Leichtathletik-WM Die Sprinter-Nation meldet sich zurück

London · Die USA gewinnen erstmals seit 2005 wieder beide Titel über 100 Meter, und die Perspektive ist rosig. Jamaika ist geschockt.

 Tori Bowie aus den USA galt nicht als Favoritin, setzte sich aber über 100 Meter knapp durch.

Tori Bowie aus den USA galt nicht als Favoritin, setzte sich aber über 100 Meter knapp durch.

Foto: dpa/Adam Davy

Das Imperium schlägt zurück: Mit ihrem ersten Gold-Doppel über 100 Meter bei Männern und Frauen seit zwölf Jahren haben die USA bei der WM in London Usain Bolts Jamaika vom Sprint-Thron gestoßen. Justin Gatlin und Tori Bowie heißen die schnellsten Menschen des Planeten – und nicht mehr Bolt und Elaine Thompson wie zuletzt.

„Die USA sind zurück an der Spitze“, twitterte Leichtathletik-Legende Carl Lewis und mahnte zugleich, auf dem Weg zu den Olympischen Spielen 2020 in Tokio bloß nicht nachzulassen: „Jetzt ist es unser Job, dafür zu sorgen, dort zu bleiben.“

Die Sehnsucht nach diesem Doppel-Sieg war in der Sprinternation riesig, seit Jahren hatten Bolt und Jamaika die „Stars and Stripes“-Läufer getriezt und in die zweite Reihe versetzt, Doppel-Gold bei einer WM hatten die USA zuletzt 2005 gewonnen – damals hießen die Sieger bei den Titelkämpfen in Helsinki Gatlin und Lauryn Williams.

Wie Gatlin, der als zweimaliger Dopingsünder nach seinem Triumph gegen Bolt vom Publikum ausgebuht wurde, galt auch Bowie nicht als Favoritin auf den Titel. Doch das stachelte die 26-Jährige nur noch mehr an. „Ich wette, dass ich vorher der einzige Mensch auf der Welt war, der es für möglich hielt, dass ich die 100 Meter gewinne“, sagte die neue Weltmeisterin, die sich mit einem Sprung ins Ziel nach 10,85 Sekunden Gold sicherte: „Das ist, was ich unbedingt wollte. Ich wollte Weltmeisterin über 100 Meter werden. Und es ist passiert.“

Erstmals seit 2003 gewann Jamaika bei den Frauen keine Medaille über 100 Meter, Olympiasiegerin Thompson trottete geschlagen als Fünfte (10,98) aus dem Stadion – nach der Niederlage von Bolt die nächste Schlappe für die Karibiksprinter. „Eine Schande“, sagte Thompson. Und der „Jamaica Gleaner“ schrieb: „Das Leiden geht weiter.“ In London erlebe die „Sprint-Hochburg der Welt“ ein „derbes Erwachen“.

Denn die Zukunft sieht für die USA deutlich rosiger aus. Bolt tritt nach der WM ab – und im Schatten des Superstars drängt sich kein Landsmann auf, sein Erbe anzutreten. Ex-Weltmeister Yohan Blake schaffte es in London ins Finale, aber er ist auch schon 27 Jahre alt und hat immer wieder mit Verletzungen zu kämpfen. Der 24-jährige Julian Forte stand im Halbfinale, ihm wird aber nicht das Potenzial für die schnellen Zeiten nachgesagt.

Die USA haben derzeit die spektakuläreren Talente. Christian Coleman holte Silber hinter Gatlin, der erst 21-Jährige hat zudem nach wie vor mit 9,82 Sekunden die schnellste Zeit des Jahres in seiner Statistik stehen. Selbst Bolt hält große Stücke auf den „jungen Burschen. Er drängt nach oben und ist sehr talentiert, er hat eine großartige Zukunft vor sich.“

Und dann ist da ja auch noch Trayvon Bromell. Der WM-Dritte von 2015 ist auch erst 22 Jahre alt, war zuletzt aber außer Form. Bromell ist der schnellste Teenager der Geschichte, rannte als 19-Jähriger schon 9,84 Sekunden – das schaffte noch nicht einmal der große Bolt.

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