Ein vernichtendes Urteil

Zürich · Die Fifa ist erschüttert. Statt der erhofften Ruhe nach Jahren der Korruptionsvorwürfe gegen die WM-Gastgeber Katar und Russland sorgt der Disput der Ethikhüter nun für Negativschlagzeilen. Ligapräsident Rauball bringt sogar einen Austritt aus der Fifa ins Spiel.

Die Fifa muss nach der unfassbaren Farce um die Korruptionsermittlungen gegen die WM-Gastgeber Russland und Katar Hohn, Spott und radikale Kritik aus der ganzen Fußball-Welt einstecken. Den Weg aus dem Dilemma um den unerwarteten Disput der eigenen Ethik-Doppelspitze kennen derzeit nicht einmal die Führungsköpfe des Weltverbandes. "Wir können nur sagen, dass es traurig ist, dass die beiden Vorsitzenden unserer Ethikkommission unterschiedliche Meinungen haben, wenn wir über solch wichtige Dinge im Fußball reden", reagierte Fifa-Generalsekretär Jérôme Valcke als bislang einziger Fifa-Funktionär.

Der angekündigte Einspruch durch Chefermittler Michael Garcia gegen den Freispruch für Katar und Russland hinterlässt einen erheblichen Flurschaden beim Weltverband. Nach Jahren der massiven Vorwürfe gegen Katar , den WM-Ausrichter 2022 und erheblichen Zweifeln gegen den Gastgeber 2018 aus Russland war das milde Urteil durch Fifa-Richter Hans-Joachim Eckert schon nach wenigen Stunden nichts mehr wert. Ligapräsident Reinhard Rauball brachte sogar eine Lösung der Europäischen Fußball-Union Uefa von der Fifa ins Spiel.

Egal, wie das Fifa-Berufungskomitee über die angekündigte Klage des US-Amerikaners Garcia irgendwann entscheiden wird, der Geruch von Kumpanei, Intrige und auch Bestechung wird die kommenden beiden milliardenschweren Weltturniere nun dauerhaft begleiten. Folgt das Gremium der Einschätzung Eckerts, wovon auszugehen ist, bleiben die Zweifel Garcias in der Welt. Folgen die Fifa-Funktionäre dem US-Juristen, müsste der Fall mit allen drohenden Konsequenzen wohl neu aufgerollt werden. Den Schaden hat in jedem Fall die Fifa. Eine personelle Neuausrichtung in der Ethikkommission scheint unausweichlich, wenn der Fifa-Kongress im Mai 2015 in Zürich tagt. Die Doppelspitze um Eckert und Garcia dürfte im Lichte der derzeitigen Ereignisse keine gemeinsame Zukunft mehr haben. In einem Interview der BBC sagte Eckert, er sei "nicht schockiert" von Garcias Reaktion. "Ich bin schon sehr lange in diesem Job. Mich überrascht nichts."

Noch wartet man bei der Fifa auf Post von Garcia aus New York. Erst wenn der angekündigte Protest in der Zentrale in Zürich eingeht, wird sich das 13-köpfige Fifa-Berufungskomitee unter der Leitung des Juristen Larry Mussenden von den Bermudas mit der Angelegenheit beschäftigen und der Weltverband sich inhaltlich detailliert zu dem Konflikt äußern. "Bislang ist die Fifa nicht offiziell von dem Statement informiert worden und ist daher derzeit auch nicht in der Position, die Angelegenheit weiter zu kommentieren", hieß es am Freitag auf Anfrage.

Immer lauter wird der Rufnach einer Veröffentlichung des Garcia-Berichts zu den Untersuchungen in den elf Ländern, die sich um die Turniere 2018 und 2022 beworben hatten. "Wenn das nicht passiert und diese Krise nicht glaubwürdig gelöst wird, muss man sich auch über die Frage unterhalten, ob man in der Fifa überhaupt noch gut aufgehoben ist", sagte Borussia Dortmunds Präsident Reinhard Rauball im "kicker". "Eine Option, über die ernsthaft nachgedacht werden müsste, ist sicherlich, dass die Uefa sich von der Fifa löst."

Auch der ehemalige Fifa-Integritätsberater Mark Pieth äußerte sich kritisch: "Genau der Konflikt zwischen Herrn Eckert und Michael Garcia zeigt doch, dass der Untersuchungsbericht mit den Ermittlungsergebnissen zu den verdächtigen WM-Vergaben längst hätte veröffentlicht werden müssen oder jetzt schnellstens veröffentlicht gehört, damit man sich selbst von außen eine Meinung bilden kann."

Zum Thema:

Auf einen BlickInternationale Pressestimmen zum Fifa-Bericht:Daily Mail (England): "Die Fifa ist krank und korrupt."Guardian (England): "Die Fifa, das Regierungsorgan des Weltfußballs, hat sich vor der ganzen Welt lächerlich gemacht."Gazzetta dello Sport (Italien): "Die Fälle Russland und Katar ad acta gelegt, aber wie viele Zweifel. Es ist kein schönes Schauspiel, das die Fifa bietet. Sogar ein Kind würde verstehen, dass da etwas nicht stimmt." Corriere della Sera (Italien): "Eine Farce der Fifa."La Vanguardia (Spanien): "Die Fifa wäscht Russland und Katar rein. Es gab Geschenke, Partys, Geheimvereinbarungen zwischen den Kandidaten, verwerfliches Benehmen, Zerstörungen von Computern, Entlassungen, Rücktritte ... Alles nicht weiter schlimm, meint die Fifa." AS (Spanien): "Noch fehlt ein Kapitel in dieser Geschichte: Dass alle 435 ursprünglichen Seiten des García-Berichts zur Gänze und ohne jede Zensur veröffentlicht werden."Le Figaro (Frankreich): "Dunkle Machenschaften à la Fifa. Die Auslegung des Untersuchungsberichts über die WM-Vergabe an Russland und Katar spaltet den Verband." dpa

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