Fußball-Bundesliga „Es ist verrückt, einfach unglaublich“

Mainz · Beim SC Freiburg herrscht nach dem kuriosen Halbzeit-Videobeweis von Montagabend Frust und Enttäuschung.

 Dieser Elfmeter des Mainzers Pablo De Blasis (Mitte, im Hintergrund) zum 1:0 gegen den SC Freiburg wird in Erinnerung bleiben. Denn die Mannschaften waren am Montagabend nach dem Halbzeitpfiff schon auf dem Weg in die Kabine. Aufgrund des Videobeweises mussten sie zurück aufs Feld.

Dieser Elfmeter des Mainzers Pablo De Blasis (Mitte, im Hintergrund) zum 1:0 gegen den SC Freiburg wird in Erinnerung bleiben. Denn die Mannschaften waren am Montagabend nach dem Halbzeitpfiff schon auf dem Weg in die Kabine. Aufgrund des Videobeweises mussten sie zurück aufs Feld.

Foto: dpa/Arne Dedert

Christian Streich saß zu später Stunde völlig konsterniert auf seinem Stuhl im Mainzer Presseraum. „Ich versuche einfach, das alles hinzunehmen“, sagte der Trainer des Fußball-Bundesligisten SC Freiburg und schüttelte kaum merklich mit dem Kopf. Der kuriose, aber korrekte „Halbzeit-Videobeweis“ am späten Montagabend während der 0:2 (0:1)-Niederlage beim FSV Mainz 05 hatte dem 52-Jährigen sichtlich den Rest gegeben.

„Sollen sie machen, was sie machen wollen. Deshalb heißt es Schiedsrichter. Die entscheiden das, und wir haben das zu akzeptieren“, sagte Streich, der mit dem SC hinter Mainz auf den Relegationsplatz abrutschte und von Glück sagen kann, dass Hamburg und Köln noch deutlich schlechter dastehen.

Der Unparteiische Guido Winkmann hatte nach seinem vermeintlichen Pausenpfiff doch noch auf Handelfmeter für die Gastgeber entschieden – die Freiburger Profis waren da schon auf dem Weg in die Kabine und mussten auf den Rasen zurückgeholt werden. Pablo De Blasis, der auch den zweiten Treffer erzielte (78.), behielt vom Punkt die Nerven (45.+7). Die Fangruppen beider Clubs pfiffen sich die Seele aus dem Leib.

„Als betroffener Verein wäre ich auch nicht begeistert“, sagte Winkmann: „Aber das ist eben auch der Videoschiedsrichter in der heutigen Zeit, der hier wieder zur Gerechtigkeit geführt hat.“ In der fraglichen Szene, nur Sekunden vor seinem Pausenpfiff, habe er „keine Chance“ gehabt, das Handspiel von Marc-Oliver Kempf zu erkennen. Doch Video-Assistentin Bibiana Steinhaus im Kölner Kontrollzentrum gab den richtigen Hinweis. „Das sind Szenen, die am Ende keiner will“, bilanzierte Schiedsrichter-Chef Lutz Michael Fröhlich die Geschehnisse: „Das ist nicht schön und keine Werbung für den Ablauf.“ Dennoch sei die Entscheidung „nicht anders möglich“ gewesen.

Die Spekulationen, dass Steinhaus Winkmann erst angefunkt habe, nachdem dieser das Spielfeld verlassen hatte, konnten gestern durch die Auswertung der Video- und Tonaufnahmen schnell widerlegt werden. Laut Absatz 5.2. im Regelwerk, der allerdings den Videobeweis noch nicht berücksichtigt, hätte Winkmann seine Entscheidung nach Verlassen des Spielfeldes nicht revidieren dürfen. Dazu äußerte sich der SC Freiburg nicht mehr. Einen Protest gegen die Wertung gibt es nicht.

Die Spieler des Sport-Clubs hatten schon am Montagabend ihrem Ärger Luft gemacht. „Ich habe schon eine Banane gegessen und wollte gerade auf Toilette gehen, als es hieß, wir müssen wieder raus auf das Spielfeld“, beschrieb Freiburgs konsternierter Torjäger Nils Petersen die bizarre Szene. Und Mittelfeldspieler Julian Schuster klagte: „Das war für den Kopf nicht einfach. Alle waren überrascht. Danach hat uns die Struktur gefehlt. Es ist verrückt, einfach unglaublich.“

Am letzten Spieltag könne man das noch einmal machen, „den Videobeweis ausprobieren, wenn es um die goldene Ananas geht“, schimpfte Abwehrspieler Manuel Gulde: „Aber doch nicht in so einem Spiel!“ Kapitän Julian Schuster hinterfragte sogar den Videobeweis an sich. „Man muss sich überlegen, ob der Schiedsrichter nicht doch einfach wieder mehr Fehler machen darf“, sagte der 33-Jährige: „Da haben sich manche Fans schon ihre Grillwurst geholt – und auf einmal steht es 1:0.“

Die 26 407 Fans im Stadion waren ohnehin schon in Rage. Über die komplette Spieldauer protestierten die Zuschauer mit Pfiffen und Vuvuzelas gegen die Ansetzung zum Wochenstart, Sekunden vor Beginn der zweiten Halbzeit fluteten die FSV-Anhänger den Freiburger Strafraum zwei Mal mit Dutzenden Rollen Klopapier.

 Schiedsrichter Guido Winkmann spricht nach dem Strafstoß mit den Freiburgern Christian Günter, Nils Petersen und Manuel Gulde (von li.).

Schiedsrichter Guido Winkmann spricht nach dem Strafstoß mit den Freiburgern Christian Günter, Nils Petersen und Manuel Gulde (von li.).

Foto: dpa/Arne Dedert
 Der Mainzer Trainer Sandro Schwarz (rechts) hebt den Daumen. Seine Mannschaft steht jetzt vor Freiburg und Trainer Christian Streich.

Der Mainzer Trainer Sandro Schwarz (rechts) hebt den Daumen. Seine Mannschaft steht jetzt vor Freiburg und Trainer Christian Streich.

Foto: dpa/Arne Dedert

„Die Situation war natürlich gut für uns und irgendwo der Türöffner“, sagte der frühere Nationaltorwart René Adler, der mit Mainz auf diesen wichtigen Sieg im Abstiegskampf gehofft hatte: „Als Sportsmann fühlt man mit dem Gegner ein bisschen mit. Das ist eine blöde Situation. Aber wir haben dieses Jahr den Videoschiedsrichter. Dann muss es auch überprüft werden.“

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