"Eines Tages geht man ins Leben zurück"

,Saarbrücken. Langsam kommt das Gleichgewicht. Noch geht es nur zögerlich und der Gang ist asymmetrisch. Aber es dauert eben, bis sich der Körper daran gewöhnt hat, dass die Prothese, mit der man sich jahrelang vertraut gemacht hat, nicht steif ist, sondern nachgibt, sich zusammenzieht und wieder ausdehnt

,Saarbrücken. Langsam kommt das Gleichgewicht. Noch geht es nur zögerlich und der Gang ist asymmetrisch. Aber es dauert eben, bis sich der Körper daran gewöhnt hat, dass die Prothese, mit der man sich jahrelang vertraut gemacht hat, nicht steif ist, sondern nachgibt, sich zusammenzieht und wieder ausdehnt.Die ersten Schritte geht Tony Gruber aus Luxemburg noch in den Räumlichkeiten der Firma Doppler in Dudweiler. "Es ist ungewohnt", sagt Gruber, "aber es ist ganz interessant". 2004 hat er seinen Unterschenkel bei einem Motorradunfall verloren. Man möchte meinen, sein Leben hätte sich komplett verändert, aber so will er das nicht sehen: "Eine Beinamputation muss kein Handicap sein. Sie stärkt den Charakter, man wird härter, kompromissloser."

Für ihn stand nie in Frage, dass er den Sport nach der Amputation aufgeben würde: "Vom ersten Tag an wollte ich nie etwas nicht tun können wegen der Amputation. Ich habe mein Leben weitergeführt. Ich war immer sehr sportlich. Ich war aktiver Reiter und bei der Europameisterschaft der Flossenschwimmer." Dinge, die seit diesem Unfall-Tag kaum mehr möglich schienen.

Doch es geht nicht nur um die Bewegung an sich, die mit dem Verlust der unteren Extremitäten eingeschränkt wird. "Über jedem Amputierten schwebt die Depression. Dem kann man mit Sport entgegenwirken. Oder man ergibt sich der Depression und bekommt 40 Kilo Übergewicht", sagt Gruber.

Vor allem zwei Aspekte begünstigen die Depression. Die Einschränkung im Alltag geht auch mit einer sozialen Einschränkung einher. Eine Einschränkung, der Sport entgegenwirken kann. Vor allem aber haben Studien gezeigt, dass die Aktivitätsbegrenzung an sich die Depression begünstigt. Fast alle Patienten werden mit Antidepressiva behandelt, die irgendwann abgesetzt werden müssen. "Und eines Tages geht man ins Leben zurück", erinnert sich Gruber, der sich mit seiner Situation arrangiert hat, aber trotzdem sagt: "Wenn ich kurze Hosen anziehe, habe ich immer noch Probleme."

Jetzt trägt er kurze Hosen. Statt seiner üblichen Prothese trägt er eine Sport-Prothese, einen geschwungenen Fuß aus Karbon. Und mit jedem Schritt wird der Körper stabiler, mit jedem Schritt geht er besser mit der Kraft um, die die Feder zurückgibt. Mittlerweile ist eine kleine Gruppe, die erste Erfahrungen mit Sport-Prothesen sammelt, auf die Tartanbahn der Hermann-Neuberger-Sportschule gewechselt. "Ich wollte das schon immer ausprobieren", sagt Gruber. Er wird sich eine Prothese für den Sport anschaffen. Ob es eines der hochtechnischen Modelle mit der Karbon-Feder wird, ist noch unsicher: "Das ist der Ferrari. Und ob ich den brauche? Das weiß die Krankenkasse ja auch." Aber Sport wird es sein, keine Frage. Nicht nur, weil es gut tut. Sondern auch, weil es Spaß macht. Wenn es da überhaupt einen Unterschied gibt. jbö

Auf einen Blick

Sport-Prothesen bestehen aus einem Fuß aus Karbon und einem Schaft, die beide an die Bedürfnisse des Patienten angepasst sind. Die Kosten für eine Sport-Prothese belaufen sich auf mehr als 2000 Euro und werden nicht von den Krankenkassen übernommen. Ansprechpartner finden Interessierte unter anderem bei der Dudweiler Firma Doppler, Telefon (0 68 97) 9 52 91-0, Internet: www.doppler-online.de. jbö

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