ist historisch. Das Saarland kann stolz auf diese Viertliga-Profis sein. Und Oli jubelte am Dienstagabend auch mit.

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