Ein letztes Mal alles aufsaugen

Saarbrücken. Entspannt nippt sie an ihrer heißen Schokolade. "Heute hatte ich meinen freien Tag", sagt Anja Dittmer mit ruhiger Stimme, "nur ein bisschen Schwimmtraining, dann eine Stunde Athletiktraining." Frei? Nach einem wirklich freien Tag hört sich das kaum an, für die 36-jährige Triathletin ist es aber nahezu nichts

 Anja Dittmer fühlt sich an der Hermann-Neuberger-Sportschule gut aufgehoben - hier steht sie vor der Mensa. Foto: Thomas Wieck

Anja Dittmer fühlt sich an der Hermann-Neuberger-Sportschule gut aufgehoben - hier steht sie vor der Mensa. Foto: Thomas Wieck

Saarbrücken. Entspannt nippt sie an ihrer heißen Schokolade. "Heute hatte ich meinen freien Tag", sagt Anja Dittmer mit ruhiger Stimme, "nur ein bisschen Schwimmtraining, dann eine Stunde Athletiktraining." Frei? Nach einem wirklich freien Tag hört sich das kaum an, für die 36-jährige Triathletin ist es aber nahezu nichts. "Sonst trainiere ich den ganzen Tag", erzählt die Olympia-Teilnehmerin und lächelt.Immerhin: Gleich ist sie mit ein paar Freunden verabredet, zum Kochen. Auf den Tisch kommt nur Ausgewogenes, "ich bin kein Asket, aber ich versuche, mich am Riemen zu reißen", sagt sie mit einem Augenzwinkern. Treffen wird sie sich mit den anderen in ihrer Ein-Zimmer-Wohnung im Haus der Athleten am Olympiastützpunkt in Saarbrücken. "Ich wohne sehr gern hier. Direkt neben der Wohnung ist der Wald, bessere Bedingungen gibt es gar nicht. Mein Zimmer ist aber eher spartanisch eingerichtet", erklärt Anja Dittmer, "ich bin ja oft auf Reisen und im Trainingslager." Ihre einzigen ständigen Begleiter: "Mein Fahrrad, Laufschuhe und ein Schwimmanzug."

Bis zum Sommer ist ihr Training durchgeplant: Saarbrücken, wo die Neubrandenburgerin seit etwa zehn Jahren trainiert und vor allem an ihrer Schwimm-Technik feilt, kehrt sie erstmal den Rücken. Die nächsten sechs Wochen verbringt Anja Dittmer mit dem Nationalkader in Südafrika - in Stellenbosch bei Kapstadt. Dort wird sie "dem Winter und der Kälte entfliehen", sagt sie.

Anschließend weilt die Triathletin bis Mai in Neuseeland, wo sie mit ihrem Freund Kris Gemmell, ebenfalls Triathlet, trainiert. "Er hat sich leider noch nicht für die Olympischen Spiele qualifiziert", erklärt sie. Eine Sache, die Anja Dittmer ihm voraus hat: Vor fünf Monaten erreichte die Triathletin vom SC Neubrandenburg beim WM-Lauf in London den dritten Platz und sicherte sich zum vierten Mal die Teilnahme an Olympia. Dittmer ist damit die einzige Triathletin weltweit, die an allen bisher ausgetragenen olympischen Wettkämpfen ihrer Disziplin teilgenommen hat. "Aber trotzdem: Als ich mich letztes Jahr qualifiziert habe, habe ich mich gefreut, als wäre es die erste Qualifikation gewesen", erzählt Dittmer.

Ihr bestes olympisches Ergebnis erzielte sie 2004 in Athen, als sie Elfte wurde. Am bekanntesten ist jedoch ihre Geschichte der Sommerspiele 2000 in Sydney. Als ihr Bruder und Kanufahrer Andreas Dittmer Gold im Canadier-Einer holte, sprang sie ins Wasser, schwamm zu ihm und überreichte ihm die deutsche Flagge. "Wenn ich jetzt so darüber nachdenke, würde ich es wahrscheinlich gar nicht mehr machen", sagt sie verlegen.

Ohnehin beschäftigt sich Dittmer mittlerweile viel mehr mit der Psyche als in ihren ersten Leistungssport-Jahren. "Das Mentale ist sehr wichtig", erklärt sie, "früher habe ich unterschätzt, wie wichtig das ist, dass der Kopf klar ist." Deutlich wurde das beim Olympischen Triathlon 2008 in Peking, als sie nur 33. wurde. "Ich konnte mich einfach nicht konzentrieren", erinnert sich Dittmer, "zwei Wochen vor den Spielen hat sich mein Freund am Fuß verletzt und konnte nicht starten. Das hat auch mir das Herz gebrochen. Ich wusste, wie gut er in Form war. Da ging dann alles drunter und drüber." Noch mal soll das nicht passieren.

Bei ihrer wahrscheinlich letzten Teilnahme an Olympia hat sich Dittmer keine Platzierung als Ziel gesetzt, sie will am 4. August einfach ihr "ganzes Potenzial zeigen". Noch einmal alle Eindrücke aufsaugen und genießen: "Ich glaube nicht, dass ich danach noch mal an Olympia teilnehme. Ich bin ja nicht mehr die Jüngste."

Bis London steht für sie aber erst noch eine Menge Training an - in Südafrika, Neuseeland und "im schönen Saarbrücker Wald". Eine Menge Fahrrad, Laufschuhe und Schwimmanzug. Eine Menge ausgewogenes Essen. Anja Dittmer lächelt neckisch und sagt: "Direkt nach dem Wettkampf darf es dann auch mal was richtig Fettiges sein - wie ein Cheeseburger und Pommes Frites."

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