Ein deutsches Leicester

Leipzig · RB Leipzig übt sich auch nach dem erstmaligen Sprung an die Tabellenspitze der Fußball-Bundesliga in Zurückhaltung. Die Konkurrenz sieht die Sachsen jedoch bereits als einen Meisterschafts-Kandidaten.

 Das Leipziger Erfolgs-Duo: Sportdirektor Ralf Rangnick (links) und Trainer Ralph Hasenhüttl. Foto: becker/dpa

Das Leipziger Erfolgs-Duo: Sportdirektor Ralf Rangnick (links) und Trainer Ralph Hasenhüttl. Foto: becker/dpa

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Den großen FC Bayern haben sie überflügelt, Thomas Tuchel traut ihnen den ganz großen Coup zu, und das Selbstvertrauen wächst: Nach dem historischen ersten Sprung an die Tabellenspitze der Fußball-Bundesliga scheint bei RB Leipzig alles möglich. Auch wenn der Sensations-Aufsteiger die Euphorie noch bremst, rechnet die Konkurrenz im Kampf um die Meisterschaft fest mit den Sachsen.

"Letztes Jahr hatten wir das Phänomen Leicester City. Leipzig kann exakt den gleichen Weg gehen. Das ist meine Überzeugung, wenn ich sie spielen sehe", sagte Borussia Dortmunds Trainer Thomas Tuchel: "Das ist keine Eintagsfliege, sondern absolut ernst zu nehmen. Das ist absolut zu vergleichen mit dem, was letztes Jahr in England passiert ist."

Wie aus dem Nichts krönte sich Leicester im Vorjahr auf der Insel zum Champion. Leipzig schickt sich nun an, diesem Beispiel zu folgen. Durch das 3:2 (1:2) am Freitagabend bei Bayer Leverkusen und die Niederlage von Rekordmeister München bei Vizemeister Borussia Dortmund (0:1) hat das weiterhin ungeschlagene Team von Trainer Ralph Hasenhüttl nach elf Spieltagen 27 Punkte auf dem Konto, die Bayern (24) sind nur noch Zweiter.

RB steht als erster ostdeutscher Club seit Hansa Rostock 1991 ganz oben, zuvor hatten die Bayern saisonübergreifend 39 Spieltage und 425 Tage lang die Tabellenführung innegehabt. "Natürlich freut es mich und uns alle zusammen. Das ist schon eine besondere Leistung, die wir aber richtig einordnen können", sagte Hasenhüttl: "Es ist auch schön für die Liga, dass die Bayern seit vielen Jahren erstmals als Zweiter zu einem Auswärtsspiel reisen mussten, das tut der Liga gut."

Die Leipziger genießen ihre Siegesserie in vollen Zügen, heben dabei sehr zur Freude von Hasenhüttl und Sportdirektor Ralf Rangnick aber nicht ab. "Wir können nichts verlieren, sondern nur gewinnen. Dieser positive Stress führt dazu, dass die Mannschaft unglaublich cool ist", sagte Hasenhüttl. Beim Auslaufen am Samstag strahlten die Verantwortlichen um die Wette, vor allem Rangnick wirkte gelöst.

2008 mischte er mit Aufsteiger 1899 Hoffenheim bereits die Liga auf, wurde damals sogar Herbstmeister, ehe in der Rückrunde ein Negativlauf folgte. Kann Leipzig nun Hoffenheim übertrumpfen? "Das würde bedeuten, dass wir an Weihnachten und darüber hinaus noch Tabellenführer sind", sagte Rangnick. Doch noch vor Weihnachten kommt es zum ultimativen Kräftemessen: RB tritt am 21. Dezember bei den Bayern an. Doch so weit denkt in der sächsischen Metropole zumindest öffentlich noch niemand. Hasenhüttl fuhr bislang gut damit, sich immer nur mit der nächsten Aufgabe zu beschäftigen, aktuell ist es das Spiel am Freitag (20.30 Uhr) beim SC Freiburg .

Vor dem Duell in Leverkusen hatte der Österreicher dabei einen Vergleich zur Motivation bemüht. "Vor dem Spiel haben wir darüber gesprochen, dass wir ein Eisberg sind, und man sieht nur einen kleinen Teil davon", sagte der 49-Jährige: "Viel von unserem Potenzial war bisher noch nicht so sichtbar. In Leverkusen haben wir einiges davon gezeigt."

Denn RB siegte auch nach zweimaligem Rückstand. "Beeindruckend" fand Rangnick die Leistung: "Die Jungs wirken gefestigt." Und auch wenn Bayern-Torhüter Manuel Neuer im Kampf um die Meisterschaft weiter mit Dortmund als härtestem Gegner rechnet, ist die Liga gewarnt. "Ich glaube nicht, dass uns noch jemand unterschätzt", sagte RB-Kapitän Dominik Kaiser. Philipp Lahm kommentierte den Sturz vom Tabellen-Thron nach 14 Monaten mit ungewohntem Sarkasmus. "Das ist doch schön für die Liga. Das haben sich doch alle gewünscht", sagte der Kapitän des FC Bayern München nach dem 0:1 (0:1) in Dortmund.

Nur zwei Siege in den zurückliegenden sechs Spielen, die erste Bundesliga-Niederlage seit Anfang März - der Rekordmeister ist im Spätherbst 2016 in die Krise gerutscht. Mats Hummels mochte nach der missratenen Rückkehr nach Dortmund die Niederlage nicht überbewerten. "Es ist nicht gut, aber auch keine Katastrophe oder ein Weltuntergang", meinte Hummels, der beim entscheidenden Tor von Pierre-Emerick Aubameyang (11. Spielminute) keine glückliche Figur machte. Ausgerechnet sein früherer Mitspieler Mario Götze , der sein bestes Spiel seit seiner Rückkehr aus München im Sommer machte, hatte Hummels als Passgeber den Ball durch die Beine geschoben. Riesige Freude herrschte beim BVB. "Das ist ein absoluter Meilenstein. Es ist das Statement schlechthin, die Bayern zu schlagen", sagte Trainer Thomas Tuchel.

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