Dunkle Schatten über der EM

Warschau. Straßenschlachten, rechtsradikale Parolen und fast 200 Festnahmen - der EM-Albtraum ist wahr geworden. Die Gewaltexzesse rund um das brisante Hochsicherheitsspiel zwischen Gastgeber Polen und Russland (1:1) haben einen dunklen Schatten auf das europäische Fußball-Fest geworfen

Warschau. Straßenschlachten, rechtsradikale Parolen und fast 200 Festnahmen - der EM-Albtraum ist wahr geworden. Die Gewaltexzesse rund um das brisante Hochsicherheitsspiel zwischen Gastgeber Polen und Russland (1:1) haben einen dunklen Schatten auf das europäische Fußball-Fest geworfen. Bei den gewalttätigen Ausschreitungen am Dienstagabend in der Warschauer Innenstadt und in der Nähe des Nationalstadions wurden über 180 Personen verletzt, darunter zehn Polizisten. Selbst die mehr als 6000 Einsatzkräfte konnten die polnisch-russische Konfrontation nicht verhindern. Bis zum frühen Mittwochmorgen wurden 184 Hooligans festgenommen."Das war der schwierigste Tag der EM", erklärte Polens Innenminister Jacek Cichocki. Außenminister Radoslaw Sikorski suchte am Mittwoch Staatspräsident Bronislaw Komorowski auf, um die Lage nach den Zusammenstößen zu erörtern. Regierungssprecher Pawel Gras erklärte im polnischen Rundfunksender RFM, weitere Festnahmen seien wahrscheinlich: "Die Gewalttäter sollen nicht glauben, dass sie ruhig schlafen können."

Die Mehrheit der Festgenommenen, etwa 150 Gewalttäter, waren Polen, die teils vermummt, mit Feuerwerkskörpern, Steinen und anderen Wurfgeschossen Jagd auf russische Fans machten. Viele von ihnen waren auf brutale Schlägereien vorbereitet und trugen bei der Festnahme beispielsweise einen Mundschutz für ihre Zähne, sagte der Warschauer Polizeisprecher Maciej Karczynski. "Ich schäme mich für diese Leute", kommentierte Sportministerin Joanna Mucha, "sie sollen uns nicht dieses Fest verderben".

"In der Hauptstadt wurde das Sportfest zusammengeschlagen", titelte das polnische Boulevardblatt "Fakt". Die russische Zeitung "Sowjetski Sport" schrieb vom "Krieg auf der Straße und Frieden auf dem Feld." Tatsächlich wurde die sportlich ansprechende Partie zwischen den Erzrivalen von den befürchteten Krawallen überlagert. Allein schon der Termin der Partie war sensibel. Die Russen feierten rund um das Spiel ihren Unabhängigkeitstag. Mehrere tausend russische Fans marschierten in einem geschlossenen Block am Dienstagnachmittag Richtung Stadion. Kleine Hooligan-Gruppen lauerten an der Wegstrecke den Russen auf, beschimpften sie und versuchten, durch das Polizeiaufgebot zu brechen. Auch Gruppen russischer Hooligans gelangten durch die Polizeiabsperrungen, um sich mit polnischen Gewalttätern zu prügeln. Die Polizei musste Wasserwerfer und Tränengas einsetzen.

Das Verhältnis beider Staaten ist historisch belastet. Bis heute halten sich Verschwörungstheorien über den Absturz der polnischen Präsidentenmaschine über dem russischen Smolensk am 10. April 2010. Fünf Prozent der Polen sind von einem russischen Mordkomplott gegen Präsident Lech Kaczynski überzeugt. Die Erschießung von 22 000 Polen 1940 in der westrussischen Region Katyn und weiteren Orten erschwert das bilaterale Verhältnis seit Jahrzehnten. dpa

Nach dem Fehlverhalten von Fans beim EM-Auftaktsieg gegen Tschechien (4:1) hat die Uefa Russland hart bestraft. Der Verband RFS muss den Abzug von sechs Punkten in der Qualifikation zur EM 2016 fürchten. Die Strafe wurde zur Bewährung bis zum Ende der Qualifikation ausgesetzt. Zudem muss Russland 120 000 Euro Geldstrafe zahlen.

"Krieg auf der

Straße, Frieden

auf dem Feld."

Die russische Zeitung

"Sowjetski Sport"

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort