Eine sonderbare Erklärung

Frankfurt · DFB-Präsident Niersbach hat sich erstmals zu der ominösen Millionen-Zahlung im Vorfeld der WM 2006 geäußert. Tenor: Damit wurde niemand bestochen, sondern nur ein riesiger Fifa-Zuschuss gesichert.

Wolfgang Niersbach lehnte aschfahl in seinem Stuhl, jede der vielen bohrenden Fragen schien ihm körperliche Schmerzen zu bereiten. Was ist aus den 6,7 Millionen Euro geworden? Könnte das Geld nicht doch für Korruption verwendet worden sein? Wie hat Niersbach davon erfahren? Viele, die meisten sogar, konnte der DFB-Präsident gestern während einer denkwürdigen Pressekonferenz schlicht nicht beantworten. Stattdessen verstrickte er sich in neuen Ungereimtheiten und löste außerdem Erstaunen beim Weltverband Fifa aus.

"Ich weiß es nicht", sagte Niersbach während für ihn quälenden 42 Minuten in der Verbandszentrale in Frankfurt immer wieder, "da bin ich überfragt" oder "darauf habe ich keine Antwort". Seine wenigen konkreten Aussagen stützte er ausschließlich auf ein Gespräch mit Franz Beckenbauer am Dienstag in Salzburg. Belastbare Dokumente liegen nicht vor. Nur in einer Sache war der 64-Jährige nach wie vor absolut sicher: Die WM 2006, sie soll trotz aller Unklarheiten sauber gewesen sein. "Wir haben die WM mit lauteren Mitteln bekommen. Die WM war nicht gekauft", beteuerte Niersbach erneut. Er warf jedoch weitaus mehr Fragen auf, als er beantworten konnte. Der Druck stieg minütlich, aber über mögliche persönliche Konsequenzen sprach er nicht. "Es ergeben sich Fragezeichen, die sehe ich auch", räumte er ein.

Zumindest in den nebulösen Vorgang der 6,7-Millionen-Euro-Zahlung, deren Verbleib nach wie vor ungeklärt ist, versuchte er er etwas Licht zu bringen. Seine allerdings sonderbare Erklärung: Die deutschen WM-Macher mussten 2002 6,7 Millionen Euro an die Fifa überweisen, um später vom Weltverband umgerechnet 170 Millionen Euro erhalten zu können. Diese Zusage habe Beckenbauer vom Fifa-Präsidenten Joseph S. Blatter in einem Vier-Augen-Gespräch erhalten - ein sogenannter "Organisationszuschuss" des Fußball-Weltverbandes für die Ausrichtung der WM. Die benötigten zehn Millionen Schweizer Franken habe das WM-OK mangels eigener Einnahmen nicht zur Verfügung gehabt. Daher habe der damalige adidas-Chef Robert Louis-Dreyfus vorgestreckt und das Geld an die Fifa-Finanzkommission überwiesen - laut Niersbach ohne Umwege über den DFB oder das WM-OK, dessen Vize-Präsident er zu dieser Zeit war. Eigentlich habe Beckenbauer den Betrag aus seinem Privatvermögen übernehmen wollen, sich aber auf Anraten seines Beraters Robert Schwan dagegen entschieden.

Kurz nach Niersbachs Erklärung ließ die Fifa Gegenteiliges verlauten. der Vorgänge aufkommen. "Es entspricht in keinster Weise den Fifa-Standardprozessen und Richtlinien, dass die finanzielle Unterstützung von WM-OKs an irgendwelche finanziellen Vorleistungen gekoppelt ist", teilte der Weltverband mit. "Nach heutigem Kenntnisstand wurde keine derartige Zahlung von zehn Millionen Schweizer Franken bei der Fifa im Jahr 2002 registriert." Auch der suspendierte Fifa-Präsident Joseph Blatter ließ über einen Sprecher mitteilen: "Ich bin mit diesem Vorgang nicht vertraut."

Am Abend meldete sich der frühere DFB-Generalsekretär und OK-Vizepräsident Horst R. Schmidt zu Wort. Den Angaben des 73-Jährigen zufolge habe Franz Beckenbauer 2002 im Alleingang dafür gesorgt, dass Robert Louis-Dreyfus die Zahlung von zehn Millionen Schweizer Franken als Sicherheit leistete. Erst 2004 hätten Schmidt und seine OK-Kollegen durch Beckenbauer davon erfahren. Schmidt erläuterte weiter, Beckenbauer habe 2002 die Fifa-Bedingung ohne Rücksprache akzeptiert und gegenüber Dreyfus persönlich mit einem Schuldschein für die Rückzahlung gebürgt.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort