"Die Vereine sind wachsamer geworden"

Markus Miller lässt sich wegen mentaler Erschöpfung stationär behandeln. Was ist das, und worin besteht der Unterschied zu Burnout und Depression? Ralf Brand: Eine mentale Erschöpfung ist von den drei genannten Beeinträchtigungen die mit der mildesten Symptomatik. Man fühlt sich psychisch ausgelaugt, müde. Bei einem Burnout-Syndrom ist der Alltag bereits massiv eingeschränkt

Markus Miller lässt sich wegen mentaler Erschöpfung stationär behandeln. Was ist das, und worin besteht der Unterschied zu Burnout und Depression?Ralf Brand: Eine mentale Erschöpfung ist von den drei genannten Beeinträchtigungen die mit der mildesten Symptomatik. Man fühlt sich psychisch ausgelaugt, müde. Bei einem Burnout-Syndrom ist der Alltag bereits massiv eingeschränkt. Depressionen können manchmal aus Burnout entstehen. Sie bedeuten für Erkrankte eine dramatische Verschlimmerung von Symptomen. Depression und oft auch Burnout sind dringend behandlungsbedürftig.

Ist es Zufall, dass erneut ein Torhüter mentale Probleme hat? Oder ist der Druck auf Torhüter größer, als auf Feldspieler?

Brand: Es gibt keinerlei Forschungsergebnisse, die diese These stützen würden.

Man gewinnt den Eindruck, die Berufsgruppe Leistungssportler ist stärker gefährdet, als andere.

Brand: Das ist definitiv nicht der Fall. Aber die Diskussion ist insofern interessant, als die Dunkelziffer psychischer Probleme im Leistungssport wahrscheinlich hoch ist. In der Öffentlichkeit ist bei Profi-Fußballern immer noch das Bild des harten Kerls vorherrschend. Wenigstens ist nach den Fällen Sebastian Deisler und Robert Enke das Thema überhaupt in der Öffentlichkeit angekommen.

Als Ursache für die psychischen Erkrankungen fällt immer wieder das Stichwort Druck. Gibt es noch andere Auslöser?

Brand: Druck ist eine wesentliche Ursache. Dabei ist nicht nur der Druck von außen, also von Medien oder dem Umfeld entscheidend, sondern die Art, wie man mit selbst gemachtem Druck zurechtkommt, zum Beispiel dem, der aus einer unrealistischen eigenen Erwartungshaltung entstehen kann. Eine wichtige Ressource, die der Einzelne solchem Druck entgegenbringen kann, ist ein stabiles Selbstbewusstsein.

Das sollte doch bei Leistungssportlern recht ausgeprägt sein.

Brand: Das ist nicht immer so. Das Selbstbewusstsein, welches Sportler über Medien transportieren, ist oft ein antrainiertes, stereotypes Rollenverhalten, das nicht deckungsgleich mit der tatsächlichen psychischen Verfassung sein muss. Und zum anderen bedeutet die Tatsache, dass es einer in die Bundesliga geschafft hat, nicht automatisch, dass er über großes Selbstbewusstsein verfügt. Und Profi-Sportler stehen unter stetigem, großem Konkurrenzdruck. Das kann sehr belastend sein und eben bis zu einer psychischen Erkrankung führen.

Welche Vorkehrungen kann der Sportler treffen?

Brand: Wichtige Präventivmaßnahme ist ein ausreichendes Maß an Abwechslung und Entspannung. Ein Leistungssportler muss sich selbst mentale Pausen geben. Zudem sollte er realistische und keine übergroßen Erwartungshaltungen an sich selbst formulieren. So etwas laugt auf die Dauer aus.

Was mit den Zielen des Clubs nicht unbedingt vereinbar ist?

Brand: Es ist richtig, dass es ein Spannungsfeld gibt, da die Clubs natürlich höchste Ansprüche an ihr Personal stellen. Es gibt den Spielertyp, der damit von sich aus gut umgehen kann. Ein anderer schafft das vielleicht nicht so gut und sucht sich eben Hilfe.

Nach Enkes Tod forderte der Deutsche Fußball-Bund, dass Spieler nicht mehr so dem Druck der Medien und Clubs ausgesetzt werden. Was hat sich knapp zwei Jahre später verändert?

Brand: An der Art, wie in Medien berichtet wird, nichts. Dagegen wird vonseiten der Sportpsychologie nun verstärkt auf Angebote hingewiesen, und es wurden nach Enkes Tod noch einmal neue geschaffen. Meinem Eindruck nach ist aber vor allem die Zahl der Sportler, die sich früh und präventiv mit Sportpsychologen in Verbindung setzen, deutlich gestiegen. Am Beispiel Millers sieht man auch, dass die Vereine nach innen wachsamer geworden sind. Schließlich habe ich den Eindruck, dass sich die Sportler zunehmend trauen, sich mit eventuellen Schwierigkeiten auch an die Öffentlichkeit zu wenden.

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