Die neue Rolle als Lenker hinter der Bande

Köln · 16 Jahre nach seiner Heim-WM als Spieler führt Marco Sturm die Eishockey-Nationalmannschaft als Bundestrainer aufs Eis in Köln.

 Marco Sturm fiebert der Heim-WM in Köln entgegen. Der Eishockey-Bundestrainer kann bisher überzeugende Erfolge vorweisen – damit wächst natürlich auch die Erwartungshaltung vor dem aktuellen Turnier. Foto: Becker/dpa

Marco Sturm fiebert der Heim-WM in Köln entgegen. Der Eishockey-Bundestrainer kann bisher überzeugende Erfolge vorweisen – damit wächst natürlich auch die Erwartungshaltung vor dem aktuellen Turnier. Foto: Becker/dpa

Foto: Becker/dpa

An den kuriosen Startschuss vor 16 Jahren erinnert sich Marco Sturm noch genau. Ein Schweizer Verteidiger hatte den deutschen NHL-Stürmer angeschossen, der Puck sprang zum ersten Tor bei der Heim-WM ins Netz. "Es war nicht das schönste Tor meiner Karriere", gibt der Bundestrainer lachend zu - aber eines seiner wichtigsten. Der krasse Außenseiter Deutschland stieß ins Viertelfinale vor und löste eine Eishockey-Begeisterung aus. Damals war Sturm der Star auf dem Eis, jetzt kehrt er als Lenker hinter der Bande nach Köln zurück.

Ein wenig beneidet er sein altes Ich. "Man hat nicht so viel im Kopf wie der Trainer, sondern geht - in Anführungsstrichen - nur raus und spielt Eishockey", sagt er. Die Unbekümmertheit des 22-Jährigen, der den Aufsteiger mit insgesamt vier WM-Toren mitriss, ist der großen Verantwortung des Bundestrainers gewichen. Vor dem WM-Auftakt heute Abend (20.15 Uhr/Sport1) gegen die USA bleibt keine Zeit für Ablenkung: "Man hat als Trainer sehr wenig Schlaf, man schaut sehr viel Video, die eigenen Spiele, die der Gegner. Die Nächte sind sehr, sehr kurz."

Als Spieler konnte er die Weltmeisterschaft 2001 vor eigenem Publikum genießen, für den Coach Sturm ist der Druck "einen Tick" größer. Erst recht, weil die letzte Heim-WM die Erwartungen sehr hochgeschraubt hat. Vor sieben Jahren stürmte die deutsche Mannschaft nach dem Weltrekordspiel vor 80 000 Zuschauern auf Schalke sensationell ins Halbfinale von Köln und scheiterte nur knapp am Rekordweltmeister Russland. Sturm erlebte es damals aus der Ferne, "im Bett, mit einer Schiene nach meinem Kreuzbandriss". Die riesige Euphoriewelle, die 2010 durchs Land schwappte, erreichte den damaligen NHL-Stürmer auf seinem Computer in Boston.

Mittlerweile ist aus dem deutschen NHL-Rekordspieler ein erfolgreicher Trainer geworden, der die Auswahl des Deutschen Eishockey-Bundes (DEB) im vergangenen Jahr zurück ins WM-Viertelfinale und zu den Olympischen Spielen 2018 führte. Den Lorbeer steckt sich der 38-Jährige aber nicht selbst ans Revers. Er weiß, dass er als Neuling im Job auf erfahrene Helfer angewiesen ist. "Ich finde mich als Trainer nicht perfekt", sagt Sturm: "Ich will mich immer weiterbilden. Es gibt Trainer, die finden sich toll. Die sagen: Es passt alles. Aber ich bin noch jung, ich will dazulernen."

Die wichtigste Unterstützung an der Bande bekommt er von NHL-Co-Trainer Geoff Ward, den er aus seiner Zeit in Boston kennt. Bei der WM im vergangenen Jahr in Russland habe er gemerkt, wie entscheidend die Tipps des Mannheimer Meistertrainers von 2015 sind: "Als er jetzt in der Vorbereitung nicht dabei war, gab es ein großes Loch."

Als Bundestrainer muss Sturm auch an morgen denken - und dabei kommt er ins Grübeln. Als er noch einmal die Bilder von 2010 sah, fiel ihm auf, "dass die meisten Spieler jetzt wieder da sind. Das kann's nicht sein. Wenn man sechs Jahre lang fast den gleichen Kader hat, dann läuft irgendwas falsch." Wenngleich das Aufgebot um Kapitän Christian Ehrhoff nach wie vor gut ist. Und im Falle einer Nachnominierung der NHL-Profis Leon Draisaitl und Tom Kühnhackl (noch in Playoffs aktiv) sogar sehr gut. Aber in den nächsten Jahren, so fürchtet Sturm, wird er ausbaden müssen, "was in den letzten zehn, 15 Jahren versäumt wurde". An all das musste er vor 16 Jahren nicht denken.

Zum Thema:

WM-Aufgebot der deutschen Mannschaft Torhüter: Thomas Greiss (New York Islanders), Felix Brückmann (Grizzlys Wolfsburg), Danny aus den Birken (Red Bull München). Verteidiger: Denis Reul (Adler Mannheim), Justin Krueger (SC Bern), Christian Ehrhoff (Kölner Haie), Konrad Abeltshauser (Red Bull München), Dennis Seidenberg (New York Islanders), Frank Hördler (Eisbären Berlin), Sinan Akdag (Adler Mannheim), Moritz Müller (Kölner Haie). Stürmer: Tobias Rieder (Arizona Coyotes), Brooks Macek (Red Bull München), Marcus Kink, Matthias Plachta, David Wolf (alle Adler Mannheim), Yannic Seidenberg (Red Bull München), Patrick Reimer, Yasin Ehliz (beide Nürnberg Ice Tigers), Gerrit Fauser (Grizzlys Wolfsburg), Patrick Hager (Kölner Haie), Felix Schütz (Rögle BK), Dominik Kahun (Red Bull München), Philip Gogulla (Kölner Haie), Frederik Tiffels (Western Michigan University).

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