„Eigentlich bin ich zu alt für sowas“

Montréal · Im WM-Viertelfinale waren die Französinnen die bessere Mannschaft, keine Frage. Aber die deutsche Nationalmannschaft hat Nadine Angerer im Tor – und die 36-Jährige wurde zum entscheidenden Faktor.

Nachdem die Elfmeter-Killerin vom Dienst wieder mal die deutsche Mannschaft gerettet hatte, gab es kein Halten mehr. Die ausgepumpten Mitspielerinnen stürmten mit letzter Kraft auf Spielführerin Nadine Angerer zu, selbst Bundestrainerin Silvia Neid rannte im Vollsprint über den Kunstrasen von Montréal , um sich ihrer Heldin in die Arme zu werfen. "Eigentlich bin ich zu alt für sowas", stöhnte die 36-jährige Torhüterin nach dem 5:4 im WM-Viertelfinale gegen Frankreich. Vollgepumpt mit Adrenalin, steckte Angerer nach dem abgewendeten vorzeitigen Ende ihrer Karriere im DFB-Trikot im Gefühlschaos: "Ich habe mich total gefreut, gleichzeitig aber auch total leer gefühlt. Trotz Happy End muss man so ein Spiel erst mal sacken lassen."

Nachdem fünf deutsche und vier französische Schützinnen vom Punkt getroffen hatten, witterte Angerer, die nach der WM ihre Nationalmannschaftskarriere beenden wird, bei Claire Lavogez (21) ihre Chance. "Ich hatte das Gefühl, dass sie Angst hatte, sagte Angerer: "Der Rest war mehr Intuition." Den halbhohen Schuss wehrte sie mit dem Knie ab - Halbfinale. Es ist in großen Spielen die Spezialität der Weltfußballerin von 2013: Im WM-Finale 2007 parierte Angerer einen Strafstoß von Brasiliens Starspielerin Marta, im EM-Endspiel vor zwei Jahren gegen Norwegen entschärfte sie zwei Elfmeter aus dem Spiel heraus.

Celia Sasic verriet: "Natze hat vor dem Spiel gesagt: Wir dürfen auf keinen Fall nach Hause fahren, weil ihr Shampoo noch nicht leer ist." Für zwei Spiele reicht das Waschmittel noch - nächste Hürde ist in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch deutscher Zeit (1 Uhr/ARD und Eurosport) erneut in der skurrilen Atmosphäre des überdachten Olympiastadions die USA, die China 1:0 (0:0) besiegte. "Unsere Aufgabe wird nicht einfacher. Aber wir gehören zu den besten vier Teams der Welt, das tut sehr gut. Vielleicht geht noch was", sagte Neid.

Dass der deutsche Titeltraum trotz der spielerisch und taktischen Überlegenheit Frankreichs weiterlebt, daran hatte auch Celia Sasic mit ihrer Nervenstärke großen Anteil. Die Torjägerin verwandelte nach dem Rückstand durch Louisa Necib (64.) eiskalt einen Handelfmeter (84.). "Kopf aus, Ball rein", lautet die Devise der Halbfranzösin, die gleich doppelten Grund zum Anstoßen hatte. Nach dem Spiel bat sie im Team-Hotel noch zum Reinfeiern in ihren 27. Geburtstag.

Dzsenifer Marozsan stand da der Sinn wohl mehr nach Schmerzmitteln. Als die Mannschaft nach dem Abpfiff der Verlängerung Schützinnen suchte, lag die nach 45 Minuten eingewechselte 23-Jährige verletzt auf der anderen Seite des Feldes. Da sich nur vier Spielerinnen meldeten, forderte die Bundestrainerin Lena Goeßling auf: "Frag sie mal!" Obwohl sie gerade mit ihrem ohnehin nach einer Bänderdehnung lädierten linken Fuß umgeknickt war, gab die ehemalige Saarbrückerin grünes Licht und verwandelte sicher. "Mich hätte niemand fragen müssen. Ich habe keine Angst", sagte Marozsan, bevor sie an den weinenden Französinnen vorbei Richtung Mannschaftsbus humpelte.

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Auf Einen BlickTitelverteidiger Japan und England bestreiten bei der Frauenfußball-WM das zweite Halbfinale. Die Asiatinnen gewannen das Viertelfinale gegen Australien 1:0 (0:0), anschließend beendeten die Three Lionesses mit einem 2:1 (2:1) die Finalträume der Gastgeber. Japan kämpft nun in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag, unserer Zeit um 1 Uhr gegen England um den Finaleinzug. sid

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