Die schönste schwarz-gelbe Niederlage

Madrid · Das Spiel war nichts für schwache Nerven. Doch mit dem Glück des Tüchtigen und leidenschaftlichem Kampf im Halbfinal-Rückspiel bei Real Madrid feierte Borussia Dortmund den zweiten Einzug ins Finale der Champions League.

Hans-Joachim Watzke erlebte die letzten zehn Minuten auf der Stadion-Toilette, selbst die beruhigende Hand von Spaniens König Juan Carlos auf der Tribüne hatte ihre Wirkung verfehlt. "Das erste Mal in meinem Leben musste ich wegen akuter Herzprobleme aufgeben", berichtete der Geschäftsführer von Borussia Dortmund. Deswegen war er aufs stille Örtchen geflüchtet, und als er dort zu seiner Freude keinen Jubelsturm der "Madridistas" mehr vernahm, kam er zurück und feierte mit der Mannschaft die schönste Niederlage der Vereinsgeschichte.

Nach dem Schlusspfiff wälzten sich erschöpfte schwarz-gelbe Spieler vor Freude auf dem Rasen, von den Rängen skandierten 8000 mitgereiste Fans "Finale!". Der BVB war trotz eines 0:2 im Halbfinal-Rückspiel bei Real Madrid (Hinspiel 4:1) zum zweiten Mal nach 1997 ins Endspiel am 25. Mai im Londoner Wembley-Stadion eingezogen.

Die Spieler ließen sich mit Erlaubnis von Trainer Jürgen Klopp teils bis in den frühen Morgen durch das Nachtleben der spanischen Hauptstadt treiben. "Wenn ich der Mannschaft jetzt nicht gestatte auszugehen, bin ich ja ein Vollhorst", hatte Klopp gesagt. Er selbst hatte das Geschehene auch noch nicht verarbeitet. Die letzten, nervenaufreibenden Spielminuten hatten ihn ins Gefühlschaos gestürzt: "Ich habe nur gedacht: Wenn Gott will, werden wir das Finale erreichen." Der Fußball-Gott belohnte den BVB am Ende für eine überragende Saison in der Königsklasse - trotz der ersten Niederlage im zwölften Spiel. "Ich habe gehört, dass die Borussen vor 16 Jahren mehr Glück gebraucht haben, um ins Finale zu kommen", sagte Klopp. Der Stolz war ihm ins Gesicht geschrieben.

Nach dem Vierfach-Torschützen Robert Lewandowski im Hinspiel war diesmal Roman Weidenfeller der Held. "Die letzten Minuten waren so intensiv", sagte der Torhüter über die Schlussphase, in der die Königlichen den BVB durch Karim Benzema (83.) und Sergio Ramos (88.) arg in die Bredouille gebracht hatten. Am Ende fehlten Cristiano Ronaldo und Co. nur ein Tor. "Es brannte lichterloh, aber wir haben dagegengehalten", sagte Mats Hummels, neben Weidenfeller überragender Borusse. Neven Subotic ergänzte: "Als ich gesehen habe, dass es fünf Minuten Nachspielzeit gibt, dachte ich, ich sterbe."

Man habe den Ansturm von Real so erwartet, aber die Mannschaft habe nicht mit ihrem besten Fußball reagiert, resümierte Klopp und meinte besonders die drei vergebenen hochkarätigen Chancen von Lewandowski, der den Ball einmal an die Unterkante der Latte krachen ließ, oder Ilkay Gündogan. Aber am Ende war alles gut. "In der Summe 4:3 gegen Madrid, das macht uns zum verdienten Sieger", sagte Klopp. Denn seine Mannschaft habe sich auch durch die Provokationen der Gastgeber auf dem Feld nicht von ihrem Weg abbringen lassen.

Die Vorfreude auf das Finale ist dementsprechend riesengroß- "Wembley wird einer der größten Momente in unserem Leben. Und wir werden uns nicht damit zufrieden geben, Finalist zu sein. Jetzt wollen wir auch den Cup gewinnen", sagte Klopp, der aber einen kleinen Wermutstropfen hinnehmen musste: Mario Götze musste in der 14. Minute ausgewechselt werden und fällt mit einem Muskelfaserriss im linken Oberschenkel mehrere Wochen aus. Der Nationalspieler wird in der Bundesliga am Samstag gegen seinen künftigen Verein Bayern München auf jeden Fall fehlen. Auch sein Einsatz im Champions-League-Finale ist fraglich. "Es wird eng für alles, was noch ansteht", sagte Klopp.

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Auf Einen BlickPressestimmen zu Madrid gegen Dortmund:"Marca" (Spanien): "Klopp verlässt das Stadion im Stil eines Triumphators." "El País" (Spanien): "Ein kurzer Moment der Epik reicht Real nicht aus für einen Finaleinzug. Allerdings war der BVB in weiten Phasen überlegen." "El Mundo" (Spanien): "Spieler und Fans hätten den Einzug ins Finale verdient - ebenso wie Borussia Dortmund, das im Gesamtverlauf der Champions League besser war.""The Sun" (England): "Deprimierter Mourinho gibt Hinweise auf eine Rückkehr zum FC Chelsea. Er will geliebt werden.""Gazzetta dello Sport" (Italien): "Adios, Mou! Trotz zwei Toren in den letzten zehn Minuten geht Borussia ins Finale. Die besten Mannschaften ziehen ins Finale ein, denn in beiden Spielen hat Borussia das Finale verdient, obwohl die Deutschen in Madrid alles getan haben, um sich das Leben schwer zu machen." dpa/sid

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