Radikales Sparprogramm Entsetzen, Fassungslosigkeit und Verärgerung

Saarbrücken · Das Sanierungskonzept des LSVS steht. Die SZ hat dazu Reaktionen bei Sportlern, Trainern und Funktionären eingefangen.

 Schwere Zeiten: An der Hermann-Neuberger-Sportschule im Saarbrücker Stadtwald wird sich vieles verändern.

Schwere Zeiten: An der Hermann-Neuberger-Sportschule im Saarbrücker Stadtwald wird sich vieles verändern.

Foto: Robby Lorenz

Das Sanierungskonzept für den Landessportverband für das Saarland (LSVS) ist im Saarsport eingeschlagen wie eine Bombe. Konsolidierungsberater Michael Blank und das aktuelle Präsidium des LSVS haben vor, etwa die Hälfte der Angestellten nicht mehr weiter zu beschäftigen. Einzelne Abteilungen wie der Mensabetrieb oder die EDV sollen ausgelagert werden. Mehreinnahmen sollen unter anderem über Parkplatzgebüren erzielt werden. Die Saarbrücker Zeitung hat Reaktionen eingefangen.

Dirk Mathis, Handball-Verbandstrainer und Vorsitzender des Personalrats: „Als ich mich entschlossen hatte, für den Personalrat zu kandidieren, hatte ich nie zu träumen gewagt, was jetzt auf mich zugekommen ist. Meine Ziele waren andere als das, womit ich jetzt konfrontiert werde. Ich wollte, wie ich es im Sport kennengelernt habe, einen Teamspirit, ein Gemeinschaftsgefühl entwickeln. Eine ernsthaftere Dimension als die jetzige gibt es nicht. Die Stimmung ist im Keller, die Mitarbeiter in allen Bereichen haben Existenzängste. Aber ich stehe zu der Verantwortung, die ich übernommen habe, und werde mit dem gesamten Personalrat alles, was uns vorgelegt wird, kritisch prüfen.“

Franz Josef Schumann, Vizepräsident des LSVS und Präsident des Saarländischen Fußball-Verbandes: „Es gibt ja schon erste Reaktionen, wo welche sagen: Das können wir nicht zahlen, das Geld haben wir nicht. Allerdings: Wir können nicht ein Konzept erstellen und dann an jeder Stelle sagen: Da müssen wir noch mal nachbessern. Dann werden wir das Ziel nicht erreichen. Dann wird wohl auch unser Sanierungskonzept nicht akzeptiert werden – mit der Folge, dass dann der Staatskommissar kommt. Dem Sanierungskonzept nicht zuzustimmen, hätte uns nicht geholfen. Dann hätten wir alle zurücktreten können. Und der Kommissar hätte dann brutal wie ein Insolvenzverwalter entschieden, was gemacht werden muss. Der Gesamtvorstand muss das Konzept noch mittragen. Es hat ja Auswirkungen auf den Haushalt, und den Haushalt beschließt der Gesamtvorstand. Also haben wir nur vorläufig entschieden.“

Ulrich Knapp, Disziplin-Bundestrainer des Deutschen Leichtathletik-Verbandes: „Es ist schlimm, dass diejenigen, die am wenigsten dafür können, die Zeche zahlen müssen. Die Mensa war ein Erfolgsfaktor, das Angebot für Sportler einfach sehr gut. Kinder und Sportler sollten in Zukunft so wenig wie möglich zusätzlich zahlen. Viele Kader­athleten, und da reden wir nicht von den Topsportlern, leben fast in Hartz-IV-Verhältnissen und müssen schauen, wie sie über den Monat kommen. Wenn das Essen künftig deutlich mehr kostet, werden wir weniger Sportler haben. Weniger Lehrgänge. Vielleicht verlieren wir auch Bundesstützpunkte.“

Etienne Kinsinger, Ringer des KSV Köllerbach: „Die Mensa ist der Mittelpunkt des Lebens hier an der Sportschule. Es wäre sehr schade, wenn es diesen Treffpunkt nicht mehr gäbe. Ich selbst wohne im Haus der Athleten. Natürlich befürchte ich, dass dort auch die Mieten erhöht werden müssen. Auch die Bewirtschaftung des Parkplatzes steht ja im Raum. Sollen dann etwa die zur Kasse gebeten werden, die hier trainieren? Es wurde versprochen, dass transparent aufgeklärt wird. Die Transparenz fehlt mir. In der Pressemitteilung des Konsolidierungsberaters steht: Der Sport soll wieder im Mittelpunkt stehen. Da frage ich mich, was stand denn bislang im Mittelpunkt? Der Imageschaden für den Standort Saarbrücken ist enorm.“

Frank Hartmann, Landestrainer der Griechisch-römisch-Ringer, angestellt beim Olympiastützpunkt, nicht beim LSVS: „Ich leide wie ein Hund mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des LSVS. Ich wurde auch schon mal entlassen und weiß, wie man sich da fühlt. Viele der Leute kenne ich seit Jahren auch privat. Saarbrücken liegt am Rand der Republik. Das machte es bislang schon schwer, Sportler hierher zu locken – trotz der guten Trainingsbedingungen. Diese Geschichte macht es noch schwerer. Es wird lange dauern, bis man wieder mit Stolz zur Sportschule blicken kann.“

Erwin Berg, sportlicher Leiter des Tischtennis-Bundesligisten 1. FC Saarbrücken: „Wir nutzen die Multifunktionshalle fast täglich. Wenn wir jetzt dafür zahlen müssen, kommen ein paar Tausend Euro zusammen, die ich erst mal irgendwo auftreiben muss. Wir haben oft ganze Nationalmannschaften wie die Franzosen als Sparringspartner zu Gast in Saarbrücken. Die kommen manchmal mit fünf Autos. Müssen die künftig wirklich Parkgelder zahlen, wenn sie zum Training kommen?“

Jörg Aumann, Präsident des Saarländischen Radfahrer-Bundes (SRB): „Für mich wirkt das Ganze so, als ob sich beim LSVS die Burgherren in ihren Turm zurückgezogen haben, und wir – die Burgbewohner – stehen unten in den Ruinen und staunen nur ungläubig. Ich bin heilfroh, dass unser Projekt, eine Heimstatt für den SRB zu bauen, nicht von uns angegangen worden ist. Man stelle sich vor, wir wären jetzt mitten in der Realisierung.“

Bernd Zimmer, Präsident der Saarländischen Triathlon Union (STU): „Ich bin sehr ungehalten. Denn was ich weiß, weiß ich aus der Presse. Und den Rest muss ich mir zusammenreimen. An Spekulationen, wie sich Parkgebühren, höhere Kosten fürs Essen oder Gebühren für die Schwimmhalle auswirken könnten, will ich mich nicht beteiligen. Man muss jetzt alles auf den Tisch bringen. Die Mensa auszulagern, davon halte ich nichts, das hatten andere Sportschulen auch gemacht und sind danach wieder zum vorherigen Modell zurückgekehrt.“

Andreas Waschburger, Freiwasserschwimmer und Olympia-Teilnehmer 2012: „Ich habe nicht damit gerechnet, dass es so krass wird. Ich habe heute an der Sportschule in einige traurige Gesichter gesehen. Wenn der Saarländische Schwimm-Bund Miete für die Schwimmhalle bezahlen muss, müsste das ja auf die Athleten umgelegt werden. Und das könnte dann einige Sportler kosten, die lieber eine andere Sportart machen. Und Parkgebühren wären schon total krass, wir als Sportler haben ja sowieso schon viele Kosten. Das alles nimmt einen schon mit.“

Christoph Fildebrandt, Beckenschwimmer und Olympia-Teilnehmer 2012 und 2016: „Es ist traurig. Es trifft Leute, die nichts dafür können. Die Reinigungskräfte in der Schwimhalle kenne ich, manche machen den Job schon seit Jahrzehnten. Bei Parkgebühren würde ich echt auf die Barrikaden gehen. Auch die Essenskosten in der Mensa sind natürlich ein Faktor. Zu mir haben sie gesagt, dass sich das Ganze nicht auf die Sportler auswirken wird. Ich bin gespannt, ob das wirklich Bestand hat.“

Martin Bartels, Präsident des Saarländischen Schwimm-Bundes (SSB): „Das ist ein harsches Vorgehen, Leute, die nichts für die Lage können, zu kündigen. Ich bin mir nicht sicher, ob das die richtige Methode ist. Die Schwimmhalle nutzen wir derzeit unentgeltlich – dafür liefern wir Erfolge. Es ist der völlig falsche Weg, wenn Spitzensportler noch für alles bezahlen sollten. Ich würde mal so vergleichen: Das wäre so, als wenn es einem Unternehmen schlecht geht, und dann müssten die Mitarbeiter noch selbst Geld mitbringen, um weiterarbeiten zu dürfen. An der Hilfe aus der Politik wird sich jetzt zeigen, wie groß die Verantwortung gegenüber dem Sport ist.“

Thomas Tesche, ehemaliger Badminton-Nationalspieler und Mitglied der „Allianz für die Zukunft des Saarsports“ um Handball-Legende Christian Schwarzer und DFB-Mannschaftsarzt Tim Meyer: „Wir sehen uns in unserer Sorge bestätigt. Sport kostet Geld. Wir können nur hoffen, dass das jetzt alles mit Augenmaß und nicht ausschließlich unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten geschieht, damit der Saarsport nicht nachhaltig beschädigt wird.“

 Handball-Verbandstrainer Dirk Mathis ist Vorsitzender des Personalrats des LSVS.

Handball-Verbandstrainer Dirk Mathis ist Vorsitzender des Personalrats des LSVS.

Foto: Andreas Schlichter
 LSVS-Vizepräsident Franz Josef Schumann verteidigt das vorgelegte Sanierungskonzept.

LSVS-Vizepräsident Franz Josef Schumann verteidigt das vorgelegte Sanierungskonzept.

Foto: Ruppenthal
 Ringer Etienne Kinsinger kritisiert die mangelnde Transparenz der Entscheider.

Ringer Etienne Kinsinger kritisiert die mangelnde Transparenz der Entscheider.

Foto: Andreas Schlichter
 Schwimmer Andreas Waschburger hatte mit so drastischen Maßnahmen nicht gerechnet.

Schwimmer Andreas Waschburger hatte mit so drastischen Maßnahmen nicht gerechnet.

Foto: Wieck/Thomas Wieck

Werner Klein, Bundesstützpunkttrainer Hindernis in der Leichtathletik: „Ich bin tief getroffen, das macht mich sehr traurig. Aber jeder Neuanfang ist auch eine Chance. Man sollte sich Insider aus der Sportszene hinzuziehen, die auch mal was anderes gesehen haben und die Strukturen anderer Bundesländer und anderer Sportschulen kennen.“

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