Ein Rumpf-Team und das Prinzip Hoffnung

Toulon. Im kleinen Presseraum der Dubai Tennis Championships geriet Michael Berrer unlängst in wirklichen Erklärungsnotstand

 Der Saarländer Benjamin Becker wird am kommenden Wochenende für Deutschland im Davis Cup spielen. Foto: dpa

Der Saarländer Benjamin Becker wird am kommenden Wochenende für Deutschland im Davis Cup spielen. Foto: dpa

Toulon. Im kleinen Presseraum der Dubai Tennis Championships geriet Michael Berrer unlängst in wirklichen Erklärungsnotstand. Als Berrer von einem emiratischen Journalisten gefragt wurde, warum er nach starken Tenniswochen nicht für das deutsche Davis-Cup-Team in Frankreich antreten werde, holte der wackere Schwabe weit aus, erzählte von fehlenden "mentalen Grundlagen" für das Duell in Toulon und berichtete schließlich noch, er habe im Internet gelesen, dass einige deutsche Nationalmannschafts-Verweigerer als "Vaterlandsverräter" beschimpft würden. Weil Berrer und dem ATP-Pressebetreuer partout kein englisches Wort für diese Anklage einfiel, stand es so schwarz auf weiß im offiziellen Manuskript nach Berrers Aufgabesieg gegen Nikolai Dawidenko: "Vaterlandsverräter."

Es ist keine leichte Zeit in diesen Tagen für all jene, die mit dem deutschen Davis-Cup-Team zu tun haben. Für jene, die aus mehr oder minder nachvollziehbaren Gründen ihr Mitwirken beim Erstrundenspiel der Saison 2010 am Mittelmeer abgesagt haben, im Palais des Sports im Touristenstädtchen Toulon - 40 Kilometer südöstlich von Marseille gelegen. Und für die Crew, die Patrik Kühnen nun bereits seit Montag am Schauplatz der Partie versammelt hat, also Philipp Kohlschreiber, Simon Greul, Christopher Kas und Benjamin Becker aus Orscholz. Diese vier Übriggebliebenen, von denen eigentlich zwingend nur Kohlschreiber für das Match in Frage gekommen war, bilden nun die deutsche Auswahl, die in einer Art Himmelfahrts-Kommando antreten muss. Alles andere als ein Sieg von Jo-Wilfried-Tsonga, Gael Monfils, Julian Benneteau und Michael Llodra käme einer Sensation gleich, das weiß natürlich auch Bundestrainer Kühnen, der sich gleichwohl offiziell als Mut- und Muntermacher betätigt: "Wir sind nicht als Punktelieferant angereist. Wir wollen unsere Chance nutzen."

Doch die Rückzieher diverser Einsatzkandidaten haben dem Saarländer schon ein wenig die Laune vergällt. Dass sein alter Leitwolf Thomas Haas nicht rüberkommen würde nach Europa, war für Kühnen keine große Überraschung mehr. Am schmerzlichsten dürfte für Kühnen die Demission von Philipp Petzschner gewesen sein, dessen Vielseitigkeit viele taktische Optionen im Einzel und Doppel geboten hätte. Doch der launische, unberechenbare Bayreuther gab an, er wolle sich diese Saison auf seine "persönliche Karriere" konzentrieren.

Ganz gelang es Kühnen da nicht, seinen Unmut zu kaschieren, wehmütig erinnerte er sich an eigene Davis-Cup-Tage: "Für mich war es immer das Größte, im Nationalteam zu spielen." Später musste Kühnen zur Kenntnis nehmen, dass auch der Hamburger Linkshänder Mischa Zwerew nicht mit von der Partie sein wollte - wobei die Anfrage bei dem zuletzt verletzten und schwächelnden Hanseaten schon signalisierte, in welchem Berufungs-Notstand sich der Coach befand.

Nachdem auf fast jede Zusage auch eine Absage gekommen ist, ruht jetzt hinter dem Personal-Wirrwarr wieder einmal alle Erwartung auf Philipp Kohlschreiber, dem tatkräftigsten Nationalspieler in der Generation hinter Haas, Kiefer, Schüttler und Co. In einer eher durchwachsenen Saison 2009 hatte Kohlschreiber seine größten Glanzlichter punktgenau im Davis Cup gesetzt, sowohl in der Auftaktpartie gegen Österreich wie auch später in Spanien - beim hitzigen Duell in Marbella besiegte er die Top-Ten-Spieler Tommy Robredo und Fernando Verdasco eindrucksvoll.

Das zweite Einzel dürfte wohl Benjamin Becker bestreiten, der bei seinem bisher ersten und einzigen Einsatz 2007 in Krefeld gegen Kroatien beide Einzel gegen Ivan Ljubicic und Marin Cilic verloren hatte.

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