Die Tournee wird zum Trauma

Oberstdorf · Nach der Bruchlandung beim Auftaktspringen in Oberstdorf herrschte bei den deutschen Skispringern schon vor Neujahr Katerstimmung. Die Tournee bleibt eine unüberwindbare Hürde.

Als die deutschen Skispringer am Dienstag in Garmisch-Partenkirchen aus ihren Betten krochen, erwies sich das Desaster von Oberstdorf leider nicht als Albtraum. Der schlechteste Tournee-Start seit 29 Jahren und der erneut geplatzte Traum vom Gesamtsieg drückten kräftig auf die Stimmung. "Für Severin Freund und Richard Freitag war das eine Ohrfeige", sagte Werner Schuster nach einem seiner schwärzesten Tage als Bundestrainer.

"Dass unsere Spitzenleute so daneben hauen, ist eine Katastrophe", sagte Schuster, dem die Enttäuschung ins Gesicht geschrieben stand. Platz 13 durch Freund als bestes Ergebnis, so schwach war ein DSV-Team zuletzt im Winter 1985/1986 in die Vierschanzentournee gestartet. "Der Wettkampf war scheiße, das muss man ganz klar sagen", meinte Skiflug-Weltmeister Freund.

Wie schon so oft in den vergangenen Jahren folgte einem guten Saisonstart die Bruchlandung in Oberstdorf . Ein wenig neidisch blickte Schuster da auf die deutschen Fußball-Weltmeister, ehe er sich mit dem Team in der Nacht auf den Weg nach Garmisch-Partenkirchen machte. "Die zeigen vor der WM Rumpel-Fußball und spielen dann sensationell." Bei den deutschen Skispringern war es umgekehrt.

"Der Rückstand ist groß, da muss man ehrlich bleiben", sagte auch Freitag, der eine Woche nach seinem Sieg in Engelberg nur auf Rang 15 landete. Angesichts der rund 40 Punkte Rückstand auf Tagessieger Stefan Kraft aus Österreich sprach der Boulevard bereits von den deutschen "Schneehühnern".

Dass die Probleme nicht nur auf der Schanze, sondern auch in den Köpfen seiner Schützlinge liegen, ahnt auch Schuster. "Da kann ich heute nicht widersprechen", sagte der Österreicher, der die DSV-Adler in diesem Jahr so gut wie möglich vom Tournee-Rummel ferngehalten hatte: "Wir haben das Umfeld dementsprechend hergerichtet. Aber es ist komplett nach hinten losgegangen."

Auf Schuster wartet nun die schwierige Aufgabe, seine Mannschaft wieder aufzubauen. Bei einer weiteren Bruchlandung an Neujahr in Partenkirchen könnten seine Athleten ins Grübeln kommen. "Die Jungs haben eine riesige Erwartungshaltung aufgebaut. Das müssen wir jetzt lösen, damit sie kein Trauma kriegen", sagte Schuster.

Ein wenig Kampfgeist zeigte Freund dann doch noch, die Tournee abschenken will der Niederbayer nicht. "Es kommen noch drei Wettkämpfe. Da müssen wir alles rausholen", sagte der 26-Jährige, und auch Freitag kündigte an: "Wir werden uns wieder aufrappeln. Wir müssen in Garmisch wieder voll angreifen." Auch Schuster befand, sein Team könne von nun an nur noch gewinnen. "Dieses Ergebnis lassen wir nicht auf uns sitzen", sagte er, "wenn Kamil Stoch aus dem Krankenbett unter die ersten Fünf kommen kann, dann können wir das schon lange".Nachdem sein letzter großer Titeltraum schon wieder geplatzt war, machte Simon Ammann keinen Hehl aus seiner tiefen Enttäuschung. "Die Tournee mag mich einfach nicht", sagte der viermalige Skisprung-Olympiasieger. Ein bitterer Sturz kostete den Schweizer in Oberstdorf früh die Chance auf den ersten Gesamtsieg. Auch im 17. Anlauf kann der Schweizer keinen Frieden mit der Vierschanzentournee schließen.

Zunächst sah es so aus, als würde er den Sprung auf 133 Meter routiniert stehen, doch dann kam der 33-Jährige ins Straucheln. "Ich konnte mich nicht halten", sagte Ammann. Aber immerhin: "Es ist mir nichts passiert." Es sei schwer zu beschreiben, wie er sich jetzt fühle: "Ich brauche Zeit, um das zu verarbeiten." Wie viele Versuche der Skiflugweltmeister von 2010 noch unternehmen wird, um die von ihm so bezeichnete "Knacknuss" zu öffnen, bleibt fraglich. Nach Olympia in Sotschi hatte er über einen Rücktritt nachgedacht, das aber schnell wieder verworfen.

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