Die Qual der Wahl

Saarbrücken · Am 19. November treffen sich die Mitglieder des 1. FC Saarbrücken, um einen neuen Aufsichtsrat zu wählen. In den Rat wollen auch zwei Kandidaten aus der Fanszene. Sie betreiben einen regelrechten Wahlkampf.

 Die Mitgliederversammlung des 1. FC Saarbrücken geht am 19. November über die Bühne der Congresshalle. Diesmal stimmen die Mitglieder über einen neuen Aufsichtsrat ab. Foto: Schlichter

Die Mitgliederversammlung des 1. FC Saarbrücken geht am 19. November über die Bühne der Congresshalle. Diesmal stimmen die Mitglieder über einen neuen Aufsichtsrat ab. Foto: Schlichter

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Die Congresshalle in Saarbrücken ist ja nicht gerade klein. Bestuhlt bietet sie immerhin 1300 Menschen Platz. Am 19. November werden sicher nicht alle Sitzgelegenheiten besetzt sein. Der Termin der Mitgliederversammlung (MV) liege nicht so optimal, sagen einige. An einem Dienstag um 19 Uhr das gemeine Mitglied des Fußball-Drittligisten 1. FC Saarbrücken in die Landeshauptstadt zu locken, ist aber auch schwierig. 2010 waren 500 da, 2011 355, 2012 330 Mitglieder. Viele Berufstätige finden keine Zeit, anderen ist es einfach zu viel, bis mindestens 24 Uhr in einer Halle zu sitzen, um ab und an mal bei einer Abstimmung den Arm zu heben. Das Ganze auch noch ohne Ausschank von alkoholischen Getränken und auch noch mit dem Gefühl, dass die eigene Stimme nicht viel Wert ist. "Es ändert sich ja sowieso nix", lautet bei einigen Mitgliedern des Tabellenvorletzten derzeit die Devise.

So werden nur etwa 500 der etwas mehr als 2000 FCS-Mitglieder an besagtem Dienstag kommen. Sie kommen, um vor allem einen neuen Aufsichtsrat für die kommenden drei Jahre zu wählen. Die Wahl steht turnusmäßig an. Sieben Plätze gibt es, auf die sich neun Männer bewerben. Die Kandidatenliste ist zweigeteilt. Auf der einen Seite stellen sich sechs Herren zur Wahl, die bisher auch im Aufsichtsrat saßen: Aufsichtsratsvorsitzender Reinhard Klimmt, Franz-Josef Abel, Michael Arnold, Daniel Hager, Leo Petry und Egon Schmitt. Dazu kommt als siebter Paul Borgard, der Anfang Oktober zugunsten von Hartmut Ostermann auf den Präsidentenstuhl verzichtete - und sich nun in den Aufsichtsrat wählen lassen will.

Horst Hinschberger, der Mitte September sein Amt wegen Differenzen im Rat aufgab, stellt sich nicht mehr zur Wahl. "Das Vertrauensverhältnis zu den handelnden Personen ist zerrüttet", sagte er damals. Daran hat sich bis heute nichts geändert: "Die Meisten, die sich zur Wahl stellen, wollen nur einen Posten. Ich will, dass es dem FCS besser geht. Da passen wir nicht zusammen."

Auf der anderen Seite stellen sich zwei Vertreter aus der Fanszene zur Wahl. Einer ist der Saarbrücker Claude Burgard. Der 32-jährige Versicherungs- und Finanzfachwirt kann sich ebenso wie Student Florian Kern, der 23 Jahre alt ist, vorstellen, in das Gremium "frischen Wind zu bringen". Beide können das Gespräch mit dem "Wir-können-ja-eh-nix-ändern"-Tenor nicht mehr hören. "Ich will was ändern", sagen beide unisono. So hat Burgard gleich drei Anträge auf Satzungsänderung neben seiner Kandidatur eingereicht. Kein Stimmrecht für Mitarbeiter des Vereins, fordert er. Er will die Versammlung darüber abstimmen lassen, dass der Termin der Veranstaltung verpflichtend an einem spielfreien Wochenendtag stattfindet - auf dass mehr kommen können. Als Drittes will er nicht mehr haben, dass der Ehrenrat, bei dem sich ein Aufsichtsratskandidat bewerben muss, einen Kandidaten verbindlich ablehnen kann. Burgard will, dass diese Entscheidung die MV übernimmt. "Kurz: Es geht mir um mehr Demokratie im Verein", sagt Burgard.

Kern will rein, "weil die Außendarstellung des FCS wieder positiv werden muss. Weil es gerade in der Fanszene viele Ideen gibt, die ungenutzt herumliegen. Weil Vereinskultur lebendig sein muss. Weil der Aufsichtsrat frischen Wind braucht", sagt er. Während die sieben anderen Kandidaten darauf verweisen, "ihre erfolgreiche Arbeit fortsetzen zu wollen", wie Aufsichtsratschef Klimmt sagt, betreiben Burgard und Kern einen regelrechten Wahlkampf: "Ich werbe vor allem im Netz, in Foren, spreche aber natürlich auch viel mit Fans und Mitgliedern", erklärt Burgard. Er weiß, dass er im Rat keine Präsidentenbefugnisse hat, also nicht alles ändern kann: "Aber ich kann viele Ideen in den Rat tragen, sie so lange vortragen, bis sie Gehör finden", sagt Burgard.

Auch Kern betreibt eine Internetkampagne. Sein Slogan: "KERNig in den Aufsichtsrat". Ihn bringt er via Facebook, Twitter und eigener Internetseite (florian-kern.de) unters Volk. Auch einen "Straßenwahlkampf" betreibt Kern. So war er am vergangenen Samstag beim Heimspiel mit einem 20 Mann starken Wahlkampfteam am Ludwigspark, um Mitglieder zu werben.

"Wir haben insgesamt zehn ausgefüllte Anträge eingesammelt, haben weitere verteilt", sagt Kern nicht ohne Stolz, aber auch nicht ohne zu wissen, dass einige, die ihn oder Burgard wählen, sich erhoffen, Interna aus Sitzungen des Rates zu bekommen. "Die Arbeit und Sitzungen des Aufsichtsrates sind streng vertraulich", betont hingegen Klimmt. Selbst ein Passus in der Satzung verweist darauf. Das wissen Burgard und Kern, die beide ihre Ideen in den Rat tragen wollen, den Rat aber "nicht untergraben wollen", sagt Burgard. Klimmt hätte kein großes Problem, wenn beide gewählt würden: "Das ist Demokratie, dann arbeiten wir halt zusammen." Die Chancen für beide stehen nicht schlecht, bekommen sie denn genügend Unterstützer in die Congresshalle. Genügend Platz bietet die Halle ja.

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Auf einen BlickNeben den drei Anträgen auf Satzungsänderung von Claude Burgard gibt es Stand 29. Oktober zwei weitere Anträge. Mitglied Pascal Matheis fordert, dass das Vereinslied vor jeder Versammlung gesungen wird. Der Fanbeauftragte Meiko Palm will, dass über eine eventuelle Ausgliederung der Profiabteilung nur die Mitgliederversammlung mit einer Dreiviertelmehrheit entscheiden darf.Die Wahl des Aufsichtsrates geht laut Satzung wie folgt über die Bühne: Alle neun Namen kommen auf eine Liste, auf der jedes Mitglied sieben Kreuze machen darf. "Gewählt ist, wer mehr als die Hälfte der abgegebenen Stimmen auf sich vereinigt. […] Erreicht keiner der Bewerber mehr als die Hälfte der abgegebenen Stimmen, entscheidet in einem zweiten oder weiteren Wahlgang die einfache Mehrheit […]. Bei zweimaliger Stimmgleichheit entscheidet das Los."Nach der Wahl konstituiert sich der Aufsichtsrat, wählt seinen Vorsitzenden und bestellt das Präsidium. Das wird sich wohl nicht ändern und so aussehen: Hartmut Ostermann (Präsident), Harald Ebertz (Vize-Präsident) und Dieter Weller (Schatzmeister). kip

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