Ein WM-Titel im Kloster

Am 8. Juli 1990 war ich 13 Jahre alt. Ich mochte Erdkunde und Geschichte, wog ungefähr die Hälfte von heute und hatte in Sachen Fußball noch kein Feuer gefangen. Gut, ich sammelte wie schon 1986 Panini-Bilder und bekam das Album nicht komplett, weil immer ein bärtiger Uruguayer fehlte

Am 8. Juli 1990 war ich 13 Jahre alt. Ich mochte Erdkunde und Geschichte, wog ungefähr die Hälfte von heute und hatte in Sachen Fußball noch kein Feuer gefangen. Gut, ich sammelte wie schon 1986 Panini-Bilder und bekam das Album nicht komplett, weil immer ein bärtiger Uruguayer fehlte. Zwei Jahre, bevor ich mich Hals über Kopf in den Fußball verliebte, war die WM in Italien so etwas wie eine Einstiegsdroge. Noch heute bekomme ich Gänsehaut, wenn der damalige WM-Song "Un estate italiano" von Gianna Nannini und Edoardo Bennato läuft.Das Endspiel verfolgte ich in einem Kloster in Holland, auf dem platten Land, der Namen des Ortes ist mir entfallen. Dort hatte ich mit meiner Mutter und meiner Oma Urlaub gemacht. Ich schlief gern lange und verpasste so immer das Frühstück. Heute undenkbar. Beschaulich war es da, und wir spielten in einem Schuppen voller Spinnweben Tischtennis. Im Aufenthaltsraum verfolgte ich das 1:0 gegen Argentinien mit einem Mönch, der sich mir namentlich nicht vorstellte. Und als Andi Brehme seinen Elfmeter verwandelte, riss ich die Arme nach oben. Nach Abpfiff viel jubeln oder ein Autokorso war nicht drin. Heute bedauere ich das. Der Mönch machte den Fernseh-Apparat aus - und ich ging ins Bett. Trotzdem werde ich diese WM nie vergessen. Und es gab kaum noch eine Nacht in meinem Leben, in der ich mit einem breiteren Grinsen einschlief. Als Weltmeister.Vor 20 Jahren wurde Deutschland bei der Weltmeisterschaft in Italien zum letzten Mal Fußball-Weltmeister. SZ-Redakteure und Mitarbeiter schreiben, wo sie am Abend des 8. Juli 1990 waren und wie sie sich gefühlt haben, als Andreas Brehme die deutsche Mannschaft in Rom gegen Argentinien per Elfmeter zum Titel schoss.

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