Australian Open Die Tenniswelt huldigt ihrem Größten

Melbourne · Roger Federer feilt weiter an seinem Legendenstatus. Der Schweizer Tennisprofi gewann zum sechsten Mal die Australian Open – sein 20. Grand-Slam-Titel.

Ganz am Ende verlor Roger Federer dann doch. Aber nur gegen sich selbst. Der größte Tennisspieler aller Zeiten hat es nicht gern, wenn ihm die Gefühle auf öffentlicher Bühne einen Streich spielen. Er hat selbst einmal gesagt, es sei ihm „irgendwie peinlich.“ Aber in einem der größten Momente seiner Karriere war es dann doch komplett um seine Beherrschung geschehen.

Was 15 000 Zuschauer in der Rod Laver-Arena und Hunderte von Millionen rund um den Erdball an diesem 28. Januar 2018 sahen, war nicht einfach nur den Rekordjäger Federer, der seinen 20. (!) Grand Slam-Titel mit dem 6:2, 6:7 (5:7), 6:3, 3:6, 6:1-Sieg über Marin Cilic sicherte. Sie sahen unverstellt den emotional berührten Federer, den in Tränen aufgelösten Federer. Den Mann, dem Tennis noch immer die halbe Welt bedeutet, neben seinem Familienleben mit Frau Mirka und vier Kindern. Den Mann, der sich über Titel 20 noch so sehr freuen kann wie über Titel Nummer eins, den er 2003 auf einem Fleckchen Rasen im Südwesten Londons holte. Vor einer Ewigkeit. „Es ist unglaublich, dass ich immer noch hier bin“, sagte Federer.

„Ich habe Spaß an jedem Tag, an dem ich auf den Platz gehe“, sagte Federer zum Ende dieser Australian Open, als ältester Grand-Slam-Champion seit den Tagen von Ken Rosewall im Jahr 1972. Es sei fast „ein bisschen unwirklich“, dass er nun mit seinen 36 Jahren den Titel in Melbourne verteidigt habe.

Es war ein Grand Slam-Turnier, das Federers Ausnahmestellung in aller Eindringlichkeit zeigte. Oft wird er ja wegen seiner Genialität, seiner Magie auf dem Centre Court gerühmt, aber Federer ist auch ein extrem harter Arbeiter. Seine Leichtigkeit gewinnt er aus vielen schweißtreibenden Übungsstunden. Er trainiert auch so methodisch und flexibel, dass er nur ganz rare Ausfallzeiten in seiner Karriere hatte. „Ich spiele noch so gutes Tennis, weil ich in den letzten Jahren immer effektiver trainiert habe“, sagt Federer. Tatsächlich hat er nie aufgehört, besser werden zu wollen.

Er hat jetzt jeden zehnten Grand Slam der Neuzeit gewonnen, 20 von 200 Majors. Federer hat sich unzählige Male neu erfunden, er hat erst seine jugendliche Ungeduld, seinen Jähzorn, seine Wildheit in den Griff bekommen. Und dann dem Druck standgehalten, der auf ihm, dem Riesentalent, seit Kindertagen lastete. Der erste Wimbledonsieg war der entscheidende Durchbruch. Danach war Federer befreit, er hat immer wieder gesagt, er hätte auch bis zum Lebensende mit einem Grand-Slam-Erfolg ruhig schlafen können.

Aber Federer schlief noch besser mit immer mehr Titeln, er ist auch ein Mann, der die Geschichtsbücher umschrieb. Innerlich beruhigte er sich noch ein gutes Stück mehr, als er die lange Zeit für ihn verfluchten French Open 2009 zum ersten Mal gewinnen konnte. „Es war ein Moment, in dem ich wirklich meinen Frieden machte mit dem Tennis“, sagte er nun in Melbourne, „es war ein Meilenstein.“ Auch eine Besänftigung für sein Ego, für seinen eigenen allerhöchsten Anspruch.

Federer kann in seinen späten Jahren die Gegner immer noch einschüchtern. Er macht ihnen Angst, weil man ihm sein Alter nicht ansieht, weil nichts in seinem Spiel unmodern ist. Im Gegenteil: Federer hat die Schnelligkeit des aktuellen Spiels adaptiert, da kann ihm keiner der Next-Generation-Burschen etwas vormachen. Spielt einer der Stars von Morgen rasant, spielt Federer rasanter. Auch das Krafttennis von Cilic, dem 29-jährigen Kroaten, federte Federer im Endspiel ab.

Bis zum Finale hatte Federer keinen Satz abgegeben. Und als er erstmals so wirklich geprüft wurde, hatte er in dem hin- und her schwankenden Match auch das bessere Ende für sich. Federer erlebte, dass sein Satzvorsprung zwei Mal egalisiert wurde. Aber er riss sich zusammen, steigerte im fünften Satz das Tempo, suchte die Entscheidung – wartete nicht auf Fehler des anderen. Und so geht Federers Traumreise in die Verlängerung der Verlängerung.

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