WM-Nominierung Leichtathletik Die neue WM-Speerspitze für London

Luzern · 94,44 Meter – der zweitweiteste Speerwurf der Leichtathletik-Geschichte katapultiert Johannes Vetter bei der WM in die Favoritenrolle.

 Johannes Vetter schaut seinem Speer nach, den er gerade abgefeuert hat. Der ehemalige Saarbrücker legte eine nie dagewesene Serie hin.

Johannes Vetter schaut seinem Speer nach, den er gerade abgefeuert hat. Der ehemalige Saarbrücker legte eine nie dagewesene Serie hin.

Foto: dpa/Gian Ehrenzeller

Mit dem phänomenalen Rekordwurf auf 94,44 Meter hat Johannes Vetter die Hoffnung auf eine deutsche Speerwurf-Sternstunde am 12. August bei den Weltmeisterschaften in London geschürt. „Die 90,75 und 91,06 Meter sind erklärbar, die 93,06 Meter weniger und zu den 94,44 Meter fallen mir keine Worte ein“, sagte der 24 Jahre alte Olympia-Vierte zu seiner unglaublichen Wurfserie beim Meeting in Luzern am Dienstagabend. „So richtig wusste ich nicht, was in mir steckt. Es ist wie mit einer Wundertüte.“

Das Feuerwerk seiner 90-Meter-Würfe in den regnerischen Himmel erlebte er wie im Rausch. „Nach dem 90-Meter-Wurf hörte ich eine innere Stimme, die sagte: Mach‘ weiter“, berichtete Vetter. Als sein Speer wenig später jenseits der 93 Meter landete, hatten sein Trainer Boris Obergföll und auch er Tränen in den Augen. „Und im vierten Versuch habe ich dann alles auf eine Karte gesetzt, es steckte so viel Adrenalin in mir“, sagte der Athlet der LG Offenburg. Mit einem fulminanten Hechtsprung kurz vor die Abwurflinie hatte er dem Speer noch einen Extra-Anschub für den Rekordflug mitgegeben. Nur der Tscheche Jan Železný hat mit 98,48 Metern jemals weiter geworfen.

„Das ist genial für unsere Sportart, was da passiert“, sagte sein Freund und Konkurrent Thomas Röhler aus Jena, der den deutschen Rekord erst am 5. Mai in Doha auf 93,90 Meter verbessert hatte und schnell wieder los wurde. „Wir schreiben gerade weltweit Geschichte. Das ist eine tolle Sache, wie wir uns hochpushen.“ Der Olympiasieger von Rio mahnt zwar, trotz der deutschen Dominanz „auf dem Boden zu bleiben, weil so etwas Beispielloses bei der WM auch einem anderen gelingen könnte“, fügte jedoch selbstbewusst hinzu: „Es ist aber auch nicht vermessen zu fragen: Wie viele Medaillen können wir gewinnen?“ Schließlich liegen Vetter, Röhler und Andreas Hofmann (Mannheim/88,79 Meter) auf den ersten drei Plätzen der Weltbestenliste.

Nach nur vier Stunden Schlaf macht sich Vetter Gedanken über den mit einem Schlag gestiegenen Erfolgsdruck und fragt sich: „Was erwarten nun die Menschen und die Leichtathletik von mir?“ Schließlich stand die Bestleistung des ehemaligen Athleten von Saar 05 Saarbrücken vor seinem Wechsel zu Bundestrainer Obergföll im Oktober 2014 noch bei 79,75 Metern. Unter der Regie des WM-Dritten von 1995 und 2003 steigerte er sich von 85,40 Metern (2015) über 89,57 (2016) auf nun 94,44 Meter. „Boris ist die Kinnlade heruntergefallen, er hat sich gefreut wie Bolle“, sagte Vetter. „Er ist der Kopf der ganzen Sache.“ Mit ihm hat er die Wurftechnik radikal umgestellt. „Als ob man auf einen Resetknopf drückt“, erklärte er.

Mit Röhler und Vetter an der (Speer)-Spitze schickt der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) 71 Athleten (32 Männer/39 Frauen) Anfang August nach London. Diese Zahl gab der DLV gestern bekannt. Mit dabei ist auch Sprinterin Laura Müller (LC Rehlingen), die über 200 Meter und für die 4x400-Meter-Staffel nominiert worden ist. Claudia Salman-Rath, die am Olympiastützpunkt in Saarbrücken bei Bundestrainer Uli Knapp trainiert, ist ebenfalls in London Doppelstarterin – im Siebenkampf und im Weitsprung. Ebenfalls den Sprung nach Lindon schafften Stabhochspringer Raphael Holzdeppe und Speerwerferin Christin Hussong (beide LAZ Zweibrücken).

Neben den Speerwerfern dürften die Zehnkämpfer Rico Freimuth (Halle) und Kai Kazmirek (Neuwied) einen Podestplatz anstreben. Bei den Frauen sind 1500-Meter-Läuferin Konstanze Klosterhalfen (Leverkusen), Hindernisläuferin Gesa Felicitas Krause (Trier), Hürdensprinterin Pamela Dutkiewicz (Wattenscheid) und Mehrkämpferin Carolin Schäfer (Frankfurt) die großen Hoffnungsträgerinnen.

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