Ein außergewöhnliches Projekt - mit Risiken

Ottweiler. Boxunterricht im Knast? Sollte man verurteilten Straftätern wirklich beibringen, wie man "richtig" zuschlägt? Pascal Jenal, der Leiter der Justizvollzugsanstalt (JVA) Ottweiler, ist sich der Brisanz bewusst, die ein besonderes Projekt seiner Einrichtung aufwirft. Seit Oktober 2012 gibt es in der JVA Ottweiler eine Boxgruppe

Ottweiler. Boxunterricht im Knast? Sollte man verurteilten Straftätern wirklich beibringen, wie man "richtig" zuschlägt? Pascal Jenal, der Leiter der Justizvollzugsanstalt (JVA) Ottweiler, ist sich der Brisanz bewusst, die ein besonderes Projekt seiner Einrichtung aufwirft.Seit Oktober 2012 gibt es in der JVA Ottweiler eine Boxgruppe. Zwischen zehn und 20 jugendliche Häftlinge werden einmal pro Woche von Karl Heinz Neu trainiert. Er ist der Präsident der Saarländischen Box-Union und Abteilungsleiter Boxen des Projektpartners SSV Wellesweiler. Ein solches Projekt sei deutschlandweit einmalig, sagen beide.

"Wir haben hausintern viel diskutiert", erzählt Jenal, der sein Angebot nicht als falsch zu verstehende Weiterbildungsmaßnahme für verurteilte Schläger sieht. "Es ist schon ein Wagnis, so etwas zu probieren", meint er: "Es ist eine Frage der Abwägung. Man kann auch sagen, dass keiner von denen, die wegen Körperverletzungsdelikten hier einsitzen, vorher in einem Boxverein war." Auch würden nicht alle Insassen, die nicht in der Gruppe boxen, nach ihrer Freilassung garantiert nie wieder zuschlagen. "Das wäre zu einfach. Fakt ist, dass das Angebot viele hier erreicht. Vor allem, weil es mit ihrem Körper zu tun hat. Und das ist für Gefangene das Einzige, was ihnen wirklich noch selbst gehört", sagt Jenal und er ergänzt: "Wenn ein Teilnehmer hier mit Drohungen oder gar Übergriffen auffällt, fliegt er sofort aus der Gruppe. Es gibt auch keine zweite Chance, das weiß jeder."

Das bestätigt Remy. Der 22-Jährige sitzt insgesamt fünf Jahre wegen eines Überfall-Delikts - die Hälfte hat er schon hinter sich. "Es geht darum, es durchzuziehen, motiviert zu bleiben und alles sportlich zu sehen. Das ist etwas ganz anderes, als sich auf der Straße zu prügeln", meint er. Ein paar Kilo hat er in der Boxgruppe verloren und dafür innerliche Ruhe gefunden: "Wenn ich jemandem eine reinhauen will, brauche ich keinen Boxunterricht. Das hier hat viel mit Disziplin zu tun und ist nicht zu vergleichen. Vorher hat mir der Ausgleich gefehlt." Nach dem Training fühle er sich gelassener: "Die Energie ist weg, und man sieht manche Sachen ein bisschen anders." Dafür, dass die freigelassene Energie während der Trainingsstunde nicht in falsche Bahnen gerät, sorgt Karl Heinz Neu durch seine natürliche Autorität. Er war selbst jahrzehntelang im Strafvollzugsdienst tätig und genießt den Respekt der Gruppe.

Die Zusammenarbeit mit der JVA verfolgt der SSV Wellesweiler nicht ohne Eigennutz. "Wir konnten schon drei Leute fürs Vereinstraining gewinnen", sagt Neu. "Wir begrüßen die Anbindung an einen externen Verein sehr", findet auch JVA-Leiter Jenal: "Für uns ist es wichtig zu wissen, was draußen mit ihnen passiert. Herr Neu holt die Sträflinge selbst hier ab, und wir haben eine gewisse Gewähr, dass sie in guten Händen sind."

Diese Hände zeigen den Gefangenen nicht nur, wie man richtig boxt, sondern übertragen auch Verantwortung. "Ich habe schon so etwas wie Assistenztrainer, die das Aufwärmen übernehmen", sagt Neu. Ob das alles aber dazu führt, dass Einzelne das neue Wissen auch außerhalb eines Boxrings anwenden, weiß jetzt noch niemand. Ein ernst zu nehmendes Zwischenfazit des Projekt könne man laut Jenal erst in ein paar Jahren formulieren. zen

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