Engländern fehlt deutsche DisziplinRooney sorgt auch oft außerhalb des Spielfeldes für Schlagzeilen

Saarbrücken. Das Wembley-Tor der Engländer zum 3:2 im WM-Finale 1966 (Endstand: 4:2), das einen russischen Linienrichter unsterblich machte. Das Aus Englands im Halbfinale der EM 1996 im eigenen Land gegen den späteren Titelträger Deutschland. Die Revanche bei einem genauso demütigenden wie bedeutungslosen 5:1 im Testspiel 2001 in München

Saarbrücken. Das Wembley-Tor der Engländer zum 3:2 im WM-Finale 1966 (Endstand: 4:2), das einen russischen Linienrichter unsterblich machte. Das Aus Englands im Halbfinale der EM 1996 im eigenen Land gegen den späteren Titelträger Deutschland. Die Revanche bei einem genauso demütigenden wie bedeutungslosen 5:1 im Testspiel 2001 in München. Und das Achtelfinal-Aus bei der WM 2010 (4:1 für Deutschland). Das alles sind Meilensteine, die den historischen Weg einer Rivalität zwischen den Fußball-Nationen Deutschland und England säumen. Einer, der beide Länder bestens kennt, ist Gary Blissett. Der in Manchester geborene Ex-Profi war lange in seiner Heimat aktiv, ehe es ihn 1997 zu Regionalligist SV Elversberg zog. Im Saarland wurde er sesshaft, verfolgt die Geschehnisse in der Heimat aber mit Argusaugen."Von den Namen her hat England mit die besten Spieler der Welt. Aber ich bin enttäuscht über einige Spieler, weil wir fast jeden Tag in der Presse Scheiße über sie lesen müssen", poltert der 47-Jährige, der für seine klaren Worte in nicht ganz akzentfreiem Deutsch bekannt ist: "Wir lesen: ,Wayne Rooney geht zu Prostituierten', ,John Terry beleidigt Anton Ferdinand rassistisch', ,Terry schläft mit Wayne Bridges Freundin'. Andere werden festgenommen, weil sie betrunken Auto fahren." Jeder Tritt in ein Fettnäpfchen wird publik. Kein Wunder, schließlich hat England eine der wenigen Nationalmannschaften, deren Spieler fast ausschließlich in der heimischen Liga aktiv sind und somit permanent auf dem Präsentierteller der Boulevard-Presse agieren. "Wenn die englischen Spieler lernen könnten, so diszipliniert zu sein wie die Deutschen, dann hätten wir eine theoretische Chance, bei einem internationalen Turnier zu gewinnen", meint Blissett: "Die deutschen Spieler trinken vielleicht auch Alkohol und gehen in ein Bordell. Aber das liest man dann nicht einen Tag später in der Zeitung."

Dass England bei einem internationales Turnier bis zum Ende mitspielen darf, ist selten. Der WM-Sieg 1966 im eigenen Land war der letzte und einzige internationale Titelgewinn. Und das durch ein Tor, das wohl keines war. Die Rache folgte 44 Jahre später: Im Achtelfinale der WM 2010 schoss Paul Lampard, der gestern wegen einer Oberschenkel-Verletzung seine EM-Teilnahme absagen musste, an die Latte, von wo aus der Ball einen gefühlten Meter hinter die Torlinie sprang. Das Tor, das den 2:2-Ausgleich bedeutet hätte, zählte nicht - und Deutschland schickte England mit 4:1 zurück auf die Insel.

An die letzte EM hat man in England dagegen keine schlechte Erinnerungen. Man war ja nicht dabei. Ein 2:3 gegen Kroatien bescherte den Nationalspielern einen freien Sommer. Das ist in diesem Jahr nicht so. England ist in Polen und der Ukraine dabei - wenn auch mit einem anderen Trainer, als in der Qualifikation: Roy Hodgson folgte im Mai auf Stuart Pierce, der wiederum Interimstrainer nach dem Rücktritt von Fabio Capello im Februar war. Capello trat zurück, weil der Verband John Terry nach den von Blissett erwähnten Rassismus-Vorwürfen die Kapitänsbinde entzog, ohne den italienischen Trainer zu informieren.

Hodgson war schon drei Mal Nationaltrainer: Von 1992 bis 1995 trainierte er die Schweiz, von 2002 bis 2004 die Vereinigten Arabischen Emirate und von 2006 bis 2007 Finnland. Als Vereinstrainer war er zuletzt für den englischen Premiere-League-Club West Bromwich Albion zuständig. In den 1990er Jahren trainierte der Weltenbummler zwei Mal Inter Mailand (1995 bis 1997 und 1999), 2010 führte er den FC Fulham ins Europa-League-Finale (1:2 gegen Atletico Madrid) und wurde anschließend zu Englands "Trainer des Jahres" gewählt. "England muss in Turniere immer mit dem Anspruch gehen, sie zu gewinnen, weil wir eine große Fußball-Nation sind", sagte Hodgson laut Magazin "Kicker" bei seiner Vorstellung. Blissett sieht das ähnlich: "Deutschland steht bei jedem Turnier mindestens im Viertelfinale. Aber es hat keine besseren Spieler wie England, sondern einfach eine starke Mannschaft." > wird fortgesetzt

Saarbrücken. Der (un)umstrittene Star der englischen Mannschaft ist Wayne Rooney. Der Stürmer von Manchester United erzielte in dieser Saison wettbewerbsübergreifend in 43 Spielen 34 Tore, in der Nationalmannschaft hat der bullige Angreifer bisher in 71 Spielen 28 Mal getroffen. Sein Name findet den Weg in die englische Presse aber auch oft über nicht-sportliche Leistungen. Zuletzt wurde darüber diskutiert, dass er seine sehr lange, natürliche Stirn mit Haar-Transplantationen verkürzen ließ. Zudem wurde darüber diskutiert, ob Nationaltrainer Roy Hodgson Rooney überhaupt für die EM nominieren sollte. Er entschied sich für den 26-Jährigen. Wegen einer Sperre, die er sich im Qualifikationsspiel gegen Montenegro (2:2) im Oktober 2011 auf Grund eines rüden Foulspiels abholte, wird er seiner Mannschaft aber in den ersten beiden Spielen fehlen. Was denkt Gary Blissett über Rooney? "Wer? Den kenne ich nicht", sagt der Fan von Uniteds Stadtrivale Manchester City - und ergänzt: "Mein Lieblingsspieler ist Diego Maradona." zen

Foto: lehmann

Hintergrund

Ohne Niederlage qualifizierte sich die englische Nationalmannschaft für die Europameisterschaft. In Gruppe G ließ sie Montenegro, die Schweiz, Wales und Bulgarien hinter sich. Nach dem Achtelfinal-Aus bei der WM 2010 trotzten den Engländern nur die Überraschungself Montenegros (0:0 und 2:2), die erstmals als selbstständiger Staat an einer EM-Qualifikation teilnahm, und die Schweiz (2:2 im Rückspiel) Punkte ab. Die restlichen Spiele konnte England, das von Fabio Capello trainiert wurde, ohne große Mühen für sich entscheiden. Die 17 Tore wurden von sieben unterschiedlichen Spielern erzielt. Die besten Schützen (Wayne Rooney, Jermain Defoe, Darren Bent und Ashley Young) kamen jeweils auf drei Treffer. Seit 1. Mai ist Roy Hodgson Nationaltrainer. zen

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