Ernährungsberater auf Abwegen?

Saarbrücken. Rund um den Olympiastützpunkt Rheinland-Pfalz/Saarland (OSP) herrscht Aufregung. Ja, sogar mehr als das. "Wir stehen kurz vor Olympia, das ist der Supergau." So lautet der Tenor unter den Mitarbeitern, wenn sie auf die Ermittlungen angesprochen werden, die die Münchner Staatsanwaltschaft gegen einen ehemals am OSP in Saarbrücken tätigen Professor führen soll

 Das Gebäude der BSA-Akademie auf dem Gelände der Landessportschule in Saarbrücken. Hier arbeitete ein Professor, gegen den die Staatsanwaltschaft München offenbar ermittelt. Foto: Oliver Dietze

Das Gebäude der BSA-Akademie auf dem Gelände der Landessportschule in Saarbrücken. Hier arbeitete ein Professor, gegen den die Staatsanwaltschaft München offenbar ermittelt. Foto: Oliver Dietze

Saarbrücken. Rund um den Olympiastützpunkt Rheinland-Pfalz/Saarland (OSP) herrscht Aufregung. Ja, sogar mehr als das. "Wir stehen kurz vor Olympia, das ist der Supergau." So lautet der Tenor unter den Mitarbeitern, wenn sie auf die Ermittlungen angesprochen werden, die die Münchner Staatsanwaltschaft gegen einen ehemals am OSP in Saarbrücken tätigen Professor führen soll. Öffentlich durfte sich kein Mitarbeiter äußern, es gab eine Informationssperre.Bei Ermittlungen gegen illegale Doping-Labore war die Staatsanwaltschaft auf den Professor gestoßen, der an der deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement in Saarbrücken (DHfPG) gearbeitet und als freier Referent Bundeskaderathleten am OSP in Ernährungsfragen beraten hat. Nach einem Bericht des Bayerischen Rundfunks soll der Saarbrücker Professor von einem im Mai zu vier Jahren Haft verurteilten Dealer mit Doping-Mitteln beliefert worden sein. Um welche Mittel es sich handelt, ist noch nicht bekannt. Dass er die Mittel zum Eigenbedarf verwendet habe, ist derzeit auch nur ein unbestätigtes Gerücht.

"Es gibt keinerlei Anhaltspunkte, dass irgendwelche Dopingvergehen am Olympiastützpunkt begangen wurden", ließ der OSP gestern per Pressemitteilung wissen. Weiter heißt es: "Der frühere Mitarbeiter der DHfPG hat (…) seit dem 28. April 2009 im Bereich Ernährungsberatung (…) Vorträge für Bundeskaderathleten und deren Trainer gehalten. Vereinzelt wurden Bundeskaderathleten in Ernährungsfragen auch individuell beraten." Empfohlen habe er sich insbesondere durch eine medizinische Dissertation, die mögliche gesundheitliche Schädigungen durch Doping zum Gegenstand hatte. Nachdem der Geschäftsführer der DHfPG am 12. Juni den OSP von den Ermittlungen in Kenntnis gesetzt habe, habe der OSP die Zusammenarbeit beendet und die Nationale Anti-Doping-Agentur Nada eingeschaltet. "Die Task Force der Nada beschäftigt sich damit der Angelegenheit", bestätigte Nada-Sprecher Berthold Mertes.

"Als ich die Meldung mit der Überschrift ,Doping-Vorwürfe gegen Saarbrücker Professor' sah, dachte ich sofort: Oh Gott, jetzt denken die Leute, das sei bei mir am Institut passiert", erklärt Professor Dr. Tim Meyer, der das benachbarte Institut für Sport- und Präventivmedizin der Saar-Uni leitet und derzeit als Mannschaftsarzt die deutsche Fußball-Nationalmannschaft bei der EM in der Ukraine und Polen betreut. Er kenne den Professor, erklärte Meyer gestern am Telefon. Zwischen seinem Institut und der DHfPG gäbe es eine Zusammenarbeit in der Lehre. So habe der unter Verdacht stehende Professor auch an seinem Institut im Wechsel mit einem Kollegen "bis Ende 2011 Studenten in Ernährungswissenschaften unterrichtet", erklärt Meyer. Doch plötzlich sei er von der DHfPG durch einen Stellvertreter ersetzt worden. Warum, weiß Meyer nicht: "Uns wurden keine Gründe genannt. Letztlich war mir das auch egal, mir war nur wichtig, dass die Stelle nochmals besetzt wurde."

Dazu passt, dass Mitte November 2011 die Zollbehörden bei der Hochschule vorstellig wurden. Das bestätigte Gerd Maurer, der Leiter der Unternehmenskommunikation der DHfPG. Die Zusammenarbeit mit dem Betroffenen sei einvernehmlich am gleichen Tag beendet worden, obwohl die Verdachtslage zum damaligen Zeitpunkt sehr unkonkret gewesen sei und sich die Ermittlungen erst am Anfang befunden hätten. Weitere Infos von offizieller Stelle habe die DHfPG nie erhalten. Dass die DHfPG den OSP erst sieben Monate später informierte, bezeichnet DHfPG-Geschäftsführer Johannes Marx "im Nachhinein als eine Fehleinschätzung".

Große Aufregung herrscht nun natürlich im Lager der Sportler und Trainer: "Wir haben uns drei, vier Mal beim Thema Ernährung beraten", sagt ein Trainer, "er war total kompetent". Das Thema unerlaubte Mittel - geschweige denn das Angebot dazu - sei nie zur Sprache gekommen. "Null Komma Null", sagt der Trainer: "Für so was sind wir auch gar nicht empfänglich. Hätten wir hinsichtlich dieser Thematik Kontakt gehabt, hätten wir die Beratung direkt abgebrochen und den OSP informiert."

Martin Kranitz, Sportdirektor des Deutschen Badminton-Verbandes, sagte: "Wir haben mit dem Professor einmal für alle eine Infoveranstaltung gemacht, und ein paar Athleten haben seine Beratung in Ernährungsfragen gesucht. Aber keiner unserer Sportler hat Präparate von ihm genommen." Der Professor selbst war gestern nicht zu erreichen. Er befand sich nach SZ-Recherchen auf einer Fortbildung.

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