Turnen Die Weltmeisterin meldet sich zurück

Chemnitz · Nach halbjähriger Wettkampfpause geht Pauline Schäfer am Samstag wieder an die Geräte. Ziel ist die EM-Qualifikation in Glasgow.

 Am Samstag sind in Chemnitz sicher alle Augen auf Pauline Schäfer gerichtet. Bei der EM-Qualifikation feiert die Saarländerin nach halbjähriger Wettkampfpause ihre Rückkehr.

Am Samstag sind in Chemnitz sicher alle Augen auf Pauline Schäfer gerichtet. Bei der EM-Qualifikation feiert die Saarländerin nach halbjähriger Wettkampfpause ihre Rückkehr.

Foto: dpa/Paul Chiasson

Fußball? Nein, danke! Ein Fan des runden Leders ist sie nicht. Die WM in Russland läuft an Pauline Schäfer vorbei. Die Weltmeisterin am Schwebebalken hat Wichtigeres zu tun. Mit der Elite im deutschen Frauenturnen tritt sie am morgigen Samstag in Chemnitz beim ersten Qualifikationswettkampf für die Europameisterschaft in Glasgow (2. bis 12. August) an. Die 21-jährige Saarländerin nutzt jede Trainingsminute und verschwendet keine Zeit. Oder doch? „Das Spiel der Nationalmannschaft gegen Mexiko habe ich gesehen. Das hat mir gereicht“, gesteht Schäfer am Dienstagnachmittag und stöhnt. Sie komme gerade vom Physiotherapeuten und sei schon wieder auf dem Weg in die Halle, verrät die Nationalturnerin am Handy. Acht Stunden täglich trainiert sie am Leistungszentrum Chemnitz.

„Anfang des Jahres habe ich neue Elemente einstudiert. Vor fünf Wochen begann das Training der kompletten Übungen“, erzählt sie. Am Stufenbarren habe sie den Ablauf der Elemente modifiziert, am Boden die Akrobatik-Reihen verändert, sagt die deutsche Meisterin an diesem Gerät. Am Sprung bleibt alles beim Alten. Dafür erhöht sich am Schwebebalken der Ausgangswert um mehrere Zehntel. Die neue Trumpfkarte am Paradegerät hebt sich Schäfer aber bis zur WM in Doha (25. Oktober bis 3. November) auf. „Zum Schäfer-Salto baue ich noch einen Flickflack-Streck-Salto in die Übung ein. Das bringt zusätzlich Punkte – wenn alles klappt.“ Zwei Wochen vor der ersten EM-Quali habe sie gemerkt, dass die Zeit knapp wird. „Es läuft aber alles nach Plan, und bis August ist es ja noch etwas hin“, konstatiert Schäfer zufrieden.

Ihre Form stimmt. Was fehlt, ist Wettkampfpraxis. Seit dem Finale der Deutschen Turnliga (DTL) im Dezember hat die gebürtige Bierbacherin an keinem Wettbewerb mehr teilgenommen. Die Weltcup-Serie ließ sie aus. „Das hatte ich mit Trainerin Gabi Frehse so geplant“, betont sie. Nach ihrem Gold-Märchen bei der WM in Montréal im Oktober 2017 rückte der Sport in den Hintergrund. Ein mehrmonatiger Medien- und Ehrungs-Marathon begann. „Es war cool, das alles zu erleben. Ich bin aber froh, dass sich der Trubel gelegt hat und ich wieder fokussiert trainieren kann“, sagt Schäfer, die an der Abendschule nebenbei ihr Abitur macht. Drei Mal die Woche drückt sie bis 22 Uhr die Schulbank. „Das strengt an, aber ich kriege alles unter einen Hut.“ Heute habe sie eine Arbeit über organische Chemie geschrieben. Mathe liege ihr mehr. Aktuelles Thema: Stochastik. Hier geht es um Wahrscheinlichkeitsrechnung und Prognosen. Dass Deutschlands Vorzeigeturnerin am Samstag das EM-Ticket lösen wird, gilt als extrem wahrscheinlich. Trotzdem muss sie Leistung bringen.

Dies gilt auch für Trainingspartnerin Sophie Scheder. Mit der lange verletzten Olympiadritten am Stufenbarren feiert Schäfer in Chemnitz ein Doppel-Comeback. Ausrichter des Turniers ist der TuS Chemnitz-Altendorf, Trainerin Frehse die Orga-Chefin. Ein Heimspiel? „Das wäre es nur, wenn der Wettkampf im Saarland stattfände. Es ist mein zweites Heimspiel. Ich freue mich riesig“, sagt die Wahl-Sächsin. Schwester Helene, die ebenfalls im Chemnitzer Leistungszentrum lebt und trainiert, nimmt nicht teil. Die 17-Jährige wird der großen Schwester vor Ort die Daumen drücken. „Helene ist nicht ganz so weit, aber das dauert nicht mehr lange“, weiß Pauline Schäfer.

Glasgow sei für sie ein besonderer Ort, sinniert der Turn-Star. Mit WM-Bronze am Schwebebalken sorgte Schäfer dort im November 2015 weltweit für Furore. Plötzlich kannten alle ihren Namen. „Hier begann die internationale Karriere“, sagt die Saarsportlerin des Jahres 2018. Ob sie in Glasgow diesmal Mehrkampf oder nur einzelne Geräte turnt, weiß sie noch nicht. „Das hängt von den Konstellationen im Nationalteam ab“, sagt die Soldatin der Bundeswehr-Sportfördergruppe und schaut auf ein ereignisreiches zweites Halbjahr. Nach der EM ist vor der WM, wo es im Oktober um erste Qualifikationspunkte für die Heim-WM in Stuttgart 2019 und die Olympischen Spiele 2020 in Tokio geht. Schließlich hat Schäfer in Doha einen Titel zu verteidigen. Dafür trainiert sie hart. „Turne ich sauber durch, habe ich gute Chancen“, verkündet sie selbstbewusst.

Apropos Titelverteidigung: Unseren jüngst enttäuschenden Nationalkickern wünscht sie am Samstag gegen Schweden viel Glück. Die stochastische Prognose der sonst eher zuversichtlichen Saarländerin verheißt dagegen nichts Gutes: „Es überwiegt die Skepsis. Ich weiß nicht, ob das klappt.“

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