„Die schwangere Schildkröte“

Bremen · Die Rückkehr von Claudio Pizarro nach Bremen sollte bessere Zeiten an der Weser einläuten. Bislang ist davon allerdings wenig zu sehen. Der Peruaner ist noch ein Fremdkörper. Gegen seinen ehemaligen Club Bayern München droht ihm die Bank.

Die erneute Rückkehr von Claudio Pizarro zu Werder Bremen droht zu einem Reinfall zu werden. Der mit 176 Toren erfolgreichste ausländische Torschütze der Bundesliga-Geschichte wird an diesem Samstag (15.30 Uhr) gegen seinen ehemaligen Verein Bayern München wohl nur außerhalb des Platzes die Hauptfigur sein. Auf dem Spielfeld spielte der Peruaner bislang nur eine Nebenrolle und konnte den Absturz der kriselnden Bremer nicht verhindern. "Er ist kein Heilsbringer", sagte auch Trainer Viktor Skripnik.

Dabei begann alles so verheißungsvoll. Am Abend des 6. September machte in den sozialen Netzwerken ein Foto die Runde. Der vereinslose Südamerikaner sitzt am Flughafen in München. Sein Ziel: Bremen . An der Weser warteten an einem Sonntag eine Stunde vor Mitternacht rund 200 grün-weiße Anhänger auf ihr Idol. "Das hatte ich nicht erwartet", erklärte der Angreifer zu seinem triumphalen Empfang.

Die Euphorie kannte in Bremen keine Grenzen. Sein Trikot mit der Nummer 14 wurde zum Verkaufsschlager. Mit "Pizza" soll es nach Jahren voller Frust zurück nach Europa gehen, träumten die Fans. Bei seinem ersten Einsatz eine Woche später in Hoffenheim legte er in der Nachspielspielzeit das 2:1 gekonnt vor, am Ende hieß 3:1. "Vielleicht können wir uns für die Europa League qualifizieren", teilte Pizarro mit. Einen Tag später nahm der 37-Jährige sogar die Champions League in den Mund. "Warum nicht?", fragte der Routinier.

Knapp fünf Wochen später ist Ernüchterung eingekehrt. Die Hanseaten verloren seitdem alle vier Bundesligaspiele. Statt obere Tabellenregionen heißt es mal wieder Abstiegskampf für die Bremer. Willi Lemke , Aufsichtsratsmitglied bei den Norddeutschen, ärgerte sich vor allem über die Worte des Offensivspielers. "Ich habe mich da sehr gewundert. Das war ganz unbremisch und nicht besonders schlau", sagte der frühere Werder-Manager und fügte süffisant hinzu: "Jungen Leuten passiert so etwas mal."

Sportchef Thomas Eichin verteidigte seinen Star. "Auch dafür haben wir Claudio geholt. Er soll Siegermentalität in die Mannschaft bringen", erklärte der Geschäftsführer. Außer den gewagten Worten war auf dem Platz davon wenig zu sehen. Pizarro, der ohne Vorbereitung nach Bremen kam, wirkte in seinen 181 Minuten wie ein Fremdkörper. "Er ist 37, da darf man nicht so viel erwarten. Allein kann er es auch nicht richten. Er braucht jetzt uns als Mannschaft", erklärte Mittelfeldspieler Philipp Bargfrede.

Statt während der Länderspielpause an seinem Fitnesszustand zu arbeiten, flog er lieber zur peruanischen Nationalmannschaft. Dort gab es nach der 0:2-Auftaktniederlage in der WM-Qualifikation in Kolumbien Hohn und Spott. Nach Meinung des peruanischen Journalisten Gonzalo Nunez spielte Pizarro wie eine "schwangere Schildkröte". Beim 3:4 gegen Chile am Mittwoch saß der Bremer 90 Minuten auf der Bank.

Die droht ihm auch gegen seinen Ex-Club. Nicht nur wegen der Reisestrapazen, sondern auch wegen seiner bisherigen Auftritte. Dabei ist Pizarro sicherlich hochmotiviert. Eigentlich wollte er seine Karriere in München beenden, doch die Bayern wollten den im Sommer auslaufenden Vertrag nicht verlängern. Dort war er mit 373 Pflichtspielminuten in der vergangenen Saison auch nur noch Randfigur.

Der FC Bayern muss in Bremen auf Arjen Robben verzichten. "Nur eine Vorsichtsmaßnahme", sagte der Niederländer. Ob er am Dienstag (20.45 Uhr) in der Champions League beim FC Arsenal dabei sein kann, ist offen. In Bremen fehlen zudem Mario Götze (Sehnenriss), Kingsley Coman (Muskelprobleme) und wohl Arturo Vidal (Kniebeschwerden). Weiter aussetzen müssen Sebastian Rode, Medhi Benatia, Franck Ribéry , Jan Kirchhoff und Holger Badstuber .

Robert Lewandowski : Der Pole wandelt auf den Spuren Gerd Müllers. Der Torjäger von Bayern München hat mit zwölf Saisontoren nach acht Bundesliga-Spieltagen (insgesamt nun 103) die Bestmarke des "Bombers der Nation" aus der Spielzeit 1968/1969 und von Christian Müller (1964/1965) eingestellt. Nun wird natürlich spekuliert, ob der Mann der Stunde den Saisonrekord des besten deutschen Torjägers erreichen kann. In der Saison 1971/1972 traf Gerd Müller 40 Mal. Neben Verletzungen und einem Formtief könnten Lewandowski auch die Erfolge der eigenen Mannschaft zum Verhängnis werden. Wenn der Fokus der Bayern in der Rückrunde auf der Champions League liegt, drohen dem Polen in der Liga rotationsbedingte Pausen.

Christian Müller. Nach seinen zwölf Toren in den ersten acht Spielen der Saison 1964/1965 traf der damalige Kölner Christian Müller nur noch sieben Mal und landete mit seinen 19 Toren am Ende der Spielzeit (seinerzeit 30 Spieltage) auf Rang drei der Torjägerliste.

Peter Meyer: Den Mönchengladbacher Peter Meyer erwischte es drei Jahre später noch härter. Er spielte die Hinrunde seines Lebens und traf in 15 Spielen 19 Mal. Er war klar auf Kurs "Torjägerkanone" und zog sich dann einen Beinbruch zu. Im Anschluss an seine Verletzung machte der Stürmer kein Saisonspiel mehr, Torschützenkönig wurde der Kölner Hannes Löhr.

Vedad Ibisevic: Der Profi aus Bosnien-Herzegowina war ebenfalls schon einmal auf Gerd Müllers Spuren. Nach 18 Toren in der Hinrunde 2008 trauten nicht wenige Experten dem damaligen Hoffenheimer den Saisonrekord zu. Doch es kam ganz anders: Ibisevic zog sich einen Kreuzbandriss zu und fiel bis zum Ende der Spielzeit aus. Inzwischen geht er nach zwei Seuchenjahren beim VfB Stuttgart für Hertha BSC auf Torejagd. "Er ist ein echter Torjäger ", lobt Trainer Pal Dardai den wiedererstarkten Mittelstürmer, der zuletzt zwei Doppelpacks geschnürt hat.

Charly Dörfel: Der ehemalige Hamburger erzielte zu Beginn der Saison 1963/1964 zehn Tore und war auf dem besten Weg, erster Torschützenkönig der Bundesligageschichte zu werden. Anschließend traf er jedoch nur noch fünf Mal und belegte am Ende Platz neun in der Liste der besten Schützen. Erster wurde damals das HSV-Idol Uwe Seeler .

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