"Es ist Zeit zu gehen"

Herr Zwanziger, am Freitag treten Sie zurück vom Amt des DFB-Präsidenten. Mit welchen Gedanken scheiden Sie aus? Theo Zwanziger: Ich gehe mit großer Dankbarkeit. Der Fußball hat mir unheimlich viel gegeben. Ich weiß, dass es Zeit ist zu gehen, das Amt nicht länger zu zelebrieren und vielleicht unzufrieden und ungeduldig zu werden, weil noch nicht alles gut genug ist

Herr Zwanziger, am Freitag treten Sie zurück vom Amt des DFB-Präsidenten. Mit welchen Gedanken scheiden Sie aus?Theo Zwanziger: Ich gehe mit großer Dankbarkeit. Der Fußball hat mir unheimlich viel gegeben. Ich weiß, dass es Zeit ist zu gehen, das Amt nicht länger zu zelebrieren und vielleicht unzufrieden und ungeduldig zu werden, weil noch nicht alles gut genug ist. Ich bin zufrieden mit der Grundstruktur, die der Fußball in Deutschland aktuell hat. Was soll ich noch machen? Was will ich mehr? Also ist der Zeitpunkt gekommen zu sagen, meine Mission ist beendet.

Sie wurden schon 1989 im DFB tätig, aber in der Öffentlichkeit werden Sie eigentlich erst seit 2004 wahrgenommen.

Zwanziger: Als Person erlangt man erst einen gewissen Bekanntheitsgrad, wenn es um Konflikte geht. Dies hat für meine Person 2004 mit dem schlechten Abschneiden unserer Nationalmannschaft bei der EM begonnen und der Suche nach einem Bundestrainer.

Welche Konflikte waren die größten, welche negativen Ereignisse aus Ihrer Amtszeit bleiben Ihnen besonders in Erinnerung?

Zwanziger: Wenn man über mehrere Jahre arbeitet, dann macht man auch Fehler. Wenn es nicht so wäre, wäre man ein Heiliger, und Heilige gibt es auf dieser Welt nicht. Die Fehler, die ich anspreche, sind aus meiner Sicht aber nicht unbedingt die, die man mir öffentlich unterstellt. So war es ein Fehler, dass ich Gerhard Mayer-Vorfelder nicht schon 2006 als Ehrenpräsidenten vorgeschlagen habe. Ich habe erst später gemerkt, dass ihn das verletzt hat. Der zweite Punkt war die Vertragsverlängerung mit Joachim Löw. Sie war aus dem Ruder gelaufen. Löw ist mein Trainer, ich bin stolz darauf, dass ich in meiner Amtszeit keinen weiteren Bundestrainer suchen musste. Was zunächst passiert war, tut mir aber bis heute leid. Heute ist unser Verhältnis glänzend. Im Fall Manfred Amerell zum Beispiel aber sehe ich keine Fehler, ich habe kein Unrechtsgefühl, ich musste so handeln, wie ich es getan habe.

Verändert ein solch machtvolles Amt den Menschen?

Zwanziger: Es besteht ein ungeheurer Entscheidungsdruck. Es ist eine Art Katz-und-Maus-Spiel zwischen dem, was einerseits sachlich zu tun ist, und andererseits dem, was die Medien begleitend anbieten. Medien berichten nicht nur über die Entscheidungen und kommentieren sie, sondern wir sind längst so weit, dass sie Entscheidungen beeinflussen. Da ist es eine ungeheuer schwierige Aufgabe, jedem gerecht zu werden.

Welche Verdienste haben Sie als DFB-Präsident?

Zwanziger: Das müssen eigentlich andere beurteilen. Nur so viel: Meine Philosophie, der ich gefolgt bin, ist im Dreiklang zu sehen: Leistung, soziale Verantwortung und gesellschaftliches Engagement. Die Nachwuchsförderung, die Mayer-Vorfelder 2000 begonnen hat, habe ich zielstrebig weiter geführt mit Eliteschulen und der Entwicklung der Strukturen auch ausgebaut. Was dem früheren DFB-Präsidenten Egidius Braun wichtig war, den starken Verband auch in der Gesellschaft zu positionieren und den Schwächeren zu helfen, hatte für mich eine ebenso hohe Bedeutung. Das Dritte war der Schritt des Fußballs in die Gesellschaft hinein. Ich habe versucht, den Fußball zu positionieren im Kampf beispielsweise gegen Diskriminierung. Darauf habe ich sehr bewusst einen Schwerpunkt gelegt und kann mit der Anerkennung, die zurückgekommen ist, zufrieden sein. Schließlich habe ich dafür gesorgt, dass der Frauenfußball im DFB einen größeren Akzent bekommen hat.

Wo sehen Sie gravierende Probleme für den DFB?

Zwanziger: Ich mache mir Sorgen, dass wir es nicht schaffen, die Gewalt gänzlich aus unseren Stadien zu verbannen. Die Konfliktsituationen werden von der Gesellschaft zum Teil in den Fußball hinein getragen. Zur Pyrotechnik ist zu sagen, dass den vielen Fanorganisationen, die hervorragende Arbeit leisten, einige Gruppen gegenüberstehen, die das Stadion als ihr Eigentum ohne Rücksicht auf andere benutzen wollen. Denen, die behaupten, dass Pyrotechnik Fankultur pur sei, muss man entgegen halten: Das ist Egoismus pur. Wer das als Kultur bezeichnet, der vergisst, dass zur Kultur die Rücksicht auf andere gehört. Ich habe das Gefühl, dass die Fronten schwer beherrschbar werden. Freiheit darf nicht als Zügellosigkeit verstanden werden.

Welche Erlebnisse empfanden Sie in Ihrer Amtszeit herausragend?

Zwanziger: Das waren die beiden Weltmeisterschaften im eigenen Land (2006 Männer, 2011 Frauen, Anm. der Red.). Das waren einzigartige Ereignisse, für die wir weltweit eine hohe Anerkennung erreicht haben. Dazu kommen zahlreiche Titel, die unsere Frauen-Nationalmannschaft und die Nachwuchsteams geholt haben. Daran einen Anteil zu haben - auch dadurch, dass ich Matthias Sammer als Sportdirektor geholt habe - ist ein gutes Gefühl.

In der Fifa und der Uefa werden Sie weiter tätig bleiben. Wie weit reichen Ihre Ambitionen dort?

Zwanziger: Der Modernisierungsprozess der Fifa, an dem ich beteiligt bin, ist nicht in zwei Tagen zu schaffen. 2015 ist meine Frist. Bis dahin bin ich auch in der Uefa, die Mitglieder der Fifa-Exekutive sind auch Mitglieder der Uefa-Exekutive. Wolfgang Niersbach kommt bei der Uefa dann im nächsten Jahr dazu. 2015 bin ich 70, dann ist es auch genug. Ich bin nicht der Typ des Sesselklebers.

Sind Sie nicht enttäuscht, dass Sie beim DFB nicht gebeten oder gar gedrängt wurden weiterzumachen, als Sie im Dezember sehr überraschend Ihren Rückzug ankündigten?

Zwanziger: Ich habe das freiwillig gemacht, niemand hat mich gezwungen. Dass die meisten Leute überrascht waren, gefällt mir besser, als wenn sie gesagt hätten: Gott sei Dank, dass der Kerl endlich weg ist.

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