Familien-Erlebnisse auf der Couch

Das erste Fußball-Spiel, an das ich mich erinnere, ist das WM-Finale 1974 gegen die Niederlande. Ich war damals fünf, aber vor meinem inneren Auge sehe ich den Abend so, als sei er gestern gewesen.

Der weiße Fernseher ist nicht so riesig wie die Flatscreens heute, und die orangene 70er-Jahre-Stil-Stehlampe verschwindet - weil an diesem Tag farblich unpassend - in der hintersten Ecke des Wohnzimmers. Auf der braunen Cord-Couch will nach Gerd Müllers 2:1 keiner mehr sitzen. Dass sich dieses Farbfernseh-Familienerlebnis so in mein Gedächtnis brennt, war damals noch nicht abzusehen.

Zeitsprung. 40 Jahre später habe ich am Dienstag meine beiden Töchter ins Bett geschickt. Anstoß 22 Uhr, dazu mögliche Verlängerung und Elfmeterschießen. Nein, Mittwoch war Schule. Dazu war es ja "nur" ein Halbfinale. Und dann das: 7:1 gegen Brasilien in Brasilien. Nach den Titelgewinnen 1954, 1974 und 1990 das vielleicht größte Spiel der deutschen Fußball-Geschichte. Meine Kinder werden auf die Frage "Wo warst du, als Deutschland damals das Land der Ballzauberer entzauberte?" antworten: "Im Bett". Eine Aussage, die den Erziehungsberechtigten fast körperlich schmerzt.

Aber dieser Schmerz hat zu einer klaren Entscheidung geführt. Am Sonntag dürfen die Mädels das Finale schauen, egal wie lange es dauert. Eine eventuell nötige Entschuldigung an das pädagogische Fachpersonal ist hiermit geschrieben.

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