Ein kleiner Dämpfer vor dem Start

Rio de Janeiro · Turnerin Pauline Schäfer geht am Sonntag in der Qualifikation an die Geräte – allerdings nicht an allen, was sie ärgert. Trotzdem will die 19-jährige Saarländerin in ein Finale einziehen. Und zwar an ihrem Parade-Gerät.

 Beim Podiumstraining machte Pauline Schäfer schon mal eine gute Figur. Foto: young/dpa

Beim Podiumstraining machte Pauline Schäfer schon mal eine gute Figur. Foto: young/dpa

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Es ist der Traum, für den Pauline Schäfer so lange gearbeitet hat. Doch wie er sich wirklich anfühlt, das erlebt die 19-Jährige erst jetzt. In der Nacht zu Freitag stand sie in der Mixed Zone der Olympia-Arena von Rio de Janeiro . Das Podiumstraining lag hinter der Saarländerin und ihren Teamkolleginnen aus der deutschen Kunstturn-Nationalmannschaft, und nicht nur Schäfer zeigte sich mit diesem noch unter Ausschluss der Öffentlichkeit absolvierten ersten Auftritt an den Wettkampfgeräten der Spiele zufrieden.

"Wir haben das gut gemacht", erklärte sie mit Blick auf die Leistungen des gesamten Quintetts, das Bundestrainierin Ulla Koch mit nach Brasilien genommen hatte. Und da auch die Stimmung in der Mannschaft "super" sei, fühlten sich die Sportlerinnen gerüstet, um ihr wichtigstes Ziel, das Erreichen des Teamfinals der besten Acht, bei der Qualifikation am Sonntag (ab 14.45 Uhr) in Angriff zu nehmen.

"Das Team ist die Queen", hatte Koch zum Leitmotiv für die Reise nach Brasilien erklärt. Entsprechend hielt die Mannschaftsaufstellung einen kleinen Dämpfer für Schäfer bereit. Obwohl sie beim letzten Olympiatest, einem Länderkampf in ihrer Trainingsheimat Chemnitz, das höchste Mehrkampfergebnis in der Riege des Deutschen Turner-Bundes erzielte, darf die Bierbacherin in Rio nicht an allen Geräten starten. Denn von fünf Turnerinnen im Aufgebot können nur jeweils vier vor die Kampfrichterinnen treten, und am Stufenbarren gibt die Cheftrainerin den anderen den Vorzug.

Damit hat Schäfer schon jetzt keine Chance, sich für den Endkampf der 24 besten Allrounderinnen zu empfehlen. Diese bekommen nur die aktuelle deutsche Vierkampfmeisterin Sophie Scheder aus Chemnitz und die Zweite der nationalen Titelkämpfe, die Stuttgarterin Elisabeth Seitz, die beide auch als Finalkandidatinnen am Barren gelten. "Ich hätte supergerne einen Mehrkampf gemacht", erklärte Schäfer enttäuscht, "aber wenn das die Meinung von Frau Koch ist, muss ich das akzeptieren."

Dass die WM-Dritte am Schwebebalken damit etwas ausgeruhter an ihr Spezialgerät gehen kann, weil sie direkt davor nicht ihre Riemchen anschnallen muss, empfindet sie nicht als Vorteil. Das spricht für die gute Form sowie den Ehrgeiz der 19-Jährigen, die wieder mitmischen will in der Entscheidung derer, die ihre Übung auf dem nur zehn Zentimeter schmalen Grat im Vorkampf am besten meistern.

Den nach ihr benannten Schäfer-Salto, einen Seitwärtssalto mit halber Drehung, den sie bei ihrem Bronzemedaillengewinn im Herbst in Glasgow aus Sicherheitsgründen noch ausließ, hat sie wieder bestens im Griff; ihn nicht zu zeigen, bestätigte die Athletin, sei diesmal keine Option: "Er macht meine Übung besonders." Ob das am Ende für eine Medaille reicht (das Finale ist am 15. August), darüber denkt sie nicht nach.

Olympische Spiele halten aber auch noch ganz andere Herausforderungen bereit. Sich nicht ablenken zu lassen von dem ganzen Drumherum - das, sagt Schäfer, müsse man auch erst mal schaffen. Dabei darf sie auf den Zusammenhalt im Team vertrauen, das seit der WM sehr zusammengewachsen ist. Damals hatte sich jede Turnerin mehr auf sich als auf das gemeinsame Ziel fokussiert. Das Ergebnis waren ein verpatzter Qualifikationswettkampf und das Verpassen des Rio-Tickets im ersten Anlauf. Seitdem haben Gespräche und gemeinsame Aktivitäten die Sportlerinnen enger zusammengeschweißt: Außerhalb der Halle verstehen sie sich bestens, und das gute Klima sorgt dafür, dass die Leistung drinnen bestens gedeiht, der interne Konkurrenzkampf die Qualität ihrer Vorträge verbessert. Das wurde beim Testevent im April in Rio mit der Olympiaqualifikation im Nachgang belohnt.

Selbst bei der Wahl ihrer Outfits waren sich die jungen Frauen diesmal schnell einig, designten gemeinsam ihre Turnanzüge und dachten sich, angeregt von einem Besuch einer Drag Queen während des Trainingslagers in Frankfurt, ein besonderes Make-up für die kommenden Auftritte aus. Schließlich will man am Ende alles dafür getan haben, dass der olympische Traum schön aussieht.

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Auf einen Blick Gleich zum Auftakt der Turn-Wettbewerbe entscheidet sich für Fabian Hambüchen an diesem Samstag, ob seine vierten Spiele für ihn zu einem Erfolg werden können. Am Reck will der erfolgreichste Athlet der deutschen Turn-Geschichte das Gerätefinale erreichen, setzt sich aber nicht unter Druck. "Ich will alles rausholen. Wenn das gelingt, bin ich zufrieden", sagt der 28-Jährige vor der Qualifikation. Noch spektakulärer, aber oft auch unsauberer turnt Andreas Bretschneider. "Der kann sich ein Denkmal setzen", sagt Cheftrainer Andreas Hirsch über den 26-Jährigen, der in Rio die schwierigsten Elemente der Turn-Geschichte präsentieren wird. Auch die Barren-Spezialisten Marcel Nguyen und Lukas Dauser wollen ins Einzelfinale sowie alle zusammen ins Mannschaftsfinale. dpa

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