Doping Die Operation Aderlass kommt ins Rollen

München · Der österreichische Radprofi Georg Preidler erstattet Selbstanzeige. Und es kündigt sich eine riesige Doping-Welle an.

Es hat nun einen erwischt, von dem es heißt, er sei eigentlich nicht anfällig. Georg Preidler, Radprofi, Österreicher, ist der nächste öffentlich bekannte Name, den die Operation Aderlass zu Tage gefördert hat. Über den 28-Jährigen sagt man im Peloton: intelligent, normales Umfeld, kein typischer Problemfall. Und doch hat auch er nicht widerstanden.

Mittels Selbstanzeige bei der Staatsanwaltschaft Graz war Preidler am Sonntag geständig. „Ich“, sagte er in diversen Interviews, „habe ein Doping-Geständnis abgelegt.“ Preidler beteuerte, er habe sich Blut abnehmen lassen, „es aber nie rück­geführt. Aber alleine der Gedanke und die betrügerische Absicht sind schon ein Delikt.“ Diese vertrackte Lage hielt er im Lichte der Enthüllungen um die bei der nordischen Ski-WM in Seefeld ausgebrochene Affäre nicht mehr aus. „Ich weiß nicht, ob ich überführt worden wäre. Ich weiß nicht, wie und ob dieser Dopingarzt alles verschlüsselt hat“, sagte Preidler.

Dieser Dopingarzt, Mark S. aus Erfurt, steht im Mittelpunkt der Szenerie, ist die Schlüsselfigur. Und es sieht immer mehr danach aus, als könnte er auspacken. Teile der Sportwelt dürften beim Gedanken daran ähnlich wie Preidler schlaflose Nächte haben. „Wir haben uns entschlossen, vollumfänglich, rückhaltlos mit der Staatsanwaltschaft zu kooperieren“, sagte Andreas Kreysa, der Rechtsbeistand von S.

Preidler ist der vierte österreichische Top-Athlet nach den Langläufern Dominic Baldauf und Max Hauke sowie dem Radprofi Stefan Denifl, der die Österreich-Rundfahrt 2017 gewann und den Behörden seine Vergehen gestanden hat. Am Sonntagabend, das war der Vorbote seiner Beichte, löschte Preidler seine Profile in den sozialen Medien.

Noch immer ist der volle Umfang der Operation Aderlass nicht absehbar. Vergleiche zur Operacion Puerto um den Blutpanscher Eufemiano Fuentes bezeichnete der Dopingforscher Mario Thevis inzwischen aber als legitim. „Wenn das, worüber gerade berichtet wird, nur annähernd stimmt, hat das ähnliche Dimensionen“, sagte Thevis.

Der Sprengstoff sind die rund 40 Blutbeutel, die bei Razzien im Umfeld von S. sichergestellt worden waren. Die ermittelnde Staatsanwaltschaft München I ist gerade fieberhaft dabei, die Beweismittel zuzuordnen, sie bittet die Öffentlichkeit noch um Geduld. Aber: Weitere Enthüllungen sind wohl nur eine Frage der Zeit. Und die Behörde wird gewiss auch auf übergeordnete sportpolitische Interessen keine Rücksicht nehmen.

DOSB-Präsident Alfons Hörmann plädiert für eine harte Bestrafung für die Drahtzieher, Hintermänner und Athleten. „Um es klar zu sagen: Die Härte der Strafe für solche Verstöße kann im Grunde nicht groß genug sein“, sagte der Chef des Deutschen Olympischen Sportbundes. Aufgrund des Anti-Doping-Gesetzes sind Haftstrafen denkbar.

Der laufende Skandal wird ohnehin als Verdienst der staatlichen Ermittler gewertet, weniger als Erfolg der Kontrolleure. Thevis, der Leiter des Kölner Anti-Doping-Labors, will das so nicht stehen lassen. Die reguläre Dopingkontrolle, koordiniert von der Nationalen Anti-Doping-Agentur, spiele eine genauso wichtige Rolle wie die Maßnahmen der Ermittler, sagte Thevis. Dass bisher keine deutschen Sportler involviert sind, sei auch dem engmaschigen Kontrollsystem geschuldet.

Preidler steht jetzt auf der Straße, den Vertrag mit seinem französischen Team Groupama-FDJ hat er aufgelöst. Die Dopingabsicht sei „der größte Fehler meines Lebens“ gewesen, die Hemmschwelle „erst vor Kurzem“ gefallen. „Es ist wie beim Hütchenspiel. Du weißt, dass es Betrug ist. Aber du spielst mit.“ Er wisse keine Namen anderer Athleten, aber erwartet einen Skandal ungeahnten Ausmaßes: „Ich kann mir vorstellen, dass es ein internationales Erdbeben geben wird.

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