Doping-Beichte lässt Fragen offen

Los Angeles · Absicht oder Nachlässigkeit? Der positive Dopingtest der Russin Maria Scharapowa bei den Australian Open im Januar in Melbourne hat die Tennis- und Sport-Welt in eine Schockstarre versetzt.

Die Sportwelt reagiert geschockt, Top-Sponsoren ziehen sich zurück, und der gefallene Tennis-Superstar Maria Scharapowa taucht erstmal ab: Nach ihrer Doping-Beichte in der Nacht zu Dienstag steht die Russin vor dem Scherbenhaufen ihrer Karriere und hinterlässt viele Fragen. Spekuliert wird über ein mögliches Karriere-Ende der bestverdienenden Sportlerin der Welt, über die Länge ihrer Sperre und den Wahrheitsgehalt ihrer Aussage in einem Hotel in Los Angeles .

Für den Dopingexperten Fritz Sörgel ist eine Sperre Scharapowas wegen Meldonium-Missbrauchs von "mindestens zwei Jahren" unumgänglich. Der Anwalt der fünfmaligen Major-Siegerin, John Haggerty, rechnet im schlimmsten Fall sogar mit einer "Sperre von vier Jahren". Allerdings sei auch eine Straffreiheit "wegen mildernder Umstände" möglich. Auf die Öffnung der B-Probe verzichtet die bei den Australian Open im Januar überführte Scharapowa, die ab 12. März gesperrt sein wird.

Auch die Aussage der 28-Jährigen, dass sie die erst seit dem 1. Januar 2016 auf der Doping-Liste stehende Substanz bereits seit zehn Jahren aus gesundheitlichen Gründen konsumiere, sei nach Meinung von Experte Sörgel keine Entschuldigung. "Ich könnte mir keine Konstellation vorstellen, dass sie nicht mindestens zwei Jahre gesperrt wird. Das würde auch international überhaupt nicht akzeptiert werden", sagt der Mediziner: "Es ist ein weißer Sport, aber noch nie übertrieben anständig, was den Bereich Doping anbetrifft."

Das Präparat Mildronat mit dem Wirkstoff Meldonium werde laut Dopingforscher Mario Thevis von der Deutschen Sporthochschule Köln "bei Herzerkrankungen, Infarkten und Diabetes" eingenommen. "Die positiven Effekte des Wirkstoffs sind eine höhere physische und mentale Belastbarkeit sowie eine schnellere Regeneration", sagte Thevis.

Scharapowa ist bereits der siebte Profi in diesem Jahr, der positiv auf die in Deutschland nicht als Arzneimittel zugelassene Substanz getestet wurde. Vor ihr waren unter anderem ihre Landsleute Eduard Worganow (Radsport) und Jekaterina Bobrowa (Eiskunstlauf) erwischt worden.

Die Tennis-Diva berichtet, dass es in ihrer Familie Diabetes-Fälle gebe und sie wegen ihrer Grippe-Anfälligkeit seit 2006 auf das Medikament zurückgegriffen habe. "Ich habe auch ein Defizit an Magnesium und hatte irreguläre EKG-Ergebnisse", sagt Scharapowa, die Chefin der Süßwarenlinie "Sugarpova" ist. Der Chef-Kardiologe der Cleveland Clinic, Steven Nissen, erklärt in der "New York Times" aber: "Bei keinem Krankheitsbild wird Meldonium jungen Athleten als Medikament verordnet."

Die Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) hatte die Verbände und nationalen Anti-Doping-Agenturen bereits Mitte September 2015 über die Änderungen der Dopingliste informiert, der Tennis-Weltverband ITF schickte seinen Profis Ende Dezember 2015 eine entsprechende Mail. "Ich habe nicht draufgeschaut. Es war ein großer Fehler", sagt Scharapowa.

Der aus Sibirien stammenden Scharapowa, die allein im Jahr 2015 laut Forbes-Liste 29 Millionen US-Dollar (davon 22 durch Werbung) einstrich, geht es nun auch ans Geld. Der US-Sportartikelriese Nike und der Stuttgarter Sportwagenhersteller Porsche setzen vorerst ihre millionenschweren Verträge mit Scharapowa aus. Der Schweizer Uhrenhersteller TAG Heuer erklärte, dass der auslaufende Kontrakt nicht mehr verlängert werde.

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