Ein Helden-Epos

Rio de Janeiro · Michael Phelps will es einem ganz besonders beweisen: sich selbst. Als Rekord-Olympiasieger erlebt er in Rio seine fünften Sommerspiele. Es dürften nach düsteren Tagen in seinem Leben ganz besondere werden.

 Michael Phelps will seine unglaubliche Medaillensammlung bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro erweitern. Es wäre wohl ein Rekord für die Ewigkeit. Foto: hunt/dpa

Michael Phelps will seine unglaubliche Medaillensammlung bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro erweitern. Es wäre wohl ein Rekord für die Ewigkeit. Foto: hunt/dpa

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Michael Phelps zeigt sich wenige Tage vor seinem ersten Start bei seinen fünften Olympischen Spielen wie so oft in seiner vielleicht schönsten Karriere-Etappe: als Mensch abseits des Beckens. Das vor gut zwei Monaten geborene Söhnchen Boomer liegt auf der breiten Brust des Rekord-Olympiasiegers und schläft. "Das ist wirklich das Beste", sagt der 31 Jahre alte Megastar des Schwimmens. Auch wenn er "so hart trainiert hat wie wohl nicht mehr seit zehn Jahren": Die Prioritäten im Leben des jungen Vaters haben sich verschoben.

Acht Mal olympisches Gold wie 2008 in Peking wird Phelps in Rio nicht mehr gewinnen (können). Nur drei statt wie damals fünf Einzelstarts stehen vom 8. August an auf dem Plan. Maximal drei Staffel-Einsätze können hinzukommen. Unglaubliche 22 olympische Medaillen, davon 18 goldene, hat Phelps bei drei seiner vier Sommerspielen gewonnen - nur 2000 in Sydney schnupperte der US-Amerikaner als 15-Jähriger beim Wettkampf im Zeichen der Ringe erst einmal rein.

In Athen, Peking und London gab es für ihn dann eigentlich nur eins: Siege, Siege, Siege. Zwar war Phelps nie der Liebling der Massen, aber als solcher wurde er vor vier Jahren von den ergriffenen Fans im Londoner Aquatics Centre trotzdem mit minutenlangem Beifall verabschiedet.

Was danach kam, war das Gegenteil von Glanz und Gloria eines Sportgiganten. Nach all den Jahren des Leistungssports, in denen es für Phelps nur das Schwimmen gab, wusste er nicht wirklich etwas Sinnvolles mit seiner Zeit anzufangen. Die Alkohol- und Spielsucht endete in einer Fahrt mit 1,4 Promille bei überhöhter Geschwindigkeit. Die Festnahme, eine Verurteilung zur zweiten Bewährungsstrafe nach 2004 und eine Suchttherapie mit 45 Tagen in einer Entzugsklinik waren die Folge. Die Familie hat Phelps den Halt gegeben, der im Partyleben mit Kumpels und Golfrunden zwischendurch verloren gegangen war.

Phelps ist nicht der einzige Olympia-Protagonist mit Problemen nach der Sportkarriere. Australiens Schwimm-Idol Ian Thorpe berichtete wie Phelps von dunklen Stunden, gar Suizidgedanken. Die Leere nach dem Höhenflug brachte auch ihn zum zwischenzeitlichen Absturz. Aber jetzt, das betonte Phelps nach den schwierigen Therapietagen immer wieder, sei er ein ganz anderer Mensch.

Als solcher könnte er in einem Helden-Epos ein ganz großes Happy End erleben - wie es speziell US-Amerikaner so sehr lieben. Fall und Aufstieg eines Superhelden, der bei den Spielen in Rio de Janeiro die Chance hat, seine Plakettensammlung auf eine unerreichbare Zahl zu vergrößern. "Ich hätte schon gern noch eine, bevor ich meine Karriere beende", sagt Phelps, auch wenn seine letzte Bestzeit schon sieben Jahre zurückliegt. Aber für Phelps gelten ohnehin andere Maßstäbe.

Einen Rücktritt vom Rücktritt wie 2014 soll es nach Rio keinesfalls geben. Phelps wird die Zeit mit Sohn Boomer und seiner künftigen Ehefrau genießen. "Ich lebe ein freieres, glücklicheres Leben. Ich fühle nicht mehr, dass ich irgendwelche Lasten mit mir herumtrage. Das ist ein unglaubliches Gefühl", sagt Phelps, der nach den Spielen seine Verlobte Nicole Johnson heiraten wird.

Trainer Bob Bowman, mit dem er seit 20 Jahren zusammenarbeitet, bescheinigt seinem Schützling, "reifer, entspannter, beruhigter, friedvoller" geworden zu sein. Er sollte es wissen: Schließlich benannte Phelps seinen Sohn mit dem zweiten Vornamen nach seinem treuen Wegbegleiter.

Zum Thema:

Auf einen Blick Die zehn erfolgreichsten Olympioniken der Geschichte: 1. Michael Phelps (USA), Schwimmen (2000 bis 2012): 18 Gold , 2 Silber , 2 Bronze. 2. Larissa Latynina (UdSSR), Kunstturnen (1956 bis 1964): 9 Gold , 5 Silber , 4 Bronze. 3. Paavo Nurmi (Finnland), Leichtathletik (1920 bis 1928): 9 Gold , 3 Silber , keine Bronze. 4. Mark Spitz (USA), Schwimmen (1968 bis 1972): 9 Gold , 1 Silber , 1 Bronze. 5. Carl Lewis (USA), Leichtathletik (1984 bis 1996): 9 Gold , 1 Silber , keine Bronze. 6. Birgit Fischer (DDR/Deutschland), Kanu (1980 bis 2004): 8 Gold , 4 Silber , keine Bronze. 7. Sawao Kato (Japan), Kunstturnen (1968 bis 1976) und Jenny Thompson (USA), Schwimmen (1992 bis 2004): 8 Gold , 3 Silber , 1 Bronze. 9. Matt Biondi (USA), Schwimmen (1984 bis 1992): 8 Gold , 2 Silber , 1 Bronze. 10. Ray Ewry (USA), Leichtathletik (1900 bis 1908): 8 Gold , keine Silber , keine Bronze. sid

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