Eine schwere Hypothek namens Contador

Bis zum 24. Juli versprechen eine Top-Besetzung, 23 Anstiege, vier Bergankünfte und ein Teamzeitfahren Stoff für Dramatik auf den 3430 Kilometern quer durch Frankreich und Italien. Die Fülle der Belastungen lässt aber kaum auf ein unbeschwertes Sommertheater hoffen, auch wenn ein Großteil der französischen Fans frohen Mutes dem Saison-Höhepunkt auf zwei Rädern entgegenfiebern dürfte

Bis zum 24. Juli versprechen eine Top-Besetzung, 23 Anstiege, vier Bergankünfte und ein Teamzeitfahren Stoff für Dramatik auf den 3430 Kilometern quer durch Frankreich und Italien. Die Fülle der Belastungen lässt aber kaum auf ein unbeschwertes Sommertheater hoffen, auch wenn ein Großteil der französischen Fans frohen Mutes dem Saison-Höhepunkt auf zwei Rädern entgegenfiebern dürfte. Die Veranstalter können am Straßenrand mit einem Auflauf von mehr als 30 Millionen Menschen rechnen und verkünden stolz TV-Übertragungen in 190 Länder - darunter Thailand und Südkorea. Der Marke Tour de France ist so leicht nichts anzuhaben. Und doch wird das Dauerthema Doping die an diesem Samstag beginnende Rundfahrt begleiten.Der Fall Alberto Contador wiegt als schwere Hypothek. Sollte der 28-jährige Topfavorit und Vorjahressieger am 3. August vom Internationalen Sportgerichtshof CAS verurteilt werden, droht dem Spanier eine zweijährige Sperre und die Aberkennung seiner Erfolge seit Juli 2010. Das würde bedeuten: Sowohl der vorjährige Toursieg als auch sein Erfolg beim Giro d'Italia im Mai dieses Jahres würden gestrichen - und auch der vierte Tour-Triumph, sollte der Spanier am 24. Juli wie erwartet im Gelben Trikot über die Champs Élysées radeln. Keine guten Aussichten für das bedeutendste Radrennen der Welt.

Die Reizfigur aus Pinto, die schon 2006 mit dem mutmaßlichen Doping-Mediziner Eufemiano Fuentes in Verbindung gebracht wurde, war bei der Tour im Vorjahr positiv auf das Kälbermastmittel Clenbuterol getestet worden. Contador leugnet Doping und spricht von einem kontaminierten Steak. Sein Landesverband glaubte ihm und sprach ihn rechtzeitig zum Saisonbeginn 2011 frei. Dagegen klagten Weltverband UCI und Welt-Anti-Doping-Agentur Wada vor dem Sportgerichtshof CAS, der den ursprünglichen Prozesstermin allerdings verschob. Statt vor dem Tour-Start im Juni wird nun im August verhandelt.

Die anhaltende Dopingproblematik dürfte mit zu der Entscheidung von ARD und ZDF beigetragen haben, in diesem Jahr letztmals live von der "Großen Schleife" zu berichten. Einzig eine erfolgreiche Tour der deutschen Radprofis könnte das beschlossene Aus ins Wanken bringen, wie aus den Anstalten verlautet. Etappensiege und an einigen Tagen sogar das Gelbe Trikot sind etwa Tony Martin (HTC Highroad) oder Andreas Klöden (RadioShack) durchaus zuzutrauen.

Den Titelverteidiger Contador werden aber die beiden wohl ebenso wenig angreifen können wie der ambitionierte Andy Schleck aus Luxemburg (Leopard Trek) - wenn Contador nur annähernd so stark fährt wie im Mai beim Giro d'Italia. "Er gewinnt wieder", legte sich die deutsche Zeitfahr-Hoffnung Martin fest.

Allerdings gibt Hans-Michael Holczer, ehemals Teamchef des Rennstalls Gerolsteiner, zu bedenken: "Contador wird der am strengsten kontrollierte Fahrer sein. Mal sehen, was er imstande ist zu leisten unter der besonderen Aufsicht." Holczer selbst hatte vor zwei Jahren am eigenen Team erfahren, wie schnell sich Sponsoren wegen Dopings aus dem Sport zurückziehen. Nach dem Aus des Teams Milram im Jahr 2010 steht in diesem Sommer zum ersten Mal seit 19 Jahren kein deutscher Rennstall am Start der Tour.

Contador dagegen schon - obwohl feststeht, dass die Veranstalter durch ein klares Urteil des Sportgerichtshofs CAS lieber vor der Tour Gewissheit über den Spanier gehabt hätten. Eine mögliche Ausladung riskierten sie nicht und hielten sich an die Worte von Jacques Rogge, Präsident des Internationalen Olympischen Komitees. Der höchste Sportfunktionär der Welt versteht zwar die Zweifler, gab aber auch den rechtsstaatlichen Grundsatz zum Besten: "Auch für ihn muss zunächst die Unschuldsvermutung gelten." dpa

letour.fr

"Mal sehen, was er imstande ist zu leisten unter der besonderen Aufsicht."

Hans-Michael Holczer, ehemals Teamchef des Rennstalls Gerolsteiner

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