Doping: Russland spricht von Einzelfällen

Köln · Die vielen Doping-Fälle mit dem Mittel Meldonium sorgen für Aufregung und treiben Russland mit Blick auf die Olympischen Spiele in die Enge. Doch die Sportnation spielt alles runter. Und das IOC hält sich zurück und will abwarten.

Tennis-Profi Maria Scharapowa , Eisschnelllauf-Weltmeisters Pawel Kulischnikow, Shorttrack-Olympiasieger Semjon Jelistratow, Volleyball-Nationalspieler Alexander Markin - jeden Tag wird die Liste der russischen Spitzensportler länger, die mit dem seit Jahresanfang verbotenen Präparat Meldonium gedopt haben sollen. Zehn Namen sind bislang bekannt. Doch die Sportnation spielt alles herunter, obwohl bereits flächendeckendes Doping in der russischen Leichtathletik bekannt ist. "Die Situation sollte nicht so dargestellt werden, dass ein Schatten auf den russischen Sport geworfen wird, auf die großartigen Leistungen unserer Athleten", sagte Dimitri Peskow, Sprecher von Staatschef Wladimir Putin: "Wir sprechen über einzelne Athleten, Einzelfälle." Alexej Krawtsow, Präsident des russischen Eislauf-Verbandes, forderte Freisprüche für betroffene Athleten, da "die Wahrscheinlichkeit eines Laborfehlers besteht". Sportminister Witali Mutko verneinte ein systematisches Problem im russischen Sport: "Jede Situation, die aufgetreten ist, ist individuell." Man habe jetzt "kein Recht, einen Kommentar abzugeben".

Laut Alfons Hörmann, Präsident des Deutschen Olympischen Sport-Bundes (DOSB), sind die Fälle ein "weiterer schwerer Rückschlag und kein gutes Zeichen für den internationalen Kampf gegen Doping ". Sollten die Ermittlungen eine Systematik bestätigen, würde sich die Diskussion über die Teilnahme der russischen Leichtathleten an den Olympischen Spiele in Rio "verständlicherweise ausweiten". Klar sei, dass die Dinge im Sinne der Chancengleichheit aller Athletinnen und Athleten geregelt sein müssen". Diese sei derzeit "offenkundig nicht gegeben".

"Wir warten die Ergebnisse ab"

Doch das Internationale Olympische Komitee (IOC) und dessen Präsident Thomas Bach halten sich zurück. "Der Fall Scharapowa liegt in der Hand des Tennis-Weltverbandes, wir warten dessen Untersuchungsergebnis ab", sagte Bach. Der Leichtathletik-Weltverband und die Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) würden die Vorwürfe gegen Russland untersuchen, "auch da warten wir die Ergebnisse ab". Die Wada wird am 5. April eine Einschätzung über die Anti-Doping-Agenturen umstrittener Länder wie Russland oder Kenia abgeben. Der Wada-Vorstand befasst sich am 12. Mai mit dem Sachverhalt und gibt eine Empfehlung ab.

Bach hatte mehrmals "Fortschritte der russischen Anti-Doping-Bemühungen" gelobt. Im Januar ließ der IOC-Präsident, der gute Kontakte zu Putin pflegt, durchblicken, dass er kein Freund flächendeckender Bestrafungen ist: "Wir müssen die sauberen Athleten schützen. Das heißt auch, dass wir sie vor dem Generalverdacht schützen müssen." Bei einer Anti-Doping-Konferenz in London fanden Experten klarere Worte zur Situation in Russland. Vor allem der frühere Wada-Chef Dick Pound. Dessen Kommission hatte schwere Missstände in Russland aufgedeckt. Was dort stattfinde, sei nicht mehr als "eine Neuanordnung der Liegestühle auf dem Deck der Titanic". Er betonte, die Problematik sei nicht auf Russland beschränkt: "Der komplette Sport ist bedroht. Wenn seine Integrität kontinuierlich untergraben wird, werden sich die Leute abwenden." Wada-Präsident Craig Reedie forderte mehr Geld für den Anti-Doping-Kampf, wenn "seriöse Untersuchungen zur Norm werden sollen. Wir wollen ein gesundes Sportumfeld schaffen, in dem Doping keine Option mehr ist".

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