Europameister ohne dickes Konto

Saarbrücken. Christian Reif kommt im Mietwagen zum Pressetermin nach Karlsruhe. Über ein eigenes Fahrzeug verfügt der Weitsprung-Europameister derzeit nicht. "Da hat sich leider nichts mit einem Autohaus ergeben. Ich dachte, das geht schneller. Macht aber nichts", sagt der 26-Jährige aus Saarbrücken

Saarbrücken. Christian Reif kommt im Mietwagen zum Pressetermin nach Karlsruhe. Über ein eigenes Fahrzeug verfügt der Weitsprung-Europameister derzeit nicht. "Da hat sich leider nichts mit einem Autohaus ergeben. Ich dachte, das geht schneller. Macht aber nichts", sagt der 26-Jährige aus Saarbrücken. Reif ist der Gewinner des abgelaufenen Leichtathletik-Jahres - die Sponsoren fliegen dem "Sandmann" dennoch nicht zu.Ein typisches Beispiel dafür, dass nur wenige Sportstars mittlerweile vom großen Werbekuchen profitieren.

Bei den Europameisterschaften im August in Barcelona sprang Reif mit 8,47 Metern zu Gold - mit dieser Weite führt er auch die Weltjahresbestenliste an. Schnell in Geld ummünzen lässt sich selbst so ein Erfolg nicht. "Es ist nicht so, dass ich ganz viele Angebote habe. Aber ich finde das auch in Ordnung", erklärt Reif gelassen.

Er habe keinen Grund zu klagen. "Ich bin bei der Deutschen Kreditbank unter Vertrag", sagt Reif - und es ist ihm ein bisschen peinlich, dass er beim Foto-Termin kein Werbeschild auf dem Sakko hat. "Und wenn alles glatt geht, bekomme ich einen neuen Adidas-Vertrag. Versorgt bin ich ja schon: Ich bekomme Schuhe und Trainingskleidung, das spart viel Geld."

Vermarktet wird er vom Hamburger Frank Thaleiser. Reif erwartet von seinem Manager keine Wunderdinge: "Viel mehr Termine als jetzt könnte ich gar nicht wahrnehmen."

Immerhin sind seine Startgelder in die Höhe geschossen. "Ich habe mal für drei Sprünge 3000 Euro bekommen, das finde ich extrem viel Geld", sagt der 1,96 Meter große Weitspringer, der für ABC Ludwigshafen startet. Von dem, was er in seiner bisher erfolgreichsten Saison verdient habe, "könnte ich vielleicht zwei Jahre leben, dann wäre es aufgebraucht. Aber Europameister - das bin ich für immer".

Der Titel hilft Reif eines Tages vielleicht auch bei der Jobsuche: Der angehende Sportwissenschaftler schreibt gerade seine Bachelor-Arbeit. Die soll vor den deutschen Hallen-Meisterschaften Ende Februar in Leipzig abgeschlossen sein. Thema: die Betreuungsqualität am Olympiastützpunkt Rheinland-Pfalz/Saarland aus Athletensicht. Vor dem "Master" will Reif ein halbes Jahr pausieren, irgendwo ein Praktikum machen. Ein reines Profi-Dasein ist kein Thema für ihn: "Ich brauche den Ausgleich und die Doppelbelastung. Ich kann mich richtig freuen, wenn ich am Tag drei, vier Seiten an meiner Arbeit schreibe."

Reif macht zwar auch auf dem roten Teppich eine gute Figur, doch beim Ball des Sports in Mainz knickte er vor einem Monat um. Deshalb steigt er erst jetzt richtig ins Sprint- und Sprungtraining ein.

Autogramme schreiben muss er eher selten, dafür bucht der Deutsche Leichtathletik-Verband den smarten Springer schon mal für einen Vortrag. Ob er jetzt auf der Straße erkannt wird? "Meine Freunde sagen: Ja, oft", erklärt Reif und lächelt: "Aber ich finde, so richtig erkannt werde ich nicht mal in Saarbrücken." dpa

"Ich habe

mal für drei Sprünge

3000 Euro bekommen,

das finde ich extrem

viel Geld."

Christian Reif, Europameister

im Weitsprung

Hintergrund

Christian Reif aus Saarbrücken führt die Weltjahresbestenliste 2010 im Weitsprung mit 8,47 Metern an - sein Rekordsprung datiert vom 1. August bei den Europameisterschaften in Barcelona. Auf Rang zwei liegt der US-Amerikaner Dwight Phillips mit 8,46 Metern (22. Juli in Monaco).

Nur Diskuswerferin Nadine Müller hat es aus Deutschland neben Reif geschafft, Weltjahresbeste in ihrer Disziplin zu werden (67,78 Meter, 8. Mai in Wiesbaden). Dritter bei den Speerwerfern wurde Matthias de Zordo aus Saarbrücken (87,81 Meter, 31. Juli bei der EM in Barcelona). red

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