Eine überwältigende WM-Woche

Stuttgart · Laura Jung vom TV St. Wendel hat sich bei der WM in Stuttgart für eine weitere Olympia-Qualifikation im April 2016 qualifiziert. Nach einer emotionalen Woche in Stuttgart will die 20-Jährige auch nicht aufhören.

Die Tränen kommen, als sich Laura Jung auf das blaue Sofa fallen lässt. Während sie dort auf das Ergebnis nach ihrer Keulen-Übung wartet, hält es das Publikum in der Stuttgarter Arena nicht mehr auf den Plätzen. Sie springen auf, feiern die Sportgymnastin, die Dynamik und die Freude, die sie am Donnerstag in ihren Auftritt gesteckt hat. In ihren letzten Auftritt bei diesen Weltmeisterschaften . 15,783 Punkte mit den Keulen, 47,483 Punkte in der Gesamt-Wertung nach den vier Qualifikationen. Mit Platz 44 hat Laura Jung ihr Ziel, das Mehrkampf-Finale der besten 24 zu erreichen, verpasst. Und trotzdem: Die Tränen sind keine der Traurigkeit. Als die 20-Jährige wieder aufsteht und durch den schwarzen Vorhang aus der Halle verschwindet, hat sie ein befreites Lächeln auf den Lippen.

"Ich gehe mit einem guten Gefühl aus der WM raus", sagte die Gymnastin des TV St. Wendel: "Das Wichtigste ist, dass man mit sich und seiner Leistung zufrieden ist. Und das bin ich." Nicht nur sie, auch Teamchefin Katja Kleinveldt. "Laura hatte eine lange Verletzungspause", sagte Kleinveldt über Jungs Rückenprobleme: "In der Vorbereitungsphase hatte sie nur einen Wettkampf. Sie musste erst in die ganze Wettkampf-Situation reinfinden."

Nach ihrem verpatzten Einstieg am Montag mit dem Ball stand sie in den folgenden Tagen mit Band, Reifen und Keulen unter Druck. "Nach so einem Start drei Mal fehlerfrei zu turnen, war nicht leicht. Aber ich habe mir gesagt: Ich will die WM genießen. Ich mache das für mich und das Publikum." Und das war spürbar begeistert. Nicht nur von Laura Jung auf der Fläche, sondern auch daneben. Die Saarländerin führte am Freitag als Co-Moderatorin durch das Einzel-Finale. "Das ist mal etwas ganz anderes. Die Übungen vom Rand aus objektiv zu beurteilen, hat auf jeden Fall Spaß gemacht." So wie ihr Show-Auftritt bei der Gala am Samstagabend, bei dem sie die Atmosphäre in der vollen Halle "einfach nur genießen" konnte.

Und auch in sportlicher Hinsicht gab es noch eine gute Nachricht: Jung darf im April 2016 zum olympischen Test-Event, bei dem sechs weitere Tickets für Rio de Janeiro vergeben werden. Dazu wäre bei der WM mindestens Platz 38 nötig gewesen. Doch die Liste für die Pre-Olympics wurde nach einigen Kriterien bereinigt, um möglichst vielen verschiedenen Ländern und Kontinenten die Chance auf Olympia zu geben. Laura Jung kletterte dabei auf Platz 33. "Ich habe mich so gefreut", sagte sie: "Ich wollte heulen, aber noch nicht mal das ging."

Da auch Jana Berezko-Marggrander (TSV Schmiden) durch ihren 19. Platz im Mehrkampf-Finale zum Test-Event fährt, sind Jungs Chancen auf einen Olympia-Startplatz aber gering. Nur eine deutsche Sportlerin kann sich noch für die Sommerspiele qualifizieren.

Auch wenn es mit dem Olympia-Auftritt nicht klappen sollte, wird dieser Traum für die Saarländerin nicht zwangsläufig zerplatzen. Ursprünglich hatte sie angekündigt, 2016 ihre Karriere zu beenden. "Aber das ist mein Sport, ich kann nicht von heute auf morgen aufhören. Es gibt eigentlich auch keinen Grund dafür", meinte sie: "Ich will weitermachen." Ausschlaggebend dafür waren die WM-Woche, die Emotionen, das Publikum, das die Saarländerin bis zum Ende durch die Wettkämpfe getragen hat: "Das war überwältigend."Die deutsche Gruppe hat bei der Gymnastik-WM in Stuttgart die direkte Olympia-Qualifikation verpasst. Ein Platz unter den besten Acht im Mehrkampf wäre nötig gewesen. Das sechsköpfige Team teilte sich am Samstag aber den zehnten Rang (32,566 Punkte) mit Usbekistan. Um zu den Sommerspielen 2016 zu kommen, müssen die Deutschen nun den Umweg über die Pre-Olympics im April gehen.

Die erste Übung mit zwei Reifen und drei Paar Keulen lief nahezu perfekt. Doch danach leistete sich das Team mit fünf Bändern gleich drei Fehler. "Eigentlich ist die Übung mit Reifen und Keulen bei uns die schwierigere", sagte Gymnastin Daniela Potapova: "Vielleicht war es die Aufregung. Es ist ein ganz anderes Gefühl, zuhause eine WM zu haben."

Mit der zweiten Qualifikation sollte es aber laut Teamchefin Katja Kleinveldt "auf jeden Fall klappen". Ein kleines Trostpflaster: Die Gruppe erreichte mit Keulen und Reifen das Geräte-Finale, bei dem sie gestern Siebter (17,000 Punkte) wurde.

Die besten Gymnastinnen der WM, zu der insgesamt 35 000 Zuschauer kamen, stellte Russland. Bei den Einzel-Wettkämpfen sicherten sich die Russinnen die Team-Wertung, zudem holten Margarita Mamun (Reifen) und Yana Kudryavtseva (Ball, Band, Keulen, Mehrkampf) Gold. Die russische Gruppe siegte im Mehrkampf und im Finale mit Keulen und Reifen. Mit fünf Bändern gewann Italien.

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