Ein Bild des Jammers

Brasília · In ihrem letzten Spiel zeigten die WM-Gastgeber statt leidenschaftlicher Wiedergutmachung eine konfuse Leistung und verloren gegen die Niederlande verdient mit 0:3 (0:2). Die Seleção ist am Boden.

Der verletzte Superstar Neymar starrte traurig ins Leere, Trainer Luiz Felipe Scolari saß wie ein Häufchen Elend auf der Bank: Die einst so ruhmreiche Seleção bot nur noch ein Bild des Jammers. Nach der zweiten Demütigung innerhalb von fünf Tagen verließen die brasilianischen Spieler unter Pfiffen und Buhrufen den Rasen des Estadio Nacional. Statt mit einem rauschenden Fest endete die WM für den Gastgeber mit einem fürchterlichen Kater.

"Wir müssen beim Volk um Entschuldigung bitten", sagte ein sichtlich mitgenommener Kapitän Thiago Silva nach der 0:3 (0:2)-Niederlage im Spiel um Platz drei in Brasília gegen die Niederlande. Außenverteidiger Maicon nannte die WM nach dem historischen 1:7 im Halbfinale gegen Deutschland und der bitteren Pleite am Samstag "eine Schande".

Scolari sollte den Rekordchampion zum sechsten Titel führen, jetzt liegt der brasilianische Fußball am Boden. "Erneut ein Fiasko", schrieb die Zeitung Folha, während Correio Braziliense titelte: "Die Fußball-Armut des Teams wurde einmal mehr deutlich."

Insgesamt 14 Gegentore hat die Seleção kassiert - so viele wie noch kein WM-Gastgeber zuvor. Die Offensive präsentierte sich nach Neymars Ausfall hilf- und harmlos. Zwei WM-Pleiten in Folge hatte es zudem zuletzt vor 40 Jahren in Deutschland gegeben. Angesichts dieser ernüchternden Bilanz scheint eine Trennung von Scolari die logische Konsequenz. Dieser legte sein Schicksal in die Hände des Verbandes. "Der Präsident", sagte der 65-Jährige, "muss die Entscheidung treffen." Das brasilianische Volk hat bereits entschieden. Schon vor der Partie gegen die Niederländer bedachten sie den Nationaltrainer mit einem Pfeifkonzert, nach dem Spiel folgten Beschimpfungen.

Nach den Gegentoren von Robin van Persie (3./Foulelfmeter), Daley Blind (17.) und Georginio Wijnaldum (90.+1) empfand Thiago Silva, der unmittelbar vor dem 0:1 nach einer Notbremse gegen Arjen Robben eigentlich vom Platz hätte gestellt werden müssen, nur noch "Frust". Die Trauer, betonte er, sei riesengroß: "Du musst jetzt nach Hause fahren und deiner Familie sagen, dass es nicht geklappt hat."

Neymar nahm gleich nach dem Spiel Abschied. Der 22-Jährige tauchte plötzlich in der Pressekonferenz auf und drückte Scolari herzlich. Ob es der Dank an einen scheidenden Trainer war? Diese Frage müssen nun die Verantwortlichen beantworten. Auch wenn Scolari herausstellte, dass man erstmals seit zwölf Jahren wieder zu den besten vier Mannschaften der Welt gehöre, war die WM ein böser Albtraum.

"Ein schreckliches Gefühl, das kann man gar nicht in Worten beschreiben", sagte Oscar, der einzige Brasilianer, der an einem tristen Abend für Lichtblicke sorgte. Der 22-Jährige vom FC Chelsea ist einer der Akteure, an die Scolari dachte, als er erklärte: "Die jungen Spieler haben sehr viel gelernt." Auch David Luiz richtete den Blick in der schweren Stunde voraus. "Wir müssen weitermachen, denn es kommen andere Gelegenheiten für uns", sagte der Innenverteidiger. Doch die Gelegenheit, sich im eigenen Land unsterblich zu machen, haben die Brasilianer kläglich verpasst. Torhüter Julio Cesar und Stürmer Fred, den viele Fans als Sündenbock auserkoren hatten, kündigten ihren Rückzug aus der Nationalmannschaft an. "Brasilien hat bewiesen, dass es fähig ist, eine wunderschöne WM zu organisieren", sagte der Wolfsburger Luiz Gustavo. Die Mannschaft war es nicht.

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