Entsetzen über Selbstbedienung

Zürich · Die Selbstbereicherungsvorwürfe gegen das frühere Fifa-Führungstrio um Joseph Blatter bedeuten eine neue Dimension des Skandals, der den Fußball-Weltverband erschüttert. Der aktuelle Präsident Gianni Infantino will sein Gehalt offen legen.

Drei Tage, nachdem sein Fußball-Imperium implodiert war, erhielt Fifa-Chef Joseph Blatter viel Geld. Seine Freunde und engsten Verbündeten, der damalige Fifa-Vize Issa Hayatou sowie Generalsekretär Jérôme Valcke, setzten am 30. Mai 2015 ihre Unterschriften unter einen neuen Arbeitsvertrag des Weltverbands-Präsidenten, der dem gerade wiedergewählten Blatter bis zu 27 Millionen Euro garantierte. "Es ist alles sauber und fair gewesen", sagte Blatter zu den Vorgängen, die von der Fifa am Freitag enthüllt worden waren. Die Fifa hatte erklärt, Blatter, Valcke und dessen inzwischen ebenfalls gefeuerter Stellvertreter Markus Kattner aus Bayreuth hätten sich über Jahre hinweg mit gegenseitigen "Abmachungen unter Ehrenmännern" über 71 Millionen Euro zugeschanzt. Hayatou machte mit.

"Ich bin entsetzt über die Summen, die da geflossen sind", sagte Reinhard Grindel, Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB): "Ich erwarte von der Fifa, dass sie alles unternimmt, um diese Gelder, die dem Fußball gehören, zurückzuholen." Blatters Vertrag wurde unterschrieben, als in Zürich gut ein halbes Dutzend Funktionäre verhaftet worden waren. Es geht um "jährliche Gehaltserhöhungen, WM-Bonuszahlungen und andere Belohnungen", teilten Ermittler der Anwaltskanzlei Quinn Emanuel mit. Laut Blatters Anwalt Richard Cullen geschah alles "im Einklang mit den Gehältern führender Köpfe im Weltsport". Weil zwei Zusätze in den Verträgen, die Valcke und Kattner unter anderem auch bei berechtigten Entlassungen Millionen-Summen sichern sollten, wohl gegen Schweizer Recht verstoßen, ist die Bundesanwaltschaft der Eidgenossen eingeschaltet. Ebenso das US-Justizministerium, das seit mehr als einem Jahr den Fifa-Sumpf trockenlegen will.

Vor den Enthüllungen um die Blatter-Clique war der neue Fifa-Präsident Gianni Infantino in die Kritik geraten. Dem Schweizer wird ein Komplott gegen den früheren Fifa-Chefaufseher Domenico Scala vorgeworfen, der im Mai nach dem Fifa-Kongress in Mexiko das Handtuch geworfen hatte. Scalas Name taucht in den Verträgen auf. Er war Mitglied des Fifa-Vergütungsausschusses, der einige der Bonuszahlungen für Blatter, Valcke und Kattner abgesegnet hat. Infantinos klagt damit Ankläger Scala an.

Infantino selbst soll in Mexiko ein Gehalt jenseits der Zwei-Millionen-Euro als Beleidigung abgetan haben. "Meine Gegner wollen mich als habgierig darstellen, das ist albern", verteidigte er sich nun. Sobald sein Vertrag unterschrieben sei, werde er "mit Vergnügen" die Details offen legen - und es seien weniger als zwei Millionen. Grindel rät Infantino, der gestern 100 Tage im Amt war, beim Gehalt Maß zu halten. "Diese Maßlosigkeit darf nicht mehr vorkommen", sagte der DFB-Präsident mit Blick auf Blatters Selbstbedienungsladen.

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