Die Marseillaise im Wembleystadion

London · Rausgehen und Fußball spielen? So einfach wird es nicht für Frankreichs Nationalmannschaft. Die Attentate von Paris müssen die Spieler weiter verarbeiten. Mit Aktionen wollen Englands Fußballer ihnen dabei helfen.

Es soll ein Symbol für die Verbundenheit mit Frankreich werden: Aus 90 000 Kehlen soll vor dem Spiel der Équipe tricolore die berühmte Marseillaise erklingen. Ob englische Fans oder neutrale Zuschauer, ob französische Spieler oder die Mannschaft aus dem Mutterland - im Wembleystadion soll die Fußball-Welt vier Tage nach den schrecklichen Attentaten von Paris und Saint-Denis französisch sprechen.

"Das Spiel wird eine ernsthafte Angelegenheit, aber eine, die zeigt, dass die Fußball-Welt vereint ist gegen solche Grausamkeiten", sagte Englands Trainer Roy Hodgson. Der Text der französischen Nationalhymne soll auf den Leinwänden im Stadion für alle zum Mitsingen eingeblendet werden. Wie der britische "Telegraph" berichtet, planen die Spieler der englischen Mannschaft zudem eine gemeinsame Aktion für ihre Kollegen aus Frankreich. Nicht wenige aus dem Team des Gastgebers der EM im kommenden Jahr verdienen auf der Insel in der Premier League ihr Geld.

Reaktionen aus der französischen Mannschaft auf die Entscheidung, die Partie wie geplant auszutragen, gab es auch gestern nicht. Seit dem 2:0-Sieg gegen Deutschland, der angesichts von mindestens 129 Toten und über 350 Verletzten keinerlei Bedeutung mehr hat, äußerte sich keiner der Akteure öffentlich. "Ich verstehe die Emotionen der Spieler", sagte Frankreichs Verbandschef Noel Le Graet. Die Idee sei aber von allen akzeptiert worden.

Was auch dadurch belegt scheint, dass selbst der persönlich betroffene Lassana Diarra zum selben 23-köpfigen Kader gehört, der gestern die Reise nach London antrat. Diarra betrauert den Tod einer Cousine bei den Anschlägen. "In diesem Klima des Terrors ist es für uns alle, die dieses Land und seine Vielfalt vertreten, wichtig, das Wort zu ergreifen und vereint zu bleiben gegen den Horror, der weder eine Hautfarbe noch eine Religion kennt", schrieb der 30-Jährige auf seiner Facebook-Seite. "Lasst uns die Liebe, den Respekt und den Frieden verteidigen."

Die Tage vor der Partie hatten mit Vorbereitung geschweige denn Einstimmung auf einen weiteren Klassiker im europäischen Fußball nichts zu tun. Dabei sollten genau diesen beiden Spiele Standortbestimmungen sein. Ungeschlagen sind die Franzosen in der EM-Saison: Fünf Siege aus fünf Spielen lautet die Bilanz. Das Fehlen von Karim Benzema wegen dessen Verwicklung in die Affäre um Teamkollege Mathieu Valbuena, der wegen eines Sexvideos erpresst wurde, kompensierte Deschamps' Team gegen Deutschland bravourös.

"Dieses Spiel wird ein emotionales Ereignis werden", sagte Trainer Didier Deschamps, "Aber wir werden zeigen, wie stolz wir darauf sind Franzosen zu sein." Der Sport wird in den 90 Minuten den Rahmen bieten für das Gedenken an all jene, die am Freitagabend in Paris ihr Leben lassen mussten.

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