Ein Abschied ohne Wehmut

Saarbrücken · Er war deutscher Meister in der Halle und im Freien, WM- und Olympia-Teilnehmer. An diesem Wochenende ist allerdings Schluss mit Leistungssport. Sprinter Simon Kirch verabschiedet sich von der Leichtathletik.

"Wenn der Hund einmal geschnallt hat, dass es kein echter Hase ist, dem er hinterher rennt, läuft er auch nicht mehr", sagt Simon Kirch und muss lachen. Seit drei Wochen ist sich der Sprinter sicher: Die Leichtathletik-Saarlandmeisterschaften in St. Wendel an diesem Wochenende werden definitiv sein letzter Auftritt auf der Tartanbahn sein.

"Es ist nicht so, dass ich lustlos wäre, aber ich habe schon mit einer gewissen Müdigkeit zu kämpfen", gibt der 33-Jährige zu, "für die 400 Meter fehlt mir außerdem die Schärfe." So ist es keine Überraschung, dass der 400-Meter-Spezialist in St. Wendel nur über 100 und 200 Metern starten wird. "Die 400 Meter sind purer Stress", sagt Kirch. Denn die Energieversorgung im Muskel ist beim Sprint nach etwa 200 Metern aufgebraucht. Trotzdem muss er die Geschwindigkeit aufrecht erhalten, was zu einer extremen Übersäuerung der Muskulatur führt. Deshalb sind die 400 Meter eine solche Qual. "Das bedeutet einfach nur extreme Schmerzen", sagt Kirch.

Dafür muss man schon verrückt sein. Und Simon Kirch ist verrückt. "Er hatte das, was ich bei manch anderen Athleten heute vermisse: er war nie brav", sagt etwa Werner Klein, Bundestrainer der Hindernisläufer, über den Athleten des SV schlau.com Saar 05. Dessen ist sich auch Kirch durchaus bewusst. "Ich bin vom Charakter her schwierig, da ich extrem introvertiert bin", erklärt er und muss selbst schmunzeln: "Ich bin dann eben auch mal explodiert und habe mich mit fast allen angelegt."

Auf der anderen Seite hat ihn gerade diese Einstellung erst so weit gebracht. Deutsche Meistertitel in der Halle und im Freien, eine Finalteilnahme bei der Weltmeisterschaft mit der 4x400-Meter-Staffel, Olympiateilnahme 2008. Für ihn liegt auch das schon weit zurück. "Über den Punkt einer Bewertung meiner Karriere bin ich schon hinaus", erklärt Kirch, "alles ist gut so, nicht unbedingt, was ich daraus gemacht habe, sondern einfach, dass es passiert ist."

Es ist ein Abschied ohne Wehmut, Reue, Frust oder Verbitterung. Simon Kirch ist schon allein wegen seines Jobs im Justizministerium weit weg vom Leistungssport. "Das passt einfach zeitlich nicht mehr", sagt er und wirkt irgendwie erleichtert: "Ich freue mich auf ein Leben ohne den Sport." Trotzdem ist er froh, dass er nach 20 Jahren Leistungssport im Saarland auch hier einen vernünftigen Abschluss machen kann. "Es ist umso schöner, dass sich der Kreis in St. Wendel schließt", sagt Kirch, der seine Karriere beim TV Bliesen begann. "Da Freundin und Eltern dort sein werden, wird es wie ein Familienausflug", sagt er zufrieden. Ein paar Meter noch, ohne das Gefühl zu haben, einem Hasen hinterher zu rennen.

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Auf einen BlickDer Saarländische Leichtathletik-Bund veranstaltet gemeinsam mit dem TV St. Wendel an diesem Samstag und Sonntag im Sportzentrum St. Wendel die Landesmeisterschaften für Aktive sowie die Altersklassen U20 und U18 sowie die Langstaffelmeisterschaften U14 und die Hammerwurfmeisterschaften U16/U14. Am Samstag beginnen die Wettbewerbe um 15 Uhr, am Sonntag um 11 Uhr. Der derzeit beste saarländische Leichtathlet, Weltklasse-Weitspringer Christian Reif vom LC Rehlingen, wird nicht am Start sein. Er ist am Samstag beim internationalen Meeting in Hengelo (Niederlande). red

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