Die verlorenen Söhne Barcelonas

Barcelona · „Barcelona ist mein Leben.“ Allein dieser Satz von Bayern-Trainer Pep Guardiola drückt die ganze Tragweite des Königsklassen-Duells aus. Das Champions-League-Halbfinale beim FC Barcelona heute ist für ihn – aber auch für Thiago – eine Reise in die Vergangenheit.

Einst war der kleine Josep Balljunge im Camp Nou des FC Barcelona , später erfolgreicher Profi und als Cheftrainer schließlich der Architekt einer der besten Mannschaften der Fußball-Geschichte. Eines Ensembles, das als Inbegriff des schönen Fußballs galt. Es wird für Pep Guardiola also in jeder Hinsicht eine ganz besondere Geschichte, wenn er heute (20.45 Uhr/ ZDF ) als Trainer mit dem FC Bayern zum Champions-League-Halbfinale an alter Wirkungsstätte antritt. "Es ist meine erste Rückkehr nach Barcelona, meinem Zuhause. Natürlich ist es speziell für mich", gestand der 44-Jährige. Auf der Pressekonferenz gestern fügte er hinzu: "Der FC Barcelona war alles in meinem Leben, aber ich bin hier, um zu gewinnen."

22 Jahre spielte und arbeitete er bei Barça, war dort Kapitän und mit 14 Titeln der erfolgreichste Trainer der Vereinshistorie. Noch heute ist er Volksheld. Als er im März bei einem Ligaspiel im Stadion saß, erhoben sich die Leute ehrfürchtig zu Ovationen. Doch Guardiola will sich von jeglichen Sentimentalitäten frei machen, auch wenn er natürlich im Mittelpunkt steht. Auf ihn stürzen sich alle. Denn ihm trauen sie in der alten Heimat auch heute noch alles zu. Trotz aller Verletzungssorgen der Bayern warnt etwa Barças Mittelfeld-Stratege Andrés Iniesta : "Gegen ein Team mit Guardiola als Trainer gibt es eigentlich kein gutes Ausgangsergebnis. Denn für Guardiola ist alles möglich." Der Bayern-Trainer meinte dennoch vor dem Abflug gestern Mittag vorsichtig: "Barcelona ist im Moment besser als wir. Auch weil sie seit 15, 20 Jahren den selben Stil pflegen." Einen Stil, den er als Trainer mit seiner Philosophie vom Ballbesitz-Fußball zwischen 2008 und 2012 perfektioniert hat. Noch immer profitieren Lionel Messi , Iniesta oder jetzt auch Neymar davon.

Auch Thiago war bei Barcelona in den Genuss der Ideen von Guardiola gekommen - und ihm 2013 nach München gefolgt. Guardiolas Spruch "Thiago oder nix" ist inzwischen legendär. 25 Millionen überwiesen die Bayern schließlich an Barcelona für einen Spieler, den damals keiner so richtig auf der Rechnung hatte. "Man gab mir bei Barça nicht das Gefühl, dass man an mich glaubte. In München habe ich das gefunden, was ich gesucht habe", sagte der 24-Jährige unlängst der Zeitung El País. Dennoch sei es "ein großartiges Gefühl", in seine Heimat zurückzukehren. Zumal er dabei auch auf seinen zwei Jahre jüngeren Bruder Rafinha trifft, der nach wie vor für Barça aufläuft. "Wir haben immer zusammengespielt, jetzt spielen wir gegeneinander. Aber am Ende ist das nicht wichtig", sagte er. Die größte Gefahr für Bayern München hat drei Namen: Lionel Messi , Luis Suárez, Neymar. Das Angriffs-trio des FC Barcelona hat in dieser Saison bislang noch jeden Gegner aufgemischt, ob in der Champions League , der Primera División oder im spanischen Pokal. 108 der 159 Barça-Tore in allen drei Wettbewerben haben die fantastischen Drei erzielt: 51 davon Messi, 33 Neymar und 24 Suárez, der berühmt-berüchtigte Beißer der Fußball-WM 2014. Allein in der Königsklasse hat Barcelonas Sturmtrio mit dem Kürzel "MSN" in zehn Partien zusammen 20 Mal getroffen.

Insbesondere mit dem Kauf von Suárez für 80 Millionen Euro vom FC Liverpool im Sommer hat sich die Spielweise der Katalanen fundamental verändert. Der 28 Jahre alte Uruguayer ist kein spielender Mittelstürmer, wie sie Guardiola in Barcelona einst einführte. Suárez ist ein klassischer Torjäger, ein Arbeiter im Strafraum. Mit ihm ist das Angriffsspiel zielstrebiger, direkter geworden. Dessen Fixpunkt ist aber nach wie vor Messi. Der Argentinier schießt aber nicht mehr nur Tore am Fließband. Messi ist auch der beste Vorbereiter. Er gefällt sich in der Rolle, Neymar und Suárez in Szene zu setzen. Messi ist der Chef, Suárez der Kämpfer, Neymar der Spektakuläre.

Vor zwei Jahren, als die Bayern im Halbfinale der Königsklasse Barça mit 4:0 und 3:0 förmlich zerlegten, spielte Messi keine Rolle. Doch diesmal ist er in Topform. "Wir glauben an uns", sagte Bayern-Stürmer Thomas Müller dennoch optimistisch. "Ich traue uns alles zu." Robert Lewandowski soll trotz Gesichtsverletzung mit einer Maske spielen. Der am Fuß verletzte Franck Ribéry trat die Reise nach Barcelona dagegen nicht an, ebenso wie Mittelfeldspieler Sebastian Rode (muskuläre Probleme).

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