Die Vorfreude steigt stündlich

Warschau. Noch liegt ein Gefühl freudvoller Gelassenheit über den Straßen von Polens Hauptstadt. Internationale Fanhorden, die die Flaniermeilen auf dem linken Weichselufer fluten, sind nicht zu sehen. Die Warschauer sind bisher ziemlich alleine mit ihrer EM, die heute mit der Partie der Polen gegen Griechenland eröffnet wird (18 Uhr/ARD)

 Mit Lukasz Piszczek, Robert Lewandowski und Kapitän Jakub Blaszczykowski (von links) verfügt Polen über eine starke Achse, die mit Borussia Dortmund Meister und Pokalsieger wurde. Foto: Ciereszko/dpa

Mit Lukasz Piszczek, Robert Lewandowski und Kapitän Jakub Blaszczykowski (von links) verfügt Polen über eine starke Achse, die mit Borussia Dortmund Meister und Pokalsieger wurde. Foto: Ciereszko/dpa

Warschau. Noch liegt ein Gefühl freudvoller Gelassenheit über den Straßen von Polens Hauptstadt. Internationale Fanhorden, die die Flaniermeilen auf dem linken Weichselufer fluten, sind nicht zu sehen. Die Warschauer sind bisher ziemlich alleine mit ihrer EM, die heute mit der Partie der Polen gegen Griechenland eröffnet wird (18 Uhr/ARD). Überall werden letzte Handgriffe erledigt, am Stadion müssen noch ein paar Wege asphaltiert werden, Schaufenster, Straßenzüge und Autos sind geschmückt. Hektisch geht es aber nirgends zu. Am Mittwoch hat Ministerpräsident Donald Tusk spontan hat auf einen Kaffee bei der Mannschaft vorbeigeschaut, die Spannung steigt sanft. Jedenfalls in der Bevölkerung.Die Protagonisten des größten Sportereignisses, das jemals in Polen stattfand, die sind hingegen längst erfasst vom Turnierfieber. "Ich kann es kaum erwarten", berichtet etwa Maciej Rybus. Der polnische Mittelfeldspieler sitzt auf einem Podium der Halle unter dem Stadion des Erstligisten Polonia Warschau, einen Steinwurf von der Altstadt entfernt. Hier wird zum täglichen Gedankenaustausch mit Journalisten geladen, und die Mannschaft gibt sich erstaunlich zugänglich. Anders als bei den Deutschen werden nach dem offiziellen Teil Gesprächsrunden im kleinen Kreis angeboten, man versucht, modern und offen zu wirken. Wohl auch, um sich von den ukrainischen Co-Gastgebern zu unterscheiden.

Die Polen hoffen, dass der fröhlichere, der unpolitischere Teil dieser EM bei ihnen stattfinden wird. Die Hooligans, das vermeintlich größte EM-Problem des kleineren der beiden Gastgeber-Länder, ist in den Augen der meisten Experten kontrollierbar. Und wenn das stimmt, könnten tatsächlich herrliche Feste an den Stränden der Weichsel unweit des Nationalstadions gefeiert werden. "Ich glaube, die nächsten Wochen werden überragend für ganz Polen", sagt Robert Lewandowski, der Stürmer von Borussia Dortmund.

Das hat natürlich auch damit zu tun, dass die Polen sich tatsächlich ein bisschen befreien konnte aus den Fesseln der Negativ-Schlagzeilen, die in den vergangenen Monaten überall zu lesen waren. Zwar gibt es die finsteren Geschichten über rassistische Tendenzen im Fußball-Publikum, über Fangewalt und korrupte Funktionäre. "Was in letzter Zeit in unserem Verband passiert ist, ist nicht gut", sagt Kapitän Jakub Blaszczykowski, "wir haben da viele Probleme." Jetzt, wo das Turnier beginnt und die Situation in der Ukraine immer angespannter wird, will das Land aber unbedingt seine Chance nutzen, ein Stück näher heranzurücken an die wohlhabenden Nationen Mitteleuropas, vor allem emotional. "Ich weiß, dass während der EM alles gut wird", sagt Blaszczykowski.

Ein sportlich erfolgreicher Verlauf würde da natürlich sehr helfen. Obwohl die Nation noch nie ein EM-Spiel gewinnen konnte, glauben 44 Prozent der Polen, dass die Mannschaft die Vorrunde überstehen wird. Schon ein Unentschieden gegen die Griechen zum Auftakt würde die Zuversicht wohl massiv beschädigen, "Ich glaube, das wird unser wichtigstes Spiel, eine Art kleines Finale", sagt Blaszczykowski, der stolz ist, diese Mannschaft als Kapitän führen zu dürfen.

Die Dortmunder Erfolgsachse mit Blaszczykowski, Lewandowski und Lukasz Piszczek bildet ein starkes Gerüst. Die Griechen wären glücklich über derart großartige Fußballer, die auch noch die Energie einer Erfolgssaison mit Meisterschaft und DFB-Pokalsieg in sich tragen. Wenn jetzt auch noch der aus Deutschland bekannte Sommermärchenzauber hinzukommt, ist es sicher bald vorbei mit der Ruhe auf den Straßen Warschaus.

Hintergrund

Mit einer 20-minütigen Zeremonie wird heute vor dem ersten Spiel zwischen Polen und Griechenland im Nationalstadion in Warschau die 14. Fußball-EM eröffnet (17 Uhr/ARD). Mehr als 800 Helfer und Freiwillige aus 63 Ländern sollen für eine bunte Show auf dem Rasen sorgen. Entworfen wurde das Konzept vom italienischen Produzenten Marco Balich, der auch für die Eröffnungs- und Schlussfeier der Olympischen Winterspiele 2006 in Turin verantwortlich war. Das Programm soll Elemente des Sports und der Kultur mit den Werten Einheit, Wettkampf und Leidenschaft verbinden. Die Eröffnungsfeier und das Auftaktspiel werden im TV 150 Millionen Zuschauer verfolgen. dapd

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